Frau mit Kreditkarte vor Laptop
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NGOs warnen

Spendenabsetzbarkeit mit Nebeneffekt

Wer künftig im Rahmen von zivilgesellschaftlichem Protest in Konflikt mit dem Gesetz gerät, könnte etwaige Spenden an NGOs nicht mehr steuerlich absetzen dürfen. Das soll das Gemeinnützigkeitsreformgesetz ermöglichen, das die Regierung am Donnerstag vorgestellt hat. Im Kern geht es dabei zwar um die Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit, doch einige NGOs warnen. Auch Rechtsexpertinnen und -experten meldeten sich zu Wort. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) spricht von Einzelfällen.

Strafbare Handlungen sollen laut dem Gesetzesentwurf ein Hindernis für Spendenbegünstigung sein, Organisationen könnte der Entzug der Spendenabsetzbarkeit drohen. Für Greenpeace wäre das, wie es in einer Stellungnahme hieß, ein „massiver, verfassungswidriger Angriff“ der Koalition auf demokratische Grundrechte wie das Demonstrationsrecht und auf den zivilgesellschaftlichen Aktivismus.

Das Begehen von Verwaltungsübertretungen könnte die Existenz gemeinnütziger Organisationen wie Greenpeace selbst, aber auch des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) und von „Fridays for Future“ zerstören, ist man bei der Umweltorganisation überzeugt. Greenpeace sieht das durch ein Rechtsgutachten belegt und beruft sich zudem auf die ehemalige NEOS-Mandatarin und frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), Irmgard Griss, sowie auf Verfassungsrechtler Heinz Mayer.

Brunner und Kogler gelassen

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hielt bei einer entsprechenden Pressekonferenz am Donnerstag fest, dass es sich um eine „massive Ausweitung der Spendenbegünstigung“ handle. Umweltschutzorganisationen waren laut Kogler auch bisher schon spendenbegünstigt und hätten daher nichts zu befürchten. „Ich darf Ihnen sagen, dass die Juristinnen und Juristen, die wir befasst haben, diese Sorge (der Einschränkung der Spendenabsetzbarkeit, Anm.) aber nicht teilen und für unbegründet halten“, so Kogler.

Walter Emberger, Finanzminister Magnus Brunner, Vizekanzler Werner Kogler und Gabriela Loreth-Kurzun
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Brunner und Kogler sehen in der Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit einen großen Erfolg

Es gehe nur um Organisationen, deren Verhalten eben nicht konform mit der österreichischen Rechtsordnung sei, ergänzte Brunner. „Die werden ausgeschlossen, aber es ändert sich nichts für diejenigen, die bisher schon spendenbegünstigt waren“, so der Finanzminister. In der Begutachtungsphase sei zudem nichts davon aufgekommen. Brunner wolle sich Mayers „fachliches Argument“ im Detail aber noch anschauen. „Einzelfälle“ könne es aber vielleicht betreffen, so Brunner.

45.000 Vereine sollen profitieren

Die Reform soll im Dezember im Nationalrat beschlossen werden. Sie wird an die Gemeinnützigkeit der Organisationen generell geknüpft, was 45.000 Vereine zusätzlich zu potenziellen Profiteuren macht. Der Kreis der Begünstigten wird mit dem Gemeinnützigkeitsreformgesetz auf die Bereiche Bildung, Sport und Kultur ausgeweitet. Es soll zu Verfahrenserleichterungen kommen, zusätzlich wird die einkommenssteuerfreie Freiwilligenpauschale erhöht.

Kogler sprach von geschätzten 100 Mio. Euro, die den Vereinen durch die Reform zusätzlich zur Verfügung stehen sollen. Der Freiwilligensektor habe in Österreich eine riesige Bedeutung, mit 250.000 Beschäftigten und einer Bruttowertschöpfung von weit über zehn Mrd. Euro. Er sorge für Gemeinsamkeit und Zusammenhalt und sei damit ein „Gegengift zu Hass und Hetze“. Ähnlich euphorisch zeigte sich Brunner, der von der größten Reform der Spendenabsetzbarkeit seit 15 Jahren sprach. Damit einher gehe aber auch eine Stärkung des Schutzes vor Missbrauch der Spendenabsetzbarkeit.

Appell an Grüne

„Es ist wenig überraschend, dass die Parteispitze der ÖVP unbequemen demokratischen Protest unterbinden will. Dass sich aber die Regierungsmitglieder der Grünen zum Handlanger eines massiven Angriffs auf zivilgesellschaftliche Organisationen machen, ist schärfstens zu verurteilen. Greenpeace fordert die Grünen im Nationalrat auf, dem Gesetz die Giftzähne zu ziehen“, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. Seine Warnung: „Das AKW Zwentendorf, das Donaukraftwerk Hainburg oder der Lobautunnel könnten heute alle schon in Betrieb sein, wenn es die geplanten gesetzlichen Regelungen damals schon gegeben hätte.“

Eine Protestaktion von Greenpeace am Dienstag, 28. März 2023, anlässlich der europäischen Gas-Konferenz in Wien
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Greenpeace sieht in dem Reformgesetz eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit und befürchtet Spendeneinbußen

„Vereine wären Willkür von Finanzämtern ausgeliefert“

Verfassungsjurist Mayer kritisierte in diesem Zusammenhang das Gesetz als verfassungswidrig, weil laut Entwurf eine aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Finanzamts ausgeschlossen sei: „Der Verfassungsgerichtshof hat schon mehrfach klargestellt, dass gesetzliche Regelungen nicht dazu führen dürfen, dass daraus endgültige oder gar existenzbedrohende Belastungen entstehen.“

Mit schwerer Kritik wird auch Griss zitiert: „Mit diesem Gesetz würden gemeinnützige Organisationen in ihren verfassungsrechtlich garantierten demokratischen Rechten wie Demonstrationsfreiheit und dem aktionistischen Eintreten für gesamtgesellschaftliche soziale und ökologische Zielsetzungen stark beschnitten. Die Existenz von Vereinen wäre der Willkür von Finanzämtern ausgeliefert.“

Kritik von zahlreichen NGOs

Vor „Gefahr einer politischen Erpressbarkeit von kritischen NGOs“ infolge der Ermessensspielräume der Behörden hatte die Volkshilfe gewarnt. Deren Chef Erich Fenninger sprach am Donnerstag in einer Aussendung von „einer echten Gefahr für zivilgesellschaftlichen, aktivistischen Protest“.

Auch weitere Organisationen stimmten in den Protest ein. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ortete eine „Bedrohung für demokratische Grundrechte“, denn mit der Reform könnten Finanzbeamte gemeinnützigen Vereinen ohne Rechtsverfahren die Spendenabsetzbarkeit entziehen, falls diese wiederholt Verwaltungsübertretungen begehen. Entsprechende Rechtsmittel dagegen hätten keine aufschiebende Wirkung.

„Fridays for Future“ sah eine „immense Gefahr“ für sein Engagement und das der österreichischen Zivilgesellschaft. „Die grünen Abgeordneten müssen ihre Werte im Nationalrat verteidigen und gegen dieses gefährliche Gesetz stimmen, um das Überleben der Zivilgesellschaft zu schützen“, appellierte der Aktivist Daniel Shams.

Bündnis für Gemeinnützigkeit rudert zurück

Höchst positiv reagierte hingegen der Fundraising Verband Austria, der sich weniger Bürokratie, mehr Wertschätzung für das Ehrenamt und eine langfristig attraktive Perspektive für Stiftende versprach. Das Bündnis für Gemeinnützigkeit hatte sich in der Begutachtung in Bezug auf die Vollziehung um „unverhältnismäßige Rechtsfolgen für NGOs“ gesorgt. Geschäftsführer Stefan Wallner, einst Grünen-Bundesgeschäftsführer und bis zum Vorjahr Kabinettschef in Koglers Ministerium, begrüßte in einer Aussendung am Donnerstag aber die Reform.

Der geplante Gesetzestext stelle klar, „dass nicht jegliche Form strafbarer Handlungen zum Verlust der Spendenabsetzbarkeit führen kann. Vielmehr müsste ein erheblicher Anteil der Spenden (laut Judikatur rund zehn Prozent) für die Begleichung von Strafen verwendet werden“, hieß es: „Davon wäre laut unserem Wissensstand auch in Zukunft keine österreichische NGO auch nur annähernd betroffen. Die Behörde muss dabei auch immer die verfassungsrechtlichen Grenzen beachten, wonach insbesondere zivilgesellschaftliches Engagement durch das Versammlungsrecht streng geschützt ist.“