Xi Jinping und Joe Biden
AP/The New York Times/Doug Mills
COP28

Klimasünder vor schwierigem Spagat

Die diesjährige Weltklimakonferenz COP28 ist mit rund 97.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die größte aller Zeiten. Ausgerechnet die Staatschefs der weltweit größten Verursacher von Treibhausgasen, USA und China, bleiben der Klimakonferenz aber fern. Beide Länder sind auch führend im Bereich grüner Technologien – weshalb ihr Verhältnis zueinander maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg der COP entscheiden könnte.

US-Präsident Joe Biden betont stets, dass Washington und Peking bei internationalen Herausforderungen wie dem Klimawandel trotz ihrer Differenzen zusammenarbeiten müssten. In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten sie die Klimakrise kürzlich als „eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“ und erklärten, die COP28 in Dubai zu einem Erfolg machen zu wollen.

Weder Biden noch Chinas Regierungschef Xi Jinping nehmen persönlich an der Konferenz teil, lassen sich aber von US-Klimabeauftragtem John Kerry und dem chinesischen Klimachefunterhändler Xie Zhenhua vertreten. Sowohl China als auch die USA bekannten sich im Vorfeld der COP28 zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens von 2015. Dieses sieht vor, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad – möglichst aber auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – zu begrenzen.

Für die Erreichung dieses Ziels sind die Zusagen Chinas und der USA wesentlich – waren beide Länder im Jahr 2022 doch die weltweit größten Treibhausgasverursacher. Obwohl die Volksrepublik aktuell am meisten Emissionen ausstößt, haben die USA historisch gesehen mehr Treibhausgase zu verbuchen. Wirft man zudem einen Blick auf die Treibhausgasemissionen pro Kopf, liegt China mit großem Abstand hinter den USA.

Schlüsselrolle bei grünen Technologien

Wenn sich die beiden größten CO2-Emittenten darauf einigen könnten, ihre Pläne zur Senkung der Treibhausgasemissionen zu beschleunigen, könnte das im globalen Kampf gegen die Klimakrise von großer Bedeutung sein, schreibt auch die „New York Times“ („NYT“) – und verweist auf ihre Schlüsselrollen im Bereich grüner Technologien.

Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) hat sich der Einsatz sauberer Energien in den vergangenen zwei Jahren vor allem durch Initiativen der USA und China „auf ungeahnte Weise“ beschleunigt. Die Photovoltaikkapazitäten hätten in diesem Zeitraum um 50 Prozent zugenommen und der Verkauf von Elektrofahrzeugen um 240 Prozent.

China als „Fabrik der Welt“

Auch das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) bescheinigt China in einer aktuellen Analyse „erhebliche Fortschritte“ bei Innovationen in umweltfreundliche Technologien. „In Krisenzeiten tendieren Menschen zu Innovationen“, sagt Mahdi Ghodsi vom wiiw gegenüber ORF.at. In den USA und der EU würden diese vor allem durch strenge Regulierungen vorangetrieben. China stelle unter den Entwicklungsländern eine Ausnahme dar, da der Staat etwa den Transportsektor stark durch Subventionen fördere.

Jahrelang sei China „die Fabrik der Welt“ gewesen und habe dadurch prozedurales Wissen in vielen technologischen Bereichen gewonnen, etwa bei Batterien. Die COP28 könnte „eine gute Möglichkeit“ darstellen, um eine stärkere wirtschaftliche Kooperation im Bereich nachhaltiger Technologien zu etablieren und grenzüberschreitenden Wissensaustausch voranzutreiben, so Ghodsi. Entscheidend sei, dass Länder, die die Ressourcen hätten, weniger entwickelte Länder finanziell unterstützen und ihr Wissen teilen würden.

Wende bei Chinas CO2-Bilanz möglich

Daten des finnischen Forschungsinstituts für Energie und saubere Luft (CREA) legen zudem nahe, dass sich bei China eine Wende bei den Treibhausgasemissionen abzeichnet. Chinas CO2-Ausstoß ist heuer zwar weiter gestiegen, gleichzeitig wurden erneuerbare Energieformen so stark ausgebaut wie noch nie, sagt Klimaforscher Lauri Myllyvirta.

Allein heuer werden Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mindestens 200 Gigawatt hinzukommen. Zum Vergleich: Die USA verfügen bisher insgesamt über 150 Gigawatt. Das bedeutet, China hat in einem Jahr mehr Solarenergie aufgebaut, als die USA derzeit insgesamt haben, so Myllyvirta – mehr dazu in science.ORF.at.

China ist allerdings nach wie vor auf fossile Energieträger angewiesen. Ohne Kohlekraftwerke wäre ein derart rasanter wirtschaftlicher Erfolg nicht möglich gewesen, betont etwa das „Handelsblatt“. So habe Xi zwar vor den Vereinten Nationen im Jahr 2020 zugesagt, dass China 2060 klimaneutral sein werde – im selben Jahr seien jedoch so viele neue Kohlekraftwerke in China genehmigt worden wie 2015.

Straßenszene mit Kohlenkraftwerk in China
AP/Ng Han Guan
China verursacht zwar global gesehen die meisten Treibhausgasemissionen, pro Kopf gemessen liegt es aber hinter den USA

USA mit ambitioniertem Inflation Reduction Act

Laut „NYT“ haben sich auch die USA mit neuen Gesetzen und Vorschriften, vor allem durch Bidens Inflation Reduction Act (IRA), zumindest in Schlagdistanz zu ihrem ambitionierten Ziel für 2030 gebracht. Zu diesen gehören unter anderem Investitionen in saubere Energie in Höhe von 370 Milliarden Dollar (rund 340 Mrd. Euro) sowie anstehende geplante Beschränkungen für Emissionen aus den Auspuffrohren von Autos und bei der Stromerzeugung.

Schätzungen zufolge könnten die US-Emissionen mit Hilfe des IRA bis 2030 um etwa 40 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 gesenkt werden, womit Biden seinem Ziel, die Emissionen der größten Volkswirtschaft der Welt bis zum Ende des Jahrzehnts zu halbieren, sehr nahekomme, schreibt etwa der „Guardian“. Allerdings werde es weitere Maßnahmen der Regierung erfordern, um dieses Ziel zu erreichen, berichtet die „Washington Post“.

Die Regierung arbeite zwar etwa an einer Genehmigung von Offshore-Windprojekten und der Verabschiedung von Vorschriften, die die Energieeffizienz im Alltag steigern sollen. Ob sich weitere Maßnahmen durchsetzen könnten, sei allerdings ungewiss, da die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernehmen werden – und bereits mehrmals Widerstand gegen Bidens Pläne angekündigt haben.

Ausstieg aus Fossilen entscheidend

Aus dem jährlichen Bericht des UNO-Umweltprogramms (UNEP) geht zudem hervor, dass die Produktionspläne der 20 wichtigsten Förderländer, darunter auch der USA und Chinas, bis 2030 keinen Rückgang bei fossilen Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle vorsehen. Die Pläne der Regierungen dieser Staaten bis 2030 führen demnach zur Produktion einer Menge an fossilen Brennstoffen, die um 110 Prozent höher liegt als das mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbar wäre.

Die USA verbrauchen 20 Prozent des weltweiten Ölverbrauchs, China etwa 14 Prozent. Erdgas macht knapp 30 Prozent des Energieverbrauchs in den USA aus, in China sind es nach Angaben der U.S. Energy Information Association etwa neun Prozent des Energiemixes.

Xi Jinping und Joe Biden
AP/The New York Times/Doug Mills
Trotz Spannungen kündigten US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping Kooperation bei Klimathemen an

Spannungen torpedieren Kooperation

Die Beziehung zwischen den beiden Ländern sei in jedem Fall entscheidend dafür, ob die COP28 ein Erfolg oder Misserfolg werde, schreibt „Politico“. Die gemeinsame Kraftanstrengung wird nicht zuletzt auch wegen bilateraler Spannungen vor eine Herausforderung gestellt. Chinesische Beamte hätten in den letzten Jahren mehrmals davor gewarnt, dass Streitigkeiten in den bilateralen Beziehungen die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels unterminieren würden, so die „NYT“.

Beide Länder ringen aktuell um die Vorherrschaft bei grünen Technologien. Und China verweist stets darauf, dass es trotz seines rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs nach wie vor per definitionem ein Entwicklungsland ist und daher mehr Spielraum bei seinen Maßnahmen haben sollte.