Rauchsäulen in Rafah nach Bombenangriff
APA/AFP/Said Khatib
Feuerpause ausgelaufen

Kämpfe in Gaza wieder aufgeflammt

Nach dem Ablauf der bis Freitag um 7.00 Uhr Ortszeit (6.00 Uhr MEZ) befristeten Feuerpause hat die israelische Armee gemeldet, die Kämpfe im Gazastreifen wiederaufgenommen zu haben. Die Hamas habe gegen die Feuerpause verstoßen und israelisches Gebiet beschossen. Kampfflugzeuge führten derzeit Angriffe auf Ziele der Hamas durch, teilte die israelische Armee mit. Die AFP berichtet von Luft- und Artillerieangriffen im Norden und Süden Gazas.

Kurz vor Ablauf der Frist wurde laut Armee zunächst ein mutmaßlicher Raketenangriff aus dem Gazastreifen abgewehrt, in mehreren israelischen Orten ertönten die Alarmsirenen. Später bekannte sich der bewaffnete Arm der Terrororganisation Islamischer Dschihad, die Al-Kuds-Brigaden, zu dem Beschuss.

Netanjahu: „Entschlossen, Ziele des Kriegs zu erreichen“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ am Freitag über sein Büro mitteilen, die Hamas habe einer weiteren Freilassung weiblicher Geiseln nicht zugestimmt und auch damit gegen die Vereinbarungen verstoßen. Im Gegenzug beschuldigte die Hamas Israel, die Feuerpause gebrochen zu haben, indem verhindert worden sei, dass Treibstofflieferungen den nördlichen Gazastreifen erreichen.

In der Mitteilung aus Netanjahus Büro hieß es zugleich: „Mit der Wiederaufnahme der Kämpfe betonen wir: Die israelische Regierung ist entschlossen, die Ziele des Krieges zu erreichen – unsere Geiseln zu befreien, die Hamas zu eliminieren und sicherzustellen, dass der Gazastreifen niemals mehr eine Bedrohung für die Bewohner Israels darstellen wird.“

Berichte über Kämpfe in Gaza-Stadt

Der arabische Sender al-Jazeera berichtete unter Berufung auf Augenzeugen von schweren Kämpfen in Gaza-Stadt und anderen Gebieten im Norden des Gazastreifens. Im Zentrum des Gazastreifens gebe es nahe den Flüchtlingslagern Nusairat und Buraidsch zudem Panzerbeschuss, hieß es.

Rauchsäule nach israelischem Bombardement in Chan Yunis in Gaza
Reuters/Saleh Salem
Eine Aufnahme von Freitag aus Chan Junis im Süden des Gazastreifens

Angriffe im Süden gemeldet

Die BBC meldete unter Berufung auf die Hamas Luftangriffe auch im Süden des Gazastreifens. Eigene Quellen hätten das bestätigt, berichtete der britische Sender. Laut der Nachrichtenagentur AP warf das israelische Militär Flugblätter mit der Aufforderung, Teile des südlichen Gazastreifens zu verlassen, ab.

Aus Chan Junis im Süden des Küstengebiets berichtete laut der Nachrichtenagentur Reuters ein Zeuge, es seien Geräusche zu hören, die auf schweren Beschuss schließen ließen. Über dem Osten der Stadt steige Rauch auf. Menschen seien auf der Flucht in Lager westlich der Stadt. Offiziell bestätigt sind diese Angaben nicht. Die Hamas sprach von Luftangriffen auf die südliche Stadt Rafah, mehrere Menschen seien dabei getötet worden.

Tote wurden von der Terrororganisation überdies in Dschabalja, Gaza-Stadt, Chan Junis und im Flüchtlingslager al-Maghasi im Zentrum des Palästinensergebiets gemeldet. Unabhängig prüfen lassen sich diese Angaben derzeit nicht – palästinensische Quellen berichten von 54 Toten.

Israel veröffentlicht „Sicherheitszonen“

Israels Armee veröffentlichte nach eigenen Angaben neue „Sicherheitszonen“ für die Zivilbevölkerung. Wie das Militär am Freitag bekanntgab, habe man „in Vorbereitung auf die nächste Phase des Krieges“ im Internet eine interaktive Karte in arabischer Sprache mit Evakuierungszonen veröffentlicht. Diese unterteile das Gebiet nach Hunderten erkennbaren Bereichen, um den Bewohnern zu ermöglichen, „sich zu orientieren, die Anweisungen zu verstehen und sich bei Bedarf von bestimmten Orten aus in Sicherheit zu bringen“.

Austausch auch noch Donnerstagabend

Wenige Stunden vor Ablauf der Frist entließ die israelische Gefängnisbehörde nach palästinensischen Angaben als Teil des Abkommens erneut 30 palästinensische Häftlinge, nachdem die Hamas am Vortag weitere acht israelische Geiseln freigelassen hatte.

Nach wie vor befindet sich ein österreichischer Staatsbürger als Geisel in den Händen der Hamas. Die intensiven Bemühungen um die Freilassung des Familienvaters auf allen erdenklichen Ebenen hätten „oberste Priorität“, wurde das Außenministerium in Wien im Ö1-Frühjournal zitiert.

Der Vater der 38-jährigen Geisel, Gilad Korngold, sagte gegenüber Ö1: „Ich mache mir wirklich große Sorgen.“ Korngold traf in Wien Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und ersuchte die Bundesregierung um Unterstützung, damit sein Sohn freikommt.

Katar: Verhandlungen über Feuerpause gehen weiter

Unterdessen wurden trotz der neuen Kämpfe die Gespräche über eine neue Waffenpause fortgesetzt, wie Vermittler Katar mitteilte. „Das Außenministerium bestätigt, dass die Verhandlungen zwischen der palästinensischen und der israelischen Seite mit dem Ziel der Rückkehr zur Feuerpause fortgesetzt werden“, hieß es in einer Erklärung am Freitag. Die Verhandlungen würden aber durch die Bombardierungen erschwert.

UNO-Generalsekretär bedauert Ende der Waffenruhe

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sein Bedauern über das Ende der Waffenpause. „Ich bedauere zutiefst, dass die Militäroperationen im Gazastreifen wiederaufgenommen wurden“, teilte er via X (Twitter) mit. Das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) forderte unterdessen eine dauerhafte Waffenruhe. Untätigkeit komme der Billigung der Tötung von Kindern gleich, sagte ein UNICEF-Sprecher in einem Video.

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, nannte das Scheitern der Waffenpause „katastrophal“. Er fordert alle Seiten auf, für die Einhaltung einer Feuerpause zu sorgen. Die Bemühungen um eine Waffenruhe müssten aus humanitären und menschenrechtlichen Gründen verdoppelt werden.

Blinken: Zivilbevölkerung schützen

US-Außenminister Antony Blinken forderte Israels Führung am Donnerstag mit deutlichen Worten auf, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schützen. Sollte Israel den Krieg wiederaufnehmen und gegen den südlichen Gazastreifen vorrücken, um die Hamas zu verfolgen, sei es „zwingend erforderlich“, dass sich Israel an das humanitäre Völkerrecht und die Regeln der Kriegsführung halte, sagte Blinken bei einem weiteren Besuch in Israel.

US-Außenminister Blinken und Israels Verteidigungsminister Galant geben eine gemeinsame Pressekonferenz
Reuters/Saul Loeb
US-Außenminister Blinken besuchte erneut Israel – hier mit Israels Verteidigungsminister Joav Galant

Die zahlreichen Todesopfer in der Zivilbevölkerung und die Vertreibung in dem Ausmaß, wie man sie im nördlichen Gazastreifen gesehen habe, dürfe sich im Süden nicht wiederholen, mahnte er nach einem Treffen mit Netanjahu.

Hunderte Lkws erreichten Nordgaza

Unterdessen berichtete der Palästinensische Rote Halbmond, dass seit Beginn der Waffenruhe 310 Lastwagen mit Hilfsgütern erfolgreich den Norden des abgeriegelten Küstenstreifens erreicht hätten. Auf diese Weise konnten wichtige Güter wie Lebensmittel, Babynahrung und Decken für Tausende Menschen in Not bereitgestellt werden, hieß es auf X (Twitter).

Allein am Vortag hätten 56 Lastwagen mit Hilfsgütern Gaza-Stadt und die nördlichen Gebiete des Küstengebiets erreicht. Insgesamt kamen seit Beginn der Feuerpause mehr als 1.000 Lkws mit Hilfsgütern im gesamten Gebiet an.

Israel – Hamas: Feuerpause beendet

Die einwöchige Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas ist zu Ende. Zuvor waren am Donnerstag noch acht verschleppte Israelis freigelassen worden – im Gegenzug dazu enthaftete Israel 30 Palästinenser.

„NYT“: Israel lagen Angriffspläne der Hamas lange vor

Unterdessen berichtete die „New York Times“ („NYT“), dass Israel bereits mehr als ein Jahr vor dem 7. Oktober Hinweise auf einen geplanten Hamas-Großangriff vorgelegen seien. Es habe einen umfassenden Austausch israelischer Behörden zu einem 40 Seiten langen Dokument mit dem Codenamen „Jericho-Mauer“ gegeben, das einen Gefechtsplan der Hamas skizzierte.

Dieser soll bis ins Detail dem Angriff geähnelt haben, den Hamas-Terroristen Anfang Oktober aus dem Gazastreifen heraus ausführten. Das Szenario sei von israelischen Militär- und Geheimdienstmitarbeitern als zu anspruchsvoll und schwierig in der Ausführung abgetan worden, berichtete die US-Zeitung am Donnerstag (Ortszeit).