Sänger Shane MacGowan (The Pogues)
IMAGO/Bernd Müller
1957–2023

Shane MacGowan ist tot

Shane MacGowan, Sänger der legendären irisch-englischen Folkpunkband The Pogues, ist tot. Das teilte seine Frau Victoria Mary Clark am Donnerstag mit. MacGowan wurde 65 Jahre alt. Als gefeierter Texter und Sänger führte er seine Band zu Kultstatus. Gleichzeitig war seine Karriere geprägt von Alkoholsucht und Exzessen – teils auf offener Bühne.

MacGowan starb an den Folgen einer viralen Gehirnentzündung, wie seine Frau mitteilte. Die Ende 2022 diagnostizierte Krankheit führte dazu, dass er im Folgejahr mehrere Monate im Krankenhaus – teilweise in Intensivbetreuung – verbringen musste. Von seiner Frau gepostete Bilder legten einen besorgniserregenden Zustand des Sängers nahe. Vor einigen Tagen hatte er das Spital verlassen.

MacGowan war schon lange gesundheitlich schwer angeschlagen – vor allem eine Folge des Missbrauchs von Alkohol und anderen Drogen. Seit einem Beckenbruch 2015 saß er im Rollstuhl.

Fusion aus Punk und Folk

Als Sohn irischer Eltern wurde MacGowan in England geboren und lebte einige Jahre seiner Kindheit in Irland, ehe die Eltern wieder nach England zogen. Nach ersten musikalischen Gehversuchen in der Punkband The Nipple Erectors bzw. The Nips gründete er inspiriert von Punk und traditioneller irischer Musik mit Jem Finer (Banjo), Peter „Spider“ Stacy (Tin Whistle) und später James Fearnley (Akkordeon) die zunächst The New Republicans genannte Band.

Die Umbenennung in Pogue Mahone (die englische Schreibweise des gälischen Ausdrucks „Küss meinen Arsch“) schmeckte der Plattenfirma nicht recht, und so veröffentlichte die Band als The Pogues 1984 die erste Platte „Red Roses for Me“, teils mit eigenen Songs, teils mit rohen Versionen englischer und irischer Traditionals.

die Mitglieder der band „The Pogues“ 1985
picturedesk.com/Ronald Grant Archive/Mary Evans
Die Band am Filmset der Westernparodie „Straight to Hell“

Siegeszug mit zwei Alben

Der große Durchbruch kam mit dem von Elvis Costello produzierten Album „Rum, Sodomy & the Lash“ 1985. Der neuen Stilrichtung Folkpunk sollte eine ganze Reihe von Bands folgen – allerdings keine so erfolgreich wie die „Erfinder“. Den Erfolg konnte die Band 1988 mit „If I Should Fall from Grace with God“ noch einmal übertrumpfen.

Auf der Platte findet sich auch „Fairytale of New York“, ein Duett MacGowans mit der im Jahr 2000 tödlich verunglückten Kirsty MacColl. Der Song gilt als Weihnachtsklassiker – und das, obwohl er von den Tiefen und Untiefen des Lebens handelt und nicht von Schlittenfahrten, Mistelzweigen und großen Kinderaugen – mehr dazu in Song mit bewegter Geschichte.

Exzesse auf der Bühne

Es waren die großen Jahre der Pogues – mit Touren rund um den Erdball und ausverkauften Konzerten. Der angetrunken nuschelnde Gesang war zwar längst zum Markenzeichen geworden: „Eigentlich sind wir besser, wenn wir nüchtern sind“, sagte MacGowan in einem frühen Interview, „aber es macht nicht so viel Spaß, also betrinken wir uns.“

Sänger Shane MacGowan (The Pogues) bei einem Konzert in München 1989
IMAGO/Bernd Müller
The Pogues bei einem Konzert in München 1989

Doch nicht immer war MacGowan in der Lage, seinen Part zu liefern. Häufig torkelte er auf der Bühne, verpasste ganze Songs. In Interviews war er oft extrem alkoholisiert und konnte sich nur teilweise artikulieren. Das Album „Peace and Love“ war bereits weniger erfolgreich, „Hell’s Ditch“ (1990) floppte.

Soloprojekte nach Rauschmiss

Irgendwann war für die Band eine rote Linie überschritten: MacGowan wurde 1991 ob seiner Suchtexzesse aus der Band geworfen. Der Erfolg der Pogues hielt sich danach in engen Grenzen, Jubel gab es nur, als The-Clash-Frontmann Joe Strummer fallweise live als Sänger einsprang. 1996 löste sich die Band vorerst auf.

MacGowan startete schon kurz nach seinem Rauswurf einige Soloprojekte, etwa mit der Band Shane MacGowan and The Popes, bei der auch Johnny Depp als Gitarrist mehrere Auftritte hatte. 2001 folgte die Wiedervereinigung der Pogues – mit MacGowan. Nach einigen Einzelkonzerten ging die Band in den folgenden Jahren wieder auf ausgedehntere Touren, neues Material wurde nicht mehr veröffentlicht. Die letzten Auftritte erfolgten 2014.

Sänger Shane MacGowan (The Pogues) performt beim „British Summer Time Festival“ 2014
APA/AFP/Leon Neal
MacGowan bei einem Festivalauftritt 2014

Gesundheitlicher Verfall

MacGowan wurde indes ob der Folgen seiner Alkoholsucht – laut eigenen Angaben schon von Kindesbeinen an – mehr und mehr zum Pflegefall, der von seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau versorgt wurde. Zeitweise war es nicht nur Alkohol: 2001 zeigte Sängerin Sinead O’Connor MacGowan bei der Polizei wegen Heroinbesitzes an – nach eigenen Angaben, um ihn von den Drogen wegzubekommen; offenbar erfolgreich.

2015 brachte ein britischer Pay-TV-Sender als Weihnachtsspecial eine Doku darüber, dass der praktisch zahnlose MacGowan ein neues Gebiss erhielt. Die Zahnärztin nannte die Aufgabe den „Mount Everest für Dentisten“ und sprach von „bewegenden Szenen“, als der Sänger den ersten Apfel aß – nach 20 Jahren.

Immerhin war es ihm noch vergönnt, Ehrungen seines Lebenswerks selbst mitzuerleben. Bei einem Konzert in Dublin anlässlich seines 60. Geburtstags teilten 2018 Stars wie Nick Cave, U2-Sänger Bono Vox und O’Connor mit ihm die Bühne. Und 2020 erschien die Doku „Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan“, die sein Leben – mit allen Höhen und Tiefen – nachzeichnete.