Nikki Haley
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Republikaner

Außenseiterin Haley im Aufwind

Die Republikanerin Nikki Haley will US-Präsidentin werden. Sie wäre die erste Frau an der Spitze des Weißen Hauses, die erste aus einer Einwandererfamilie, die erste aus den Südstaaten und die erste moderat-konservative Kandidatin der Republikanischen Partei seit Langem. Das größte Hindernis: Donald Trump.

2016 war Haley Gouverneurin von South Carolina, die erste Frau in dem konservativen Bundesstaat im Süden der USA. Und sie unterstützte nach einigem Zögern die Kandidatur von Trump. Genauso wie vor vier Jahren, als Trump neuerlich antrat, die Wahl aber gegen den Demokraten Joe Biden verlor. Diesmal will es die Republikanerin selber wissen.

„Es ist Zeit für eine neue Generation konservativer Führung“, sagt Haley in ihrem neuen Wahlkampfspot, der kurz vor der vierten und vorläufig letzten innerrepublikanischen TV-Debatte in Alabama veröffentlicht wurde, und setzt fort: „Es ist Zeit, das Chaos und Drama der Vergangenheit hinter uns zu lassen.“ Den Namen Trump nennt sie nicht, aber jeder weiß, dass sie den früheren Präsidenten meint.

Im Schatten von Trump

Haley, 51 Jahre alt, hat im laufenden Vorwahlkampf der Republikaner anfangs als Zählkandidatin gegolten. Sie war eine von vielen, ohne Hausmacht, hatte keine einflussreichen Fürsprecher. Ihr fehlte Profil, in der polarisierten US-Politik ein großes Defizit. Dazu kam die Rolle, die Trump innehatte und -hat. Er wirkt wie ein Riese neben Zwergen, saugt auf, was immer an Aufmerksamkeit für Politik vorhanden ist.

Doch die Sicht auf Haley hat sich in den vergangenen Wochen verändert. Was in der innerparteilichen Auseinandersetzung als Defizit empfunden worden war, dass sie tendenziell eine traditionelle, klassische Konservative sei, ein Modell von gestern oder vorgestern gewissermaßen, erschien auf einmal in einem anderen, vorteilhaften Licht. Ihre öffentlichen Auftritte unterstrichen das.

Die republikanische Präsidentschaftskandidatin Nikki Haley gibt Autogramme
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Nikki Haley punktet bei Moderaten, Wechselwählerinnen und denen, die genug haben vom Trump-Drama

Haley trat leutselig auf, wirkte sicher und schlagfertig. Sie erzählte offensiv, dass sie die Tochter indischer Einwanderer ist. Der amerikanische Traum lebt, war die Botschaft. Ihre Ansichten vertrat die zweifache Mutter so, wie sie es für nötig hielt. Einmal klar, ein anderes Mal weniger klar. Sie wandte sich gegen die Abtreibung, verzichtete aber auf radikalen Begleittext, war nicht aggressiv oder herabwürdigend.

Als Gouverneurin von South Carolina ließ Haley die umstrittene Fahne der Konföderierten aus der Zeit des Bürgerkrieges vom Kapitol in Charleston herunterholen und beseitigte damit einen politischen Zankapfel, ein Symbol, das nicht nur für den Bürgerkrieg und die Sklavenhaltervergangenheit der Südstaaten stand, sondern in den Augen vieler Schwarzer auch für die verschiedenen neuzeitlichen Spielarten von Rassismus und Diskriminierung. Die indischstämmige Haley beschrieb sich selbst übrigens als „nicht schwarz, nicht weiß“.

Politikerin mit nationaler und internationaler Erfahrung

In der Politik ist sie seit 2004. Zuerst als Abgeordnete in South Carolina, von 2011 bis 2017 als Gouverneurin des Bundesstaates; national und international dann als Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen in New York in den Jahren 2017 und 2018. Der Botschafterposten bei der UNO ist in Washington ein Amt im Kabinettsrang, und Haley konnte aus der Nähe beobachten, wie Trump regierte.

Nikki Haley und Donald Trump, Oktober 2018
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Das Verhältnis zu Trump gleicht einem Balanceakt

Die Beziehung zu Trump ist von Vorsicht geprägt. Kritik ja, aber nur in minimaler Dosis. Wegen des cholerischen Wesens von Trump und weil die Anhänger Trumps allergisch reagieren und kein Halten kennen, wenn ihr Idol in Verruf zu geraten droht.

Haley war nicht von aller Anfang für Trump. Sie stellte sich aber im Verlauf des Wahlkampfes 2016 eindeutig hinter ihn und war eben eine Zeit lang auch Mitglied in seiner Regierung. Kritik äußerte Haley, als die Anhänger Trumps im Jänner 2021 das Kapitol stürmten und Biden als Präsidenten verhindern wollten. Während des aktuellen Wahlkampfs erklärte sie allerdings, sie würde ihn wieder unterstützen, sollte er letztlich der Kandidat der Republikanischen Partei sein.

Vorerst ist sie seine Konkurrentin. Und als solche vorläufig noch eine krasse Außenseiterin. So wie jeder der anderen Bewerber, von denen es insgesamt noch eine Handvoll gibt. Trump führt in jeder innerparteilichen Umfrage um mehr als 40 Punkte, vor Haley und vor Ron DeSantis. Der Gouverneur von Florida hatte lange als stärkster Gegenkandidat Trumps gegolten. DeSantis hat Haley inzwischen eingeholt, sowohl in Iowa als auch in New Hampshire. In den beiden Bundesstaaten finden Anfang 2024 die ersten Vorwahlen statt. South Carolina und Nevada folgen.

Haley im Aufwind

Der Rückenwind für Haley ist momentan fast zum Greifen und bringt ihr prominente Unterstützer und Geld. Die schlagzeilenträchtigste Empfehlung: die von Charles Koch und seinem Super-PAC (political action committee) „Americans for Prosperity Action“.

Der konservative Milliardär war einer der wichtigsten Financiers der vergangenen Wahlkampagnen Trumps gewesen. Der Aufruf zu einem politischen Wechsel zugunsten Haleys: „Turn the page“. Und das wenige Wochen vor der ersten Vorwahl, der in Iowa Mitte Jänner.

Wenn Haley sich dort eindeutig als Stärkste hinter Trump positionieren kann und das in New Hampshire wiederholt, ist sie im Rennen um das Präsidentenamt. Es wäre zumindest der Anfang, eine Art „break away moment“, wie es in den USA heißt, wenn sich jemand vom Pulk absetzen kann und vielen Wählern und Wählerinnen zum ersten Mal auffällt: die früheste Voraussetzung, um an ein Leben im Weißen Haus nachdenken zu können.