Der niederländische Politiker Gom van Strien
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Niederlande

Rücktritt erschwert Wilders’ Koalitionssuche

Noch vor Beginn der Regierungsbildung in den Niederlanden ist der beauftragte „Sondierer“ nach Betrugsvorwürfen zurückgetreten – das erschwert die Suche nach einer Koalition ungemein. Der Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) hatte nach seinem klaren Wahlsieg der vergangenen Woche einen Abgeordneten seiner eigenen Partei, Gom van Strien, als „Sondierer“ vorgeschlagen.

Am Wochenende war bekanntgeworden, dass der frühere Arbeitgeber van Striens bereits im Frühjahr Anzeige wegen Betruges gegen ihn erstattet hatte. Van Strien wies die Vorwürfe zwar zurück, gab allerdings am Montag seinen Rücktritt bekannt, nachdem Medien über Betrugsvorwürfe in seinem früheren Unternehmen berichtet hatten. Die „Unruhen“ über die Berichte und die Zeit, die benötigt werde, um darauf angemessen zu reagieren, „passen nicht zu meiner Arbeit“ als Vermittler, so van Strien.

Wilders’ PVV hatte bei der Wahl 37 der 150 Parlamentsmandate gewonnen. Die bisher in einer Koalition regierende bürgerlich-konservative VVD verlor zehn Mandate und kam auf 24 Sitze. Das rot-grüne Bündnis des ehemaligen EU-Kommissars Frans Timmermans kam auf 25 Sitze. Wilders’ Sieg kommt für die Niederlande einem politischen Erdbeben gleich. Der Rechtspopulist wird wegen seiner heftigen Polemik gegen Einwanderer und Muslime mitunter mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verglichen.

Vera Bergkamp und Gom van Strien
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Parlamentsvorsitzende Vera Bergkamp und Gom van Strien

Rutte-Partei will nicht in Wilders-Koalition

Wilders will gemeinsam mit der Zentrumspartei NSC und der VVD des scheidenden Premiers Mark Rutte eine Koalition bilden. Die ohnehin nicht leichte Aufgabe der Regierungsbildung gestaltet sich für Wilders allerdings zusätzlich kompliziert, da die VVD offenbar der Regierung nicht beitreten will. Ruttes Nachfolgerin als VVD-Chefin, Dilan Yesilgöz, hatte vor der Wahl eine Regierungsbeteiligung unter einem Ministerpräsidenten Wilders ausgeschlossen. Erst einmal sei nun Wilders am Zug, sagte sie in der Wahlnacht.

Wilders-Vertreter van Strien hätte sich am Montag mit Yesilgöz treffen sollen. Obwohl die VVD eine Koalition mit der PVV ausschließt, signalisierte sie jedoch die Bereitschaft zur Unterstützung einer Minderheitsregierung. Auch mit der NSC wird es nicht leicht zu verhandeln: Deren Parteichef Pieter Omtzigt hatte bereits erklärt, eine Zusammenarbeit mit Wilders sei aufgrund seiner extremen Positionen schwierig.

Der niederländische Politiker Geert Wilders
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Geert Wilders nach der Wahl vor der Presse

Traditionell schwierige Verhandlungen

Wilders selbst gab sich nach der Verkündung seines Wahlerfolges letzte Woche gewiss, eine Regierung bilden zu können. „Ich glaube, dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen“, so Wilders. Auf keinen Fall dürfe der Wählerwille ignoriert werden.

Regierungsbildungen sind in den Niederlanden wegen des stark fragmentierten politischen Systems traditionell schwierig. Häufig werden vier oder mehr Parteien für eine Regierungsbildung benötigt. Nach einer Wahl wird daher traditionellerweise zunächst ein „Sondierer“ benannt, der die Chance einer Koalition ausloten soll. Er spricht mit allen Fraktionen. Erst danach beginnen inhaltliche Verhandlungen der Parteien.

Wilders seit 20 Jahren Fixpunkt in Politik

Wegen seines Antiislamismus steht Wilders schon seit 20 Jahren im Fadenkreuz radikaler Islamisten und wird rund um die Uhr bewacht. Im jüngsten Wahlkampf schlug er versöhnlichere Töne an, weil er erstmals seit langer Zeit eine Möglichkeit sah, wirklich in die Regierung zu kommen. Er proklamierte vor allem „Netherlands first“ („Die Niederlande zuerst“) und erinnerte damit auch an den von Trump geprägten Slogan „America first“.

Zu Wilders’ Parolen gehören aber auch „Mehr Personal in der Pflege“ und „Niedrigere Mieten und Steuern“. Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen und Politologinnen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders’ Partei hat nur ein einziges Mitglied – ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Szepter übernehmen könnten.

Die von Wilders ausgehende Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat war im Wahlkampf kaum je thematisiert worden – übrigens auch nicht von den Medien, die ihn schon lange wie einen ganz normalen Politiker behandeln. Dass man doch „jeden mit ins Boot nehmen“ wolle, ist in den Niederlanden eine politische Maxime.