Spotify auf einem iPhone
IMAGO/Bernd Feil
Personal und Tantiemen

Spotify setzt den Rotstift an

Der Streamingdienst Spotify muss trotz zuletzt guter Geschäftszahlen sparen: Rund 17 Prozent der Beschäftigten sollen gehen. Offiziell belastet die wirtschaftliche Weltlage das Geschäft, doch auch die Konkurrenz, darunter TikTok, verschärft die Lage. Für das neue Jahr kündigte der Dienst neue Entlohnmodelle für Künstler und Künstlerinnen an – und erntete viel Protest.

Aktuell posten viele Nutzerinnen und Nutzer in verschiedenen sozialen Netzwerken, wie viel und was genau sie auf Spotify 2023 alles gehört haben. Auch den Künstlerinnen und Künstlern teilt Spotify mit, wie viel Zeit für den Konsum ihrer Musik aufgewendet wurde, plastisch ausgedrückt in dabei – theoretisch – zurückgelegten Strecken um den Globus. Der Dienst selber scheint auf seiner Strecke aber gehörig ins Stocken gekommen zu sein.

Am Montag gab Spotify an, rund 1.500 Arbeitsplätze zu streichen. Das schrieb Unternehmenschef Daniel Ek in einem auf der Website des Unternehmens veröffentlichten Brief. Per Ende 2022 zählte das Unternehmen mit Sitz in Stockholm fast 8.400 Angestellte. Als Begründung nannte Ek das verlangsamte Wirtschaftswachstum und gestiegene Zinsen. Schon in den vergangenen Monaten hatten in zwei Wellen insgesamt etwa 800 Angestellte ihren Hut nehmen müssen.

Spotify bisher nicht nachhaltig profitabel

Ihm sei bewusst, dass eine Kürzung in dieser Größenordnung für viele angesichts des jüngsten positiven Ergebnisberichts überraschend hoch erscheine, so Ek. Angesichts der Betriebskosten und der finanziellen Ziele habe er sich aber zu diesem Schritt entschlossen. Spotify verzeichnete im dritten Quartal dieses Jahres steigende Nutzerzahlen, einen höheren Umsatz sowie einen Gewinn – auch dank höherer Preise. Nachhaltig profitabel ist das Unternehmen allerdings bisher nicht.

65 Millionen Euro verdiente Spotify im dritten Quartal nach einem Verlust von 166 Millionen Euro ein Jahr davor. Im zweiten Quartal verbuchte der Streamingdienst noch ein Minus von 302 Millionen Euro. Spotify gewann sechs Millionen Abokunden und 23 Millionen Nutzer insgesamt dazu. Insgesamt nutzen 574 Millionen Menschen den Dienst, davon zahlen 226 Millionen für ein Abo. Für das laufende Schlussquartal rechnet Spotify mit einem weiteren Sprung auf 235 Millionen Abokunden und 601 Millionen Nutzer insgesamt.

Geld künftig erst ab 1.000 Streams pro Jahr

Das schwedische Unternehmen gilt als die klare Nummer eins im Musikstreaming vor Apple und Amazon. Doch die Nutzung – egal wie oft theoretisch "um den Weltball – schlägt sich laut Künstlern und Künstlerinnen nur bedingt in einer ausreichenden Bezahlung ihrer Arbeit nieder. Die für 2024 geplante Umstellung sorgte jüngst bereits im Vorfeld für zusätzliche Aufregung. In Zukunft soll etwa erst ab einer Minimalnutzung von 1.000 Streams pro Jahr Geld fließen.

99,5 Prozent aller Streams auf Spotify würden weiterhin abgegolten, es sei nur eine kleine Gruppe betroffen, zitierte der „Guardian“ einen Manager von Spotify UK. Weltweit würde über die kommenden fünf Jahre so rund eine Milliarde Dollar zusätzlich ausgeschüttet. Die neue 1.000er-Grenze verteidigte er, denn unter diesem Wert würden auch die Labels kaum Geld ausschütten und die Künstler leer ausgehen. Man verteile also auf den Konten liegendes Geld einfach neu.

Kritik von Indies und kleinen Anbietern

Indie-Labels können sich der Argumentation nur bedingt anschließen. Hier werde Kunst eine Zahl zugeordnet, es dürfe keine Rolle spielen, wie oft etwas gehört werde, die Kunst bzw. Musik gehöre immer noch dem Künstler bzw. der Künstlerin und müsse bezahlt werden, so der US-Musiker Ando San ebenfalls gegenüber dem „Guardian“.

Die United Musicians and Allied Workers, ein Zusammenschluss von Musikern, argumentiert, dass derzeit ein Stream maximal 0,003 US-Dollar einbringt, kommendes Jahr würde Spotify nach dem neuen Modell für zwei Drittel der Songs auf der Plattform gleich gar nichts zahlen. Das ist laut „Billboard“ allerdings auch dem Umstand zuzurechnen, dass auf Spotify viel Musik hochgeladen wird, die niemals tatsächlich angehört wird. Die großen Labels zeigten sich mit den angekündigten Änderungen jedenfalls zufrieden.

Gesättigter Markt und neue Konkurenz

Spotify ist zwar derzeit Branchenführer, aber der Markt sei zunehmend gesättigt, und die Konkurrenz nehme zu, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), und zwar vor allem aus China. Einerseits streben neue Anbieter auf den Markt, andererseits steht etwa TikTok gerade bei den Jungen nicht zuletzt durch den zu Beginn starken Fokus auf Tanzvideos höher im Kurs als Spotify. TikTok soll selbst einen Musikdienst planen.

Spotify hat auch wenig Spielraum: Während Amazon und Apple Verluste durch andere Geschäfte länger kompensieren könnten, sei Spotify von den Einnahmen aus Abos und Werbung direkt abhängig – 70 Prozent des Umsatzes fließen laut „FAZ“ aber direkt zu Labels, für die Streaming mittlerweile zur wichtigsten Einnahmequelle geworden sei. Vorbei also die Zeiten, als Streaming verteufelt wurde.

Hohe Investitionen in Podcasts

Um sich aus der Abhängigkeit zu befreien, hat Spotify laut „Wall Street Journal“ („WSJ“) fast eine Milliarde Dollar in Podcasts und Infrastruktur wie Aufnahmestudios investiert. Ek gab zu, in diesem Bereich ein „bisschen über das Ziel hinausgeschossen“ zu sein. Die meisten Shows sind laut „WSJ“ nicht profitabel, der Podcast mit Herzogin Meghan und Prinz Harry wurde im Frühsommer nach zwölf Folgen eingestellt. 2024 will Spotify seine Podcasts jedenfalls profitabel machen und sich auf weniger berühmte Podcaster konzentrieren.