Justizministerium
ORF.at/Patrick Bauer
Pilnacek-Audio

Kommission nimmt Form an, weckt Skepsis

Hat die Politik auf den inzwischen verstorbenen Justizsektionschef Christian Pilnacek Druck für Interventionen ausgeübt oder nicht – diese Frage soll eine im Justizministerium anberaumte Untersuchungskommission nun klären. Leiten wird das Gremium der Korruptionsexperte Martin Kreutner, wie am Freitag bekanntwurde. Ob die Kommission aber imstande ist, ihre Aufgabe zu erfüllen, darüber herrscht Skepsis.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) gab am Freitag bei einer Pressekonferenz bekannt, dass die Wahl auf Kreutner gefallen ist. Er war früher Leiter des Büros für interne Angelegenheiten im Innenministerium und fungierte als Dekan der International Anti-Corruption Academy in Laxenburg (NÖ) sowie als Berater für die Vereinten Nationen, den Europarat, die OSZE, Transparency International und die Weltbank. Zuletzt initiierte er in Österreich auch das Antikorruptionsvolksbegehren mit.

Nun wird er die Kommission leiten, die Akten analysieren und Interviews führen soll. Am 31. Mai 2024 soll die Arbeit abgeschlossen sein, der Endbericht wird am 15. Juni vorgelegt und in der Folge veröffentlicht.

Aufklären soll die Kommission etwa, ob es von 1. Jänner 2010 bis zum heutigen Tag Einflussnahmen auf staatsanwaltschaftliche Vorgänge gegeben hat. Den Startzeitpunkt markiert dabei in etwa der Amtsantritt Pilnaceks als Sektionschef (Herbst 2010). Ebenfalls untersucht wird, ob es Interventionen etwa von politischen Parteien auf die Justizverwaltung gegeben hat.

Kommission zu Pilnacek-Aufnahmen

Korruptionsexperte Martin Kreutner wird eine Untersuchungskommission leiten, die überprüft, ob es politische Einflussnahme auf die Justiz gegeben hat. Anlass ist ein heimlich aufgenommener Tonmitschnitt des früheren Justizsektionschefs Christian Pilnacek.

Keine Zwangsbefugnisse

Konkret lautet der Auftrag, „staatsanwaltschaftliche Vorgänge samt bezughabender Akten der mit der Aufsicht betrauten Stellen für den Zeitraum 1.1.2010 bis 1.12.2023 auszuwählen, bei denen aufgrund konkreter Umstände vermutet werden kann oder evident ist, dass eine politische Partei oder eine dieser nahestehende natürliche oder juristische Person Interesse an einem bestimmten Ausgang oder konkreter Abwicklung der staatsanwaltschaftlichen Vorgänge hatte, hat oder haben konnte“. Eine ähnliche Formulierung wurde in Bezug auf die Justizverwaltung gewählt.

Kreutner und Zadic machten dabei klar, dass die Kommission nicht die Arbeit der ebenfalls ermittelnden Staatsanwaltschaft doppeln werde. „Wir sind nicht die Ober-Oberstaatsanwaltschaft oder die Ober-Oberbehörde“, so Kreutner. Konkret werde man etwa Akten anfordern, unter anderem jene, die in den U-Ausschüssen relevant waren. Darauf aufbauend werde man Fragenkataloge ausarbeiten und Interviews führen. Dazu würden Personen eingeladen werden – wobei die Kommission aber keine Möglichkeit habe, jemanden auch tatsächlich vorzuladen. „Wir haben keine Zwangsbefugnisse.“

Alma Zadic und Martin Kreutner
APA/Eva Manhart
Alma Zadic ernannte Martin Kreutner zum Kommissionsleiter

Darüber hinaus werde es auch die Möglichkeit geben, sich anonym an die Kommission zu wenden. So soll etwa festgestellt werden, ob es „Verhaltensauffälligkeiten gegeben hat, die mit dem heutigen Compliance-Verständnis unvereinbar sind“. Man werde nicht alle Verfahren seit 2010 nachkontrollieren können, so Kreutner. Das sei nicht die Aufgabe der Kommission – vielmehr gehe es um das Feststellen struktureller und systemischer Mängel. Darauf aufbauend werde man dann Empfehlungen abgeben.

Die restlichen fünf bis sechs Kommissionsmitglieder werden bis 15. Dezember feststehen. Bestellt würden laut Kreutner auch Praktiker aus Staatsanwaltschaften und der Justizverwaltung, mindestens ein Mitglied soll aus dem internationalen Fachbereich kommen.

Anonyme Aussagen möglich

Zadic betonte, sich nicht in die Arbeit der Kommission einzumischen. Ein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedern habe sie nicht. Man werde der Kommission alle nötigen Akten und Unterlagen zur Verfügung stellen – da die Kommission von ihr eingesetzt worden sei, würden Justizangehörige auch keiner Amtsverschwiegenheit unterliegen. Kreutner kündigte an, dass es bei Bedarf auch die Möglichkeit geben werde, bestimmte Aussagen für den Endbericht zu anonymisieren.

Untersuchungskommission

Es handelt sich um eine „Paragraf 8“-Kommission nach dem Bundesministeriengesetz. Die Mitglieder sind weisungsunabhängig, frühere ähnliche Kommissionen widmeten sich etwa den Kinderrechten und dem Terroranschlag vom 2. November 2020.

Kreutner und die Kommission werden also wohl jene Staatsanwältinnen und Staatsanwälte befragen, die mit Pilnacek besonders in clamorosen – also aufsehenerregenden – Fällen zu tun hatten. Das reicht von der berüchtigten Eurofighter-Besprechung (Stichwort: „Daschlogt’s es“) bis zu Hausdurchsuchungen bei früheren Politikern („Das ist ein Putsch“). Pilnacek war in den letzten Jahren seiner Karriere besonders mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Clinch, die sich wiederholt über seine Arbeitsweise beschwert hatte.

Von ihm selbst liegen Darstellungen vor, die unterschiedliche Interpretationen erlauben. Im Untersuchungsausschuss hatte Pilnacek unter Wahrheitspflicht ausgesagt, er habe politischen Druck nicht weitergegeben. Auf dem Mitschnitt, der im heurigen Sommer heimlich in einem Restaurant entstand, beschwerte er sich hingegen über die ÖVP und namentlich Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, die Volkspartei habe verlangt, dass er Ermittlungen einstelle und Hausdurchsuchungen abdrehe, was er stets abgewehrt habe. Die Untersuchungskommission soll nun klären, in welche Richtung das Pendel tatsächlich ausschlug.

Fachleute sehen Staatsanwaltschaft gefragt

Ob das überhaupt möglich ist, darüber gibt es Zweifel. Skeptisch zeigte sich vor wenigen Tagen etwa der Antikorruptionsexperte Georg Krakow von Transparency International, früher Staatsanwalt und Kabinettschef im Justizministerium des ehemaligen ÖVP-Ministers Wolfgang Brandstetter.

„Untersuchungskommissionen sind sicher ein probates Mittel, wenn es darum geht auszuloten, ob und welche Veränderungen für die Zukunft zweckmäßig sind. Zur Aufarbeitung von Sachverhalten, zumal von Sachverhalten, die möglicherweise auch rechtlich und strafrechtlich relevant sind, sieht das Gesetz aber andere Möglichkeiten und zuständige Organe vor“, sagte Krakow gegenüber Ö1. Die Kommission könne eben Zeuginnen und Zeugen nicht unter Wahrheitspflicht befragen oder Dokumente sicherstellen. Die Instrumente dafür stünden aber zur Verfügung.

Fiedler: „Kommission ganz nett“

Auch der frühere Rechnungshofpräsident und Gründungsmitglied von Transparency International Österreich, Franz Fiedler, teilte im ORF diese Meinung. „Meiner Ansicht nach wäre es jetzt Aufgabe der Staatsanwaltschaft, hier nachzuforschen, mit den Personen Kontakt zu nehmen. Übrigens, diese Untersuchungskommission von der Justizministerin scheint mir ganz nett zu sein, aber wozu brauche ich die eigentlich bitte? Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Die hat ganz andere Möglichkeiten vorzugehen als eine Untersuchungskommission, die meiner Ansicht nach, wenn sie überhaupt etwas Positives leisten soll und kann, dann nur innerhalb des Ministeriums etwas tun kann“, so Fiedler.

„Nur wird sich da nicht sehr viel finden lassen.“ Er mutmaßte, die Einrichtung der Kommission sei aus Gründen der Koalitionsräson erfolgt. „Aber ob das nun wirklich etwas bringt, weiß ich nicht. Aber hier gibt es klare Vorschriften. Die Staatsanwaltschaft hat bei einem Verdacht des Missbrauchs der Amtsgewalt von Amts wegen tätig zu werden. Und das ist das Entscheidende. Wozu dann noch eine Untersuchungskommission? Verstehe ich nicht ganz“.

FPÖ-Kritik an Kreutner

Die Parlamentsparteien hatten die Einrichtung der Kommission begrüßt. Alles, was der Aufklärung dient, sei willkommen, so der Tenor. Auch die ÖVP hatte nichts dagegen. NEOS nutzte die Gelegenheit, erneut eine unabhängige Weisungsspitze in der Justiz zu fordern.

Die FPÖ kritisierte am Freitag Kreutner als Spitze des Gremiums. „Jemand, der zurzeit der Errichtung des ‚tiefen Staates‘ der ÖVP im Kabinett von Strasser gesessen ist und später von der Volkspartei gefördert wurde, ist aus meiner Sicht nicht geeignet, um mutmaßliche ÖVP-Korruption aufzuklären“, so Generalsekretär Christian Hafenecker. Gegenüber ORF.at widersprach Kreutner am Freitag dem Vorwurf Hafeneckers. Er sei zu keiner Zeit im Kabinett von Ernst Strasser gewesen.