Israelische Panzer
AP/Ohad Zwigenberg
Gazastreifen

Israel weitet Bodenoffensive aus

Mehr als einen Monat nach dem Beginn der israelischen Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens weitet das Militär seine Einsätze auf dem Boden auf das gesamte Palästinensergebiet aus. Die Soldaten gingen gegen die islamistische Hamas in „allen Teilen“ des Küstenstreifens vor, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Sonntag.

Israels Armee griff nach eigenen Angaben in der Nacht auf Montag im Gazastreifen 200 Ziele der Hamas an. Sie bestätigte zudem, was Augenzeugen zuvor berichtet hatten: Israelische Bodentruppen waren bereits in den Süden des Gazastreifens vorgerückt. Laut den Berichten befanden sie sich in einem Gebiet östlich der Stadt Chan Junis. Israelische Bodentruppen sind bereits seit Wochen im Norden des Gazastreifens im Einsatz.

„Die Streitkräfte begegnen den Terroristen von Angesicht zu Angesicht und töten sie“, sagte Hagari am Sonntagabend. Die Taktik im Süden des Gazastreifens soll der im Norden ähneln. „Wir haben im nördlichen Gazastreifen stark und gründlich gekämpft, und wir tun es jetzt auch im südlichen Gazastreifen“, teilte Generalstabschef Herzi Halevi mit.

Angriffe im ganzen Gazastreifen

Israel greift mittlerweile den gesamten Gazastreifen an. Auch im Süden Gazas sollen jetzt Bodentruppen im Einsatz sein. Millionen Binnenflüchtlinge finden keinen sicheren Ort.

Zugleich bekräftigte die Armee am Montag, dass der Militäreinsatz auch im Norden weitergeführt werde. Die Hamas sei „im Norden noch nicht vollständig militärisch besiegt, aber wir haben gute Fortschritte gemacht“, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus dem US-Sender CNN. Das Militär forderte einmal mehr zur Evakuierung von etwa 20 Gebieten bzw. Straßenabschnitten in Gaza auf.

Luftangriffe auf Südgaza

Das Militär führte eigenen Angaben zufolge seit dem Ende der mehrtägigen Feuerpause am Freitag im Süden heftige Luftangriffe durch. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte erst kürzlich, ein Bodeneinsatz sei der einzige Weg, die islamistische Hamas zu zerstören. Hunderttausende Palästinenser sind auf Anweisung des israelischen Militärs aus dem bisher stärker umkämpften Norden des abgeriegelten Küstengebiets in den Süden geflohen.

Rund 80 Prozent der rund 2,2 Millionen Einwohner im Gazastreifen sind nach UNO-Angaben inzwischen Binnenflüchtlinge. Auslöser des aktuellen Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Grenznähe verübt hatten.

Kritik wegen ziviler Opfer in Gaza

Am Sonntag hatte der Sprecher des UNO-Kinderhilfswerks (UNICEF), James Elder, die Angriffe der israelischen Armee auf den Gazastreifen als „unmoralisch“ und „illegal“ bezeichnet. Israels Regierung wies umgehend den Vorwurf, nicht genug für den Schutz der Zivilbevölkerung im Küstenstreifen zu unternehmen, zurück. „Wir unternehmen maximale Anstrengungen, vielleicht sogar nie da gewesene in ähnlichen Umständen“, sagte der israelische Regierungsberater Mark Regev.

Die Verantwortung für den Gaza-Krieg und die Wiederaufnahme der Kämpfe nach einer mehrtägigen Feuerpause wies Regev ausschließlich der Hamas zu. Zudem verstecke die Organisation „ihre militärische Terrormaschine“ in Wohnvierteln, unter Spitälern und in Moscheen. Die Schuld für zivile Todesopfer liege daher bei der islamistischen Organisation. Israel tue alles dafür, um zwischen Kombattanten und Zivilpersonen zu unterscheiden.

Regev zweifelte zudem die von der Hamas-Gesundheitsbehörde herausgegebene Zahl der zivilen Toten in Gaza an. Das werde nach dem Ende des Krieges deutlich werden, sagte er. „Wenn man vergleichen wird, was Israel in Gaza getan hat und, sagen wir, Großbritannien und andere westliche Mächte im Kampf gegen den IS in Syrien und dem Irak getan haben, werden Sie sehen, dass es uns durch unsere Maßnahmen gelungen ist, die Zahl der zivilen Opfer sehr, sehr niedrig zu halten“, so Regev.

UNICEF-Sprecher: „Blutbad“ in Gaza

Elder kritisierte die israelischen Angriffe im Gazastreifen während eines Besuchs scharf. Dort finde ein „Blutbad“ statt, das „unmoralisch“ sei und „mit Sicherheit als illegal verstanden werden wird“, sagte Elder dem Nachrichtensender al-Jazeera am Sonntag. Wer das hinnehme, mache sich selbst schuldig. „Schweigen ist Mittäterschaft“, sagte Elder.

Palästinenser kochen im Khan-Younis-Flüchtlingscamp zwischen zerstörten Häusern
Reuters/Mohammed Salem
Chan Junis: Israels Militär nimmt verstärkt Ziele in Südgaza ins Visier

Während seines Besuchs habe er überall Kinder mit schweren Verbrennungen, mit Verletzungen durch Granatsplitter, Gehirnverletzungen und mit Knochenbrüchen gesehen. Man sehe Mütter um ihre Kinder weinen, die wohl „Stunden vor dem Tod“ stünden.

Die jüngsten Angaben über „sichere Zonen“ für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Elder als „Falschdarstellung“. Die Menschen würden dabei zu „winzigen Flecken Land bewegt“, dort gebe es nur Sand, kein Wasser, keine Sanitäranlagen und keinen Schutz vor dem Wetter. „Das sind keine sicheren Zonen, das werden Todeszonen sein“, sagte Elder. „Wir müssen es als das bezeichnen, was es ist.“

US-Minister fordert besseren Schutz von Zivilisten

Auch Washington fordert einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza. Das sei nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern auch ein strategisches Gebot, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin.

Ähnlich hatte sich am Samstag US-Vizepräsidentin Kamala Harris geäußert: „Die Vereinigten Staaten sind unmissverständlich der Meinung, dass das humanitäre Völkerrecht eingehalten werden muss. Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden.“

Bei den israelischen Angriffen auf Gaza sind nach Hamas-Angaben bisher bereits weit über 15.000 Menschen getötet worden, unter ihnen viele Zivilisten. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Auslöser des Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübten. Auf israelischer Seite wurden mehr als 1.200 Menschen getötet, die meisten davon Zivilistinnen und Zivilisten.