SIGNA Zentrale
ORF/Christian Öser
Signa-Pleite

Kredite um 2,2 Mrd. bei heimischen Banken

Die Insolvenz der Signa Holding des Tiroler Investors Rene Benko ist nach Gesamtverbindlichkeiten von rund fünf Milliarden Euro die größte Pleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte – vor Alpine Bau (3,2 Mrd. Euro) und Konsum (1,9 Mrd. Euro). Mehrere heimische Banken dürften auf offenen Krediten in Höhe von insgesamt 2,2 Milliarden Euro sitzen. Am Mittwoch wurde am Handelsgericht Wien ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung über die Immobilien- und Handelsbeteiligungsgesellschaft eröffnet. Unklar ist das Schicksal der großen Tochterfirmen.

Ziel ist laut Signa Holding eine „geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs und eine Restrukturierung“. Die Gesellschaft bietet den Gläubigern eine 30-prozentige Sanierungsplanquote zahlbar binnen zwei Jahren an. Laut Insolvenzantrag verfügt die Holding über Aktiva mit einem Buchwert von rund 2,78 Mrd. Euro.

Als Aktiva-Liquidationswert seien lediglich rund 314 Mio. Euro angesetzt, hieß es von den Gläubigerschutzverbänden AKV, Creditreform und KSV. Betroffen sind von der Insolvenz 42 Dienstnehmer und 273 Gläubiger. Zum Masseverwalter wurde Christof Stapf bestellt, Michael Neuhauser ist sein Stellvertreter. Die erste Gläubigerversammlung und Berichtstagsatzung wurde für 19. Dezember angesetzt.

Signa-Insolvenz: Passiva von fünf Milliarden Euro

Wenige Stunden nach dem Antrag „Insolvenzverfahren als Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung“ der Signa Holding GmbH von Investor Rene Benko ist ein solches am Mittwochabend in Wien beim Handelsgericht eröffnet worden. Das berichteten die Gläubigerschutzverbände AKV und KSV. Laut AKV sind 42 Dienstnehmer und 273 Gläubiger betroffen. Die Gesamtverbindlichkeiten liegen demnach bei fünf Mrd. Euro.

„Herkulesaufgabe“ für Insolvenzverwalter

Steigende Zinsen und Baukosten sowie sinkende Immobewertungen und Rückgänge im Handelsgeschäft lösten die Insolvenz aus. „Trotz erheblicher Bemühungen in den letzten Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden“, gab Signa am Mittwochvormittag bekannt. Aus Sicht des KSV hat die Signa-Gruppe in den vergangenen Monaten „durch die sehr eingeschränkte Kommunikation nach außen massiv an Vertrauen eingebüßt“. Auf den Insolvenzverwalter warte angesichts der Vielzahl an direkten und indirekten Beteiligungen in mehreren Ländern „eine Herkulesaufgabe“.

Unklares Schicksal der Immobilientöchter

Der Zinsanstieg trifft Benkos Signa-Gruppe immens, weil er die Immobilien großteils mit Krediten finanziert hat. Laut einer Studie der Investmentbank J. P. Morgan summierten sich die Schulden allein in den zwei größten – bis dato nicht insolventen – Immobilientöchtern Signa Prime Selection und Signa Development Selection Ende 2022 auf 13 Mrd. Euro. Davon seien 7,7 Mrd. Euro Kredite gewesen, von denen gut die Hälfte zu variablen Zinsen abgeschlossen worden sei.

Die Signa Prime versucht laut einem Insider, sich in Gesprächen mit Investoren „dringend benötigte liquide Mittel zu sichern“. Es sei aber offen, ob das gelingen werde, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Mittwoch laut Reuters. Bei einem Fehlschlag drohe auch bei Prime ein Insolvenzantrag, bei Prime sind Immobilienpakete der Signa Holding gebündelt.

2,2 Milliarden an offenen Krediten in Österreich

Bei Banken hat die gesamte Signa-Gruppe Milliardenschulden offen – allein in Österreich sind es angeblich rund 2,2 Milliarden Euro, der größte Teil davon bei der Unicredit-Tochter Bank Austria und im Raiffeisen-Sektor. Laut Reuters und dem „Standard“ soll das Signa-Engagement der Raiffeisen Bank International (RBI) bei rund 750 Mio. Euro liegen. Bei der kürzlich abgehaltenen außerordentlichen Hauptversammlung hatte die RBI ihr größtes Engagement im Immobilienbereich mit 755 Mio. Euro beziffert. Daneben dürften dem Zeitungsbericht zufolge auch die Raiffeisen-Landesbank Niederösterreich Wien mit 280 Mio. Euro und die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich mit 150 Mio. Euro bei der Signa engagiert sein.

Für die Bank Austria gibt die Zeitung ein Signa-Exposure von insgesamt 600 Mio. Euro an, für die Erste Group dürften es 40 bis 50 Mio. Euro sein. Auch die Hypo Vorarlberg, die mehrheitlich im Eigentum des Landes Vorarlberg steht, dürfte mit 200 Mio. Euro ein größeres Volumen bei Signa ausständig haben. In Finanzkreisen wurden die kolportierten Zahlen gegenüber der APA als plausibel eingestuft.

Finanzsektor gelassen

Die Kredite sind großteils mit Immobilien besichert, unklar ist aber, ob sich der Wert in den Büchern dann auch real erzielen lässt. Im Finanzsektor wurde bezüglich der Signa zuletzt beruhigt. Der Vizegouverneur der Nationalbank (OeNB), Gottfried Haber, sagte kürzlich im Rahmen einer Pressekonferenz, dass auch mögliche Insolvenzen innerhalb der Signa-Gruppe „keinen signifikanten Einfluss auf die Finanzmarktstabilität oder auf einzelne Institute“ hätten. Auch OeNB-Gouverneur Robert Holzmann sagte unlängst, er halte das Exposure der österreichischen Banken bei der kriselnden Signa-Gruppe für „verdaubar“.

Zu den größten Kreditgebern von Signa gehört die Schweizer Bank Julius Bär, die einem Insider zufolge ein Engagement von mehr als 600 Millionen Franken bei Signa hat. Deutsche Landesbanken wie die Helaba und die BayernLB sind jeweils mit dreistelligen Millionensummen verwickelt.

Kurz und Gusenbauer als Gläubiger

Die Signa Holding hat auch Schulden bei der Firma von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Konkret stellte die SK Management 2023 nach einer erfolgreichen Investorensuche für Signa eine Rechnung in Höhe von 2,4 Mio. Euro, davon wurden aber nur 750.000 Euro beglichen, wie ein Sprecher der Kurz-Firma der APA bestätigte. Ausständig sind folglich 1,65 Mio. Euro. Zuvor hatte der „Kurier“ darüber berichtet. Auch Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) steht laut „Standard“ als Person auf der Signa-Gläubigerliste, ebenso wie dessen Firma Gusenbauer Projektentwicklung und Beteiligung.

Rechtsanwalt zu Signa-Insolvenz

Nach tagelangen Gerüchten ist nun fix, dass die Signa-Holding des Tiroler Investors Rene Benko insolvent ist. Die kurzfristige Suche nach einem potenten Geldgeber ist gescheitert. Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Rudolf Mitterlehner ist dazu zu Gast im ZIB2-Interview. Er spricht unter anderem über die Folgen der Signa-Insolvenz.

Zahlreiche prestigeträchtige Immobilien

Zur Signa-Gruppe gehören milliardenschwere Gebäudebestände – unter anderem das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, Immobilien in der Wiener Innenstadt wie das Goldene Quartier inklusive des Hotels Park Hyatt (Ex-Länderbank-Zentrale), das Bank Austria Kunstforum Wien und die vom Jugendstilarchitekten Otto Wagner konzipierte Österreichische Postsparkasse sowie im Ausland etwa das Gebäude der Deutschen Börse in Eschborn, das Hotel Bauer Palazzo in Venedig, eine Hälftebeteiligung am Chrysler Building in New York, am Nobelkaufhaus Selfridges in London und dem Warenhaus Globus in der Schweiz oder der Elbtower in Hamburg, bei dem zuletzt die Bauarbeiten eingestellt werden mussten, weil Signa nach Angaben der Baufirma nicht rechtzeitig gezahlt hat. Wie es mit der Großbaustelle Lamarr auf der Wiener Mariahilfer Straße weitergeht, ist unklar.

Grafik zeigt ausgewählte Standorte von Signa-Gebäuden
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Der Berliner KaDeWe-Chef Michael Peterseim sah die Insolvenz für das eigene Geschäft gelassen. „Wir sind sehr sicher aufgestellt“, sagte er am Donnerstag dem „Tagesspiegel“. Die Schwierigkeiten des Konzerns hätten keine Folgen für das Luxuskaufhaus. „Die werden keine Auswirkungen auf uns haben. Das können wir klar ausschließen.“ Signa sei lediglich ein Minderheitsgesellschafter und bei strategischen und operativen Dingen nicht gefragt.

„Häufig wird übersehen, dass wir einen klaren Hauptgesellschafter haben. Der heißt Central Group und steht hinter uns“, so Peterseim. Der thailändische Handelskonzern habe kürzlich versichert, dass er in Europa im Luxuswarensegment alles tun werde, um das KaDeWe und die anderen Häuser zu stützen. Neben dem Berliner Standort gehören auch zwei Kaufhäuser in Hamburg und München zur KaDeWe-Gruppe.

Kaufhauskette könnte verkauft werden

Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der schweizerischen Signa Retail Selection AG, zu der auch die deutsche Kaufhauskette Galeria gehört, beantragten bei Gericht unterdessen Gläubigerschutz, wie das Unternehmen am Abend mitteilte. Ziel sei es, nicht in Abhängigkeit des Insolvenzverfahrens des Mutterunternehmens Signa Holding zu geraten und danach die Retail Selection AG „geordnet zu liquidieren“, hieß es weiter.

„Runder Tisch“: Die Folgen der Signa-Insolvenz

Die Signa Holding GmbH, das Dach des Signa-Imperiums des Tiroler Milliardärs Rene Benko, hat am Mittwoch am Handelsgericht Wien die Insolvenz beantragt. Jetzt wird eine "geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs“ angestrebt sowie eine „Restrukturierung“ des Unternehmens. Signa war schon einige Zeit wegen steigender Zinsen und Baukosten sowie sinkender Immo-Bewertungen unter Druck, an einigen Großbaustellen war die Arbeit eingestellt worden. Wie konnte es für viele lange Zeit unbemerkt zu dieser Großpleite kommen? Wie kann es mit dem Konzern weitergehen? Und welche Folgen hat die Insolvenz für Arbeitsplätze, Banken und die Immobilienbranche? Darüber diskutierten bei Christoph Varga mit Karl-Heinz Götze (Kreditschutzverband), Rainer Fleckl ("Kronen Zeitung“), Marina Delcheva ("profil“) und Daniel Imwinkelried („Neue Zürcher Zeitung“ und „Handelsblatt“).

In der Retail Selection hat Signa operative Beteiligungen an europäischen Handelsunternehmen gebündelt, unter anderem an Galeria Karstadt Kaufhof. Das Management der Signa Retail Selection könnte nun Beteiligungen an den Handelsunternehmen an Investoren abgeben.

Fall zeichnet sich ab

Die Risse im Benko-Imperium wurden zuletzt deutlich sichtbar: Der in New York börsennotierte Onlinesportartikelhändler Signa Sports United war im Oktober zahlungsunfähig geworden, nachdem ihm Signa eine Kapitalspritze über 150 Mio. Euro verweigert hatte. Der deutsche Sporthändler Sport-Scheck wurde an den britischen Konkurrenten Frasers verkauft, Anteile an der Luxuskaufhauskette Selfridges gingen an den thailändischen Miteigentümer Central Group. Am Freitag beantragte die deutsche Tochter Signa Real Estate Management Germany Insolvenz beim Amtsgericht Charlottenburg in Berlin.