Blick in den Plenarsaal des Parlaments
ORF/Roland Winkler
Menschen mit Behinderung

Luft nach oben bei Parteien

Das Magazin „Dossier“ und die Plattform andererseits haben sich anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung Anfang Dezember angesehen, ob die Parteien im Nationalrat laut Gesetz genügend Menschen mit Behinderung angestellt haben. Ausgewertet wurde der September 2020. Das Ergebnis ist durchwachsen. Unterdessen wurde im Ministerrat ein verbesserter Zugang zum Arbeitsmarkt für Jugendliche mit Behinderung beschlossen.

Für Menschen mit Behinderung gibt es eine Beschäftigungspflicht, d. h., Betriebe und daher auch Parteien müssen für jeweils 25 angestellte Personen einen Menschen mit Behinderung aufnehmen. Erfüllen sie die Quote nicht, müssen sie dafür zahlen. Laut dem Bericht von „Dossier“ und andererseits erfüllten die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne die gesetzlich vorgeschriebene Quote im September 2020 nicht.

Die ÖVP erfüllte die Quote zu 60 Prozent und die Grünen damals laut „Dossier“ und andererseits gar nicht: Sie lagen bei null Prozent und schnitten damit am schlechtesten ab. Laut „Dossier“ und andererseits hatten sie im September 2020 zwei Pflichtstellen. Beide waren laut dem Magazin unbesetzt. Auch der grüne Parlamentsklub habe die vorgeschriebene Pflichtstelle nicht besetzt, heißt es weiter.

Opposition erfüllte Quote

Laut „Dossier“ und andererseits hatte aber zu dem Zeitpunkt eine Person, die einen Rollstuhl nutzt, bereits im Parlamentsklub gearbeitet. Anerkannt wurde die Behinderung allerdings erst zwei Monate später, so „Dossier“ und andererseits unter Berufung auf die Grünen. Wäre diese Person allerdings mitgezählt worden, hätten die Grünen wie der Koalitionspartner 60 Prozent erreicht, heißt es weiter. Menschen mit Rollstuhl würden als zwei besetzte Pflichtstellen gezählt.

Gegenüber ORF.at bekräftigten die Grünen, dass zur angegebenen Zeit eine Person beschäftigt war. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Diese Information steht in keinem Verhältnis zur restlichen Darstellung. Es geht nicht klar hervor, dass mit dieser einen Person bereits mehr als 60 Prozent erreicht würden.“ Zudem müsse aus rechtlicher Sicht zwischen Bundespartei und Parlamentsklub unterschieden werden. Die Mitarbeitendenzahl in der Partei liege unter 25 Personen, weshalb man nicht der Pflicht unterliege. Aktuell beschäftige der Parlamentsklub der Grünen drei begünstigt behinderte Personen.

Die Grünen bestätigen allerdings, dass der Klub im Jahr 2020 eine Ausgleichstaxe bezahlte. Die seit 2019 beschäftigte Person schien nicht in den Daten auf, da sie erst im November 2020 den Bescheid über die begünstigte Behinderung erhalten hatte. „Der Grüne Parlamentsklub hat also wegen dieser verzögerten Meldung im September 2020 die Ausgleichstaxe bezahlt“, begründeten die Grünen. Seitdem sei die Quote im Parlamentsklub aber „immer erfüllt“ worden.

SPÖ und FPÖ erfüllten Pflicht

Auch die anderen Parteien wurden durchleuchtet. SPÖ und FPÖ hätten zu dem Zeitpunkt die Beschäftigung für Menschen mit Behinderung erfüllt, so „Dossier“ und andererseits. Auch NEOS habe seine Quote erfüllt, heißt es weiter. Schwierig ist laut den Recherchen der Blick in die Unterorganisationen der Parteien, davon gebe es viele. Die Daten zur Beschäftigungspflicht seien aufgrund der vielen Unterorganisationen mit weniger als 25 Angestellten wohl nicht vollständig, so „Dossier“ und andererseits.

„Die Parteien selbst könnten intern erheben, wie viele Menschen mit Behinderungen bei ihnen beschäftigt sind“, heißt es weiter. Laut „Dossier“ und andererseits wurden diesbezügliche Anfragen der Parteien allerdings nicht beantwortet.

Verbesserung für Jugendliche mit Behinderung

Unterdessen präsentierte ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher Verbesserungen für den Zugang von Jugendliche mit Behinderung zum Arbeitsmarkt. Jugendliche, die wegen fehlender Arbeitsfähigkeit keinen Zugang zum AMS hatten, soll dieser nun ermöglicht werden. Das präsentierte die Bundesregierung bereits im Juni, ein entsprechendes Gesetz wurde am Mittwoch im Ministerrat verabschiedet.

Dadurch soll die verpflichtende Fähigkeitsprüfung erst mit 25 stattfinden. Das Gesetz soll am 1. Jänner in Kraft treten, das Angebot werde dann aber noch nicht vollständig in Anspruch genommen werden können, kündigte Kocher am Dienstag an.

Wirtschaftsminister Martin Kocher
picturedesk.com/SEPA.Media/Martin Juen
ÖVP-Minister Martin Kocher nach dem Ministerrat

Ob jemand „arbeitsfähig“ ist oder nicht, stellt die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) fest. Ist das nicht der Fall, so fehlt auch der Zugang zum Arbeitsmarktservice (AMS). Diese Personen können derzeit nicht an Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen und haben später keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Jugendliche mit Behinderung sollen diesen Zugang nun bekommen, indem das Alter für die verpflichtende Prüfung durch die PVA auf 25 angehoben wird. Derzeit findet die Prüfung zumeist im Alter von 15 statt. Nach wie vor können Personen unter 25 freiwillig ein Feststellungsverfahren einleiten.

Wirtschaftsminister Martin Kocher, AMS-Wien-Chefin Petra Draxl und Gründer von MyAbility Gregor Demblin bei einer Pressekonferenz
picturedesk.com/SEPA.Media/Martin Juen
ÖVP-Minister Kocher, AMS-Wien-Chefin Petra Draxl und der Gründer von MyAbility, Gregor Demblin

50 Millionen Euro stehen zur Verfügung

„Indem wir sicherstellen, dass Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren nicht vorzeitig als arbeitsunfähig erklärt werden, fördern wir die Inklusion und Teilhabe am Arbeitsmarkt“, so Kocher. Bei dem Gesetzesentwurf handle es sich um einen „Paradigmenwechsel“. Die Fertigstellung werde schrittweise erfolgen. Am 1. Jänner 2024 soll das Gesetz in Kraft treten, das Angebot werde aber erst später vollständig in Anspruch genommen werden können.

Gleichzeitig werde das AMS nicht für jeden und jede eine wunschgemäße Maßnahme anbieten können. Daher brauche es weiterhin als zusätzliche Unterstützung die Angebote der Bundesländer. Wie viele Menschen im Rahmen der Gesetzesänderung zusätzlich beim AMS gemeldet werden, wisse man im Ministerium derzeit nicht. Man halte aber Budget dafür bereit – für das kommende Jahr stehen 50 Millionen Euro für dieses Vorhaben zur Verfügung.