SIGNA Wien Zentrale Freyung
ORF/Christian Öser
Insolvenz eröffnet

Passiva der Signa Holding bei fünf Milliarden

Wenige Stunden nach dem Antrag „Insolvenzverfahren als Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung“ der Signa Holding GmbH von Investor Rene Benko ist ein solches am Mittwochabend in Wien beim Handelsgericht eröffnet worden. Das berichteten die Gläubigerschutzverbände AKV und KSV. Laut AKV sind 42 Dienstnehmer und 273 Gläubiger betroffen. Die Gesamtverbindlichkeiten liegen demnach bei fünf Mrd. Euro. Laut Antrag verfügt die Schuldnerin über Aktiva mit einem Buchwert von rund 2,77 Mrd. Euro.

Als Liquidationswert werden jedoch laut AKV lediglich rund 314 Mio. angesetzt. Zum Masseverwalter wurde Christof Stapf bestellt, Michael Neuhauser ist sein Stellvertreter. Die Überschuldung liegt laut des Gläubigerschutzverbandes Creditreform bei 4,9 Mrd. Euro. Nach Passiva handelt es sich um den bisher höchsten Schuldenstand in der Wirtschaftsgeschichte Österreichs – vor Alpine Bau (3,2 Mrd. Euro) und Konsum (1,9 Mrd. Euro).

Benkos um den Mutterkonzern aufgebautes Signa-Imperium geriet zuletzt immer stärker in Schieflage. Nachdem die Bemühungen um zusätzliche Investorengelder zur außergerichtlichen Sanierung offensichtlich gescheitert waren, habe man bei der Signa Holding nun die Konsequenzen gezogen. Das zuständige Wiener Handelsgericht bestätigte am Nachmittag nach Prüfung des Antrags, dass ein „Insolvenzverfahren als Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung“ über die Signa Holding GmbH eröffnet worden sei.

Insolvenzverfahren der Signa eröffnet

Die Signa Holding von Investor Rene Benko wird einen Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung stellen. Der Antrag werde beim Handelsgericht Wien eingebracht, teilte Signa am Mittwoch mit. Insgesamt stehen österreichweit 390 Unternehmen in Zusammenhang mit der Signa Holding, viele davon wurden nur für einzelne Bau oder Immobilienprojekte gegründet. Welche Auswirkungen die Insolvenz der Signa Holding auf all diese Firmen haben wird, das ist derzeit noch unklar.

Vertrauensverlust durch mangelnde Kommunikation

Benkos Signa habe in den vergangenen Monaten auch „durch die sehr eingeschränkte Kommunikation nach außen massiv an Vertrauen eingebüßt“, so der KSV1870, der in der Aussendung zur Signa-Holding-Insolvenz zudem festhielt, dass wesentliche Gesellschaften des Signa-Konstrukts „schon längere Zeit keine Bonitätsbewertung mehr“ erhalten hätten, da schlicht die Informationen dazu gefehlt hätten.

Auch wenn noch keine näheren Informationen zur Höhe der Verbindlichkeiten, der Gläubigerstruktur und der Anzahl der betroffenen Gläubiger vorliegen, steht für den KSV1870 außer Frage, dass auf den vom Wiener Handelsgericht noch zu bestellenden Insolvenzverwalter eine „Herkulesaufgabe“ warte.

„Äußerst komplex“

Mit dem Insolvenzantrag habe die Signa Holding die Konsequenzen gezogen, nachdem die Bemühungen um zusätzliche Investorengelder zur außergerichtlichen Sanierung gescheitert waren. Die gesetzliche Mindestquote für ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beträgt 30 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Das heißt: Ein Gläubiger bekommt, sollte die Sanierung gelingen, mindestens 30 Prozent seiner Forderung.

Die Holding, die offiziell keine Gruppe ist und viel Energie in die Vermeidung der Konsolidierungspflicht gesteckt hat, besteht, wie der KSV1870 erinnert, aus mehreren hundert Gesellschaften in verschiedenen Ländern, „wobei die wechselseitigen Beteiligungen sich äußerst komplex darstellen“.

Battisti (ORF) zu Signa-Insolvenz

Barbara Battisti (ORF) erklärt unter anderem, wie es mit den Unternehmen der Signa-Holding nach dem Insolvenzverfahren weitergeht. Was bedeutet die aktuelle Situation für die Geldgeber, die Banken und nicht zuletzt den Steuerzahler?

Signa verweist auf „externe Faktoren“

„Trotz erheblicher Bemühungen in den letzten Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden“, hieß es zuvor in Signas Begründung des Schrittes, der sich zuletzt klar abgezeichnet hatte. Erklärtes Ziel seien nun die geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs im Rahmen der Eigenverwaltung und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens.

Als „Hintergrund für den Sanierungsantrag“ verwies Signa in seiner Mitteilung auf den Retailbereich und hier „vor allem“ auf den stationären Einzelhandel, der in den letzten Jahren aufgrund externer Faktoren extrem unter Druck geraten sei. „Auch im Immobilienbereich haben sich in den letzten Monaten externe Faktoren auf die Geschäftsentwicklung ausgewirkt“, hieß es weiter.

Verwobene Firmenstruktur

TV-Hinweis

Angesichts der Insolvenz der Signa Holding sendet ORF2 am Mittwoch um 22.25 direkt nach der ZIB2 eine „Runder Tisch“-Sendung. Am Donnerstag um 22.30 Uhr wird zum Thema Signa ein „Eco Spezial“ gezeigt.

Vom Insolvenzverfahren betroffen ist mit der Signa Holding der Mutterkonzern eines „komplex verwobenen Firmengeflechts aus Kaufhäusern, Altbauten und Baustellprojekten“, so die „Presse“. Die Rede sei von „mehreren hundert Gesellschaften in verschiedenen Ländern“.

In Österreich ist die insolvente Signa Holding GmbH direkt an 36 Kapitalgesellschaften in unterschiedlichem Ausmaß beteiligt. Durch die komplexen Eigentums- und Stiftungskonstruktionen sei die mittelbare oder gegebenenfalls unmittelbare Möglichkeit der Einflussnahme auf einzelne Gesellschaften zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilbar, so der Kreditschutzverband.

Dominoeffekt befürchtet

Die Immobilien- und Handelsgruppe Signa war in Zeiten historisch niedriger Zinsen stark gewachsen. Doch seit Beginn des Ukraine-Krieges kämpft die Immobilienbranche mit gestiegenen Bau- und Energiekosten sowie höheren Zinsen – auch die Signa-Gruppe blieb davon nicht verschont. Zuletzt mehrten sich Hinweise auf eine anstehende Insolvenz. Beobachtern zufolge, so das „Handelsblatt“, stünden womöglich weitere Insolvenzanmeldungen von Signa-Tochterfirmen bevor.

„Aus heutiger Sicht ist es seriös nicht einschätzbar, ob weitere Gesellschaften der ‚Signa-Gruppe‘ einen Insolvenzantrag stellen werden und es zu einem Dominoeffekt kommen wird“, sagte dazu Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz beim KSV1870. Vielmehr gelte es nun, auch bei jeder Gesellschaft separat zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen.

Immobilientochter Prime auf Investorensuche

Eine Tochter der insolventen Signa Holding, die Signa Prime, versuche einem Insider zufolge, sich in Gesprächen mit Investoren „dringend benötigte liquide Mittel zu sichern“. Es sei aber offen, ob das gelingen werde, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Mittwoch laut Reuters. Bei einem Fehlschlag drohe auch bei Prime ein Insolvenzantrag, bei Prime sind Immobilienpakete der Signa Holding gebündelt.

Die laut Reuters insgesamt mehr als 100 Banken, die Benko Geld geliehen haben, hatten sich Insidern zufolge zwar auf ein Stillhalteabkommen, wonach sie Zinsen und Tilgung bis auf Weiteres nicht fällig stellen würden, verständigt. Ihnen drohen im Zuge der Insolvenz jedoch teilweise herbe Verluste – je nachdem, ob und womit ihre Kredite besichert sind.

Nach einer Studie der Investmentbank J. P. Morgan summierten sich die Schulden allein der zwei größten Immobilientöchter Signa Prime Selection und Signa Development Selection Ende 2022 auf 13 Milliarden Euro. Davon seien 7,7 Milliarden Euro Kredite gewesen, von denen gut die Hälfte zu variablen Zinsen abgeschlossen wurde. Zu den größten Kreditgebern von Signa gehören laut Reuters die Schweizer Bank Julius Bär, die Raiffeisen Bank International (RBI) und die Bank Austria. Auch deutsche Landesbanken wie die Helaba und die BayernLB seien jeweils mit dreistelligen Millionensummen verwickelt.

„Forbes“: Um Milliarden geschrumpftes Vermögen

In den vergangenen Wochen hatten bereits die Sporthandelssparte und die deutsche Immobilienverwaltungsgesellschaft von Signa Insolvenz angemeldet. Benko kündigte Anfang November unter dem Druck seiner Mitgesellschafter an, sich als Vorsitzender des Signa-Beirates zurückzuziehen. Der deutsche Sanierungsexperte Arndt Geiwitz wurde damals mit der Restrukturierung beauftragt.

Benko hatte zuletzt aufgrund der Schieflage seiner Immobiliengruppe einen Teil seiner Anteile an einer zentralen Gesellschaft abgetreten. Zugleich schrumpfte laut Magazin „Forbes“ Benkos eigenes Vermögen um mehrere Milliarden Euro. Der deutsche Wirtschaftsexperte Gerrit Heinemann betonte jedoch in der ZIB2, dass Benkos Privatvermögen durch die Probleme bei Signa nicht betroffen sei.

René Benko im Porträt

René Benko ist es gelungen, Geschäftsleute zu überzeugen in sein Unternehmen zu investieren und ein Immobilienimperium aufzubauen. So hat er es zu einem der reichsten Unternehmer Österreichs geschafft.

Bericht: Geldgeber erwägen Strafanzeigen

Unter Investoren und Gesellschaftern steigt nach Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ angesichts der jüngsten Entwicklungen der Groll gegen den Tiroler Signa-Gründer Rene Benko. Erste Geldgeber würden den Angaben zufolge Strafanzeigen gegen Benko erwägen. Es sei „nicht verständlich, was passiert ist“, sagte den Angaben zufolge ein Investor: Man sehe „Zeichen für eine Insolvenzverschleppung“, denn die Probleme hätten sich bereits im Sommer abgezeichnet.

Wiener Lamarr-Baustelle: „Schritte werden evaluiert“

Zur Signa gehören milliardenschwere Gebäudebestände, unter anderem das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, Immobilien in der Wiener Innenstadt wie das „Goldene Quartier“ inklusive Hotel Park Hyatt (Ex-Länderbank-Zentrale), das Bank Austria Kunstforum Wien und die vom Jugendstil-Architekten Otto Wagner konzipierte Österreichische Postsparkasse.

Grafik zeigt ausgewählte Standorte von Signa-Gebäuden
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Im Ausland zählen etwa das Gebäude der Deutschen Börse in Eschborn, das Hotel Bauer Palazzo in Venedig, eine Hälftebeteiligung am Chrysler Building in New York, am Nobelkaufhaus Selfridges in London und dem Warenhaus Globus in der Schweiz und der Elbtower in Hamburg, bei dem zuletzt die Bauarbeiten eingestellt werden mussten, zum Signa-Portfolio.

Kürzlich kam es unter anderem auch zu einem Baustopp an der Alten Akademie in Münchner Bestlage – Oberbürgermeister Dieter Reiter legte daraufhin umgehend sämtliche Signa-Projekte und -Pläne in der Stadt auf Eis. Wie es mit der Großbaustelle Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße weitergeht, ist unklar. Das Edelkaufhaus sollte 2025 eröffnet werden. „Seitens Habau Group sind die Bauarbeiten zu 99 Prozent abgeschlossen – weitere Schritte werden aktuell evaluiert“, teilte das damit beauftragte Bauunternehmen am Mittwoch mit.

Regierung sieht kein Politikum

Die Regierungsspitze hält den Fall Signa für eine reine Wirtschaftsangelegenheit: „Ich sehe kein Politikum, das ist ein Fall des Insolvenzrechts“, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach dem Ministerrat. Wichtig werde sein, dass die Finanzsituation stabil bleibe, sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Diesbezüglich sehe es einmal gut aus nach dem, was er lese und höre.

Einen Schaden für den Standort sehen die beiden nicht. Insolvenzen gehörten mit zum Wirtschaftsleben, sagte Nehammer. Österreich bleibe ein sehr beliebter Investitionsstandort. Kogler ergänzte, dass die Signa auch in Deutschland sehr viele Aktivitäten entfaltet habe.

Es sei ein „schwarzer Tag für die heimischen Steuerzahler“, teilte indes FPÖ-Chef Herbert Kickl per Aussendung mit. „Die Pleite des Milliardenjongleurs und ehemaligen Liebkinds der ÖVP könnte einen maximalen Schaden für die Republik anrichten“, so Kickl, der somit auch eine Mitverantwortung auf politischer Ebene am Signa-Fiasko ortete.