Zwei Frauen in Rafah (Gazastreifen) in den Trümmern eines Hauses
APA/AFP/Mohammed Abed
Zivile Opfer in Gaza

Israel weist Kritik zurück

Am Sonntag hat die israelische Armee im Kampf gegen die islamistische Hamas erneut Ziele in Gaza bombardiert. Israels Regierung wies Vorwürfe zurück, nicht genug für den Schutz der Zivilbevölkerung im Küstenstreifen zu unternehmen. Der Sprecher des UNO-Kinderhilfswerks (UNICEF) kritisierte die Angriffe der israelischen Armee als „unmoralisch“ und „illegal“.

„Wir unternehmen maximale Anstrengungen, vielleicht sogar nie da gewesene in ähnlichen Umständen“, sagte der israelische Regierungsberater Mark Regev am Sonntag der BBC. Israel habe spezifische Viertel ausgewiesen, die zum Ziel von Angriffen würden, und warne die Zivilisten dort im Voraus, sie zu verlassen, so Regev.

Die Verantwortung für den Gaza-Krieg und die Wiederaufnahme der Kämpfe nach einer mehrtägigen Feuerpause wies Regev ausschließlich der Hamas zu. Zudem verstecke die Organisation „ihre militärische Terrormaschine“ in Wohnvierteln, unter Spitälern und in Moscheen. Die Schuld für zivile Todesopfer liege daher bei der islamistischen Organisation. Israel tue alles dafür, um zwischen Kombattanten und Zivilpersonen zu unterscheiden.

Gaza: Israel setzt Angriffe fort

Die israelische Armee hat ihr Bombardement von Zielen im Gazastreifen am Sonntag fortgesetzt. Die israelische Armee behauptet, bisher 800 Tunnel der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen entdeckt zu haben, viele unter Schulen und Moscheen.

Regev zweifelte zudem die von der Hamas-Gesundheitsbehörde herausgegebene Zahl der zivilen Toten in Gaza an. Das werde nach dem Ende des Krieges deutlich werden, sagte er. „Wenn man vergleichen wird, was Israel in Gaza getan hat und, sagen wir, Großbritannien und andere westliche Mächte im Kampf gegen den IS in Syrien und dem Irak getan haben, werden Sie sehen, dass es uns durch unsere Maßnahmen gelungen ist, die Zahl der zivilen Opfer sehr, sehr niedrig zu halten“, so Regev.

UNICEF-Sprecher: „Blutbad“ in Gaza

UNICEF-Pressesprecher James Elder kritisierte die israelischen Angriffe im Gazastreifen während eines Besuchs scharf. Dort finde ein „Blutbad“ statt, das „unmoralisch“ sei und „mit Sicherheit als illegal verstanden werden wird“, sagte Elder dem Nachrichtensender al-Jazeera am Sonntag. Wer das hinnehme, mache sich selbst schuldig. „Schweigen ist Mittäterschaft“, sagte Elder.

Palästinenser kochen im Khan-Younis-Flüchtlingscamp zwischen zerstörten Häusern
Reuters/Mohammed Salem
Chan Junis: Israels Militär nimmt verstärkt Ziele in Südgaza ins Visier

Während seines Besuchs habe er überall Kinder mit schweren Verbrennungen, mit Verletzungen durch Granatsplitter, Gehirnverletzungen und mit Knochenbrüchen gesehen. Man sehe Mütter um ihre Kinder weinen, die wohl „Stunden vor dem Tod“ stünden.

Die jüngsten Angaben über „sichere Zonen“ für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Elder als „Falschdarstellung“. Die Menschen würden dabei zu „winzigen Flecken Land bewegt“, dort gebe es nur Sand, kein Wasser, keine Sanitäranlagen und keinen Schutz vor dem Wetter. „Das sind keine sicheren Zonen, das werden Todeszonen sein“, sagte Elder. „Wir müssen es als das bezeichnen, was es ist.“

US-Minister fordert besseren Schutz von Zivilisten

Auch Washington fordert einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza. Das sei nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern auch ein strategisches Gebot, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Aus seiner Zeit im Irak im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) habe er einiges über Krieg inmitten von Städten gelernt.

„Die Lektion ist, dass man im Krieg in Städten nur gewinnen kann, wenn man die Zivilbevölkerung schützt“, sagte Austin. „Denn bei dieser Art von Kampf steht die Zivilbevölkerung im Mittelpunkt. Und wenn man sie in die Arme des Feindes treibt, ersetzt man einen taktischen Sieg durch eine strategische Niederlage.“ Ähnlich hatte sich am Samstag US-Vizepräsidentin Kamala Harris geäußert: „Die Vereinigten Staaten sind unmissverständlich der Meinung, dass das humanitäre Völkerrecht eingehalten werden muss. Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden.“

Bei den israelischen Angriffen auf Gaza sind nach Hamas-Angaben bisher bereits weit über 15.000 Menschen getötet worden, unter ihnen viele Zivilisten. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Auslöser des Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübten. Auf israelischer Seite wurden mehr als 1.200 Menschen getötet, die meisten davon Zivilistinnen und Zivilisten.

Evakuierungsanordnung für Gebiete im Süden

Die israelische Armee setzte unterdessen am Sonntag ihren Kampf gegen die Hamas fort. Kampfflugzeuge und Hubschrauber hätten in der Nacht „Terrorziele“ angegriffen, darunter Tunnelschächte, Kommandozentralen und Waffenlager, teilte das israelische Militär in der Früh mit. Am Vortag hätten auch Israels Marineeinheiten „Terrorziele“ der Hamas angegriffen und den Einsatz der Bodentruppen flankiert. Zu diesen Zielen gehörten terroristische Infrastruktur, Schiffe der Hamas-Marine sowie Waffen.

Israelische Soldaten im nördlichen Gazastreifen
APA/AFP/Israeli Army
Israels Truppen setzten ihre Offensive am Sonntag fort

Das israelische Militär forderte die Zivilbevölkerung im Süden Gazas auf, bestimmte Regionen im Großraum der Stadt Chan Junis zu verlassen. Die Evakuierungsanordnung betrifft rund ein halbes Dutzend Gebiete, wie aus der Aufforderung des Militärs auf dem Kurznachrichtendienst X (Twitter) am Sonntag hervorgeht.

Armee: Bisher 800 Tunnelschächte entdeckt

Seit Beginn des Gaza-Krieges wurden nach Angaben Israels mehr als 800 Tunnelschächte im Gazastreifen gefunden. Rund 500 davon seien bereits zerstört worden, teilte das Militär am Sonntag mit. Einige der Tunnelschächte hätten strategische Einrichtungen der Hamas unterirdisch miteinander verbunden, hieß es. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Nach Armeeangaben befanden sich die Tunnelschächte in zivilen Wohngebieten, teilweise neben Schulen, Kindergärten und Moscheen. In einigen seien Waffen gefunden worden. Israel wirft der Hamas vor, Zivilpersonen als Schutzschilde zu missbrauchen. Die Hamas weist das zurück.

ICC-Chefankläger appelliert an beide Seiten

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) forderte Israel und die Hamas indes auf, sich an internationales Recht zu halten. „Alle Beteiligten müssen das humanitäre Völkerrecht wahren. Wenn sie es nicht tun, dürfen sie sich nicht wundern, dass wir gezwungen sind zu handeln“, sagte Karim Khan nach einem viertägigen Besuch in Israel und dem Westjordanland. Er forderte, Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. Israel bot er Hilfe bei der Aufklärung der Hamas-Verbrechen an. Israel erkennt den ICC nicht an.

Katar fordert internationale Untersuchung

Katar forderte unterdessen dem TV-Sender al-Jazeera zufolge eine umfassende und unabhängige internationale Untersuchung von möglichen Verbrechen Israels im Gazastreifen. Damit müsse unverzüglich begonnen werden, berichtete der Sender unter Berufung auf Ministerpräsident Scheich Mohammed Bin Abdulrahman Al Thani. Katar stehe weiter als Vermittler für eine weitere Feuerpause und schließlich einen Waffenstillstand zur Verfügung.