Palästinensische Binnenflüchtlinge
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Gaza-Krieg

1,9 Mio. Menschen laut UNO auf der Flucht

Im Kampf gegen die islamistische Hamas hat Israels Armee ihre Offensive in Gaza ausgeweitet. Hilfsorganisationen schlagen angesichts der verstärkten Angriffe Alarm und rufen zum besseren Schutz der Zivilbevölkerung auf. Laut UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) sind bereits 1,9 Mio. Menschen im Küstenstreifen auf der Flucht.

Die 1,9 Mio. Geflüchteten entsprechen laut UNRWA 80 Prozent der Bevölkerung. Fast eine Million Binnenflüchtlinge hielten sich in 99 Einrichtungen im Zentrum des Küstengebietes sowie in Chan Junis und Rafah im Süden auf, hieß es. Laut UNO-Nothilfebüro (OCHA) wurden seit Ende der Waffenruhe am Freitag mehr als 300 Menschen im Gazastreifen getötet.

Hamas-Führer in Stadt Chan Junis vermutet

Gut fünf Wochen nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel hatte die israelische Armee am Sonntag ihre Offensive auf den gesamten Gazastreifen ausgeweitet. Der aktuelle Fokus der Einsätze liegt auf dem Süden und hier vor allem auf Chan Junis.

Die Armee vermutet laut israelischen Medien, dass sich hochrangige Hamas-Führer in dem Gebiet versteckt halten, darunter Hamas-Führer Jahja Sinwar und Mohammed Deif, Chef des militärischen Armes der Organisation.

Gaza: Bodenoffensive im Süden

Israels Militär hat seine Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas auf den gesamten Gazastreifen ausgeweitet. Montagvormittag wurden Zeugen zufolge israelische Panzer im Süden gesichtet. Der Fokus der israelischen Armee liegt auf der Stadt Chan Junis, wo sich Medienberichten zufolge führende Hamas-Mitglieder verstecken sollen.

Am Montag wurden Zeugen zufolge israelische Panzer im Süden gesichtet. Die israelische Armee warnte Zivilistinnen und Zivilisten auf X (Twitter) zudem vor Kämpfen in einem Abschnitt der Salah-al-Din-Straße, einer wichtigen Nord-Süd-Verbindung.

Armee ruft zum Verlassen bestimmter Gebiete auf

Neben der lokalen Bevölkerung halten sich Hunderttausende Menschen in Südgaza auf, die vor den Kämpfen aus dem Norden geflohen sind. Das israelische Militär veröffentlichte eine Karte, auf der etwa ein Viertel von Chan Junis zur sofortigen Evakuierung gelb markiert ausgewiesen war. Drei Pfeile wiesen nach Westen und Süden, um den Menschen anzuzeigen, sich weiter Richtung Mittelmeer oder zur ägyptischen Grenze zu begeben.

Die Taktik im Süden des Gazastreifens soll laut Armee der im Norden ähneln. „Wir haben im nördlichen Gazastreifen stark und gründlich gekämpft und wir tun es jetzt auch im südlichen Gazastreifen“, teilte Generalstabschef Herzi Halevi mit.

Im Norden seien die militärischen Ziele fast erreicht, vollständig abgeschlossen sei der Einsatz aber noch nicht. Laut Berichten der palästinensischen Nachrichtenagentur gibt es Dutzende Tote nach israelischen Angriffen auf UNO-Schulen in Gaza-Stadt. Diese Angaben konnten bisher aber nicht bestätigt werden.

Hilfsorganisationen: „Leid unerträglich“

Der Sprecher des UNO-Kinderhilfswerks (UNICEF), James Elder, hatte die israelischen Angriffe scharf kritisiert. Im Süden finde ein „Blutbad“ statt. Die Angaben über „sichere Zonen“ für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Elder als „Falschdarstellung“. Auch die USA forderten von ihrem engen Verbündeten Israel einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung.

Palästinensische Binnenflüchtlinge in Rafah
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Im Süden des Gazastreifens werden Unterkünfte für die Geflüchteten bereitgestellt

Die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric, forderte sowohl den Schutz von Zivilpersonen „im Einklang mit dem Kriegsrecht“ und den ungehinderten Zugang von Hilfstransporten als auch den Zugang ihrer Organisation zu den von der Hamas festgehaltenen israelischen Geiseln. „Das Ausmaß des menschlichen Leids ist unerträglich“, sagte sie. Das OCHA erklärte am Montag, dass aktuell keine Hilfslieferungen in den Norden Gazas gelangen.

Laut Ärzte ohne Grenzen haben zwei Krankenhäuser im Süden des Gazastreifens aufgrund der großen Zahl an Patienten und Patientinnen ihre Belastungsgrenze erreicht. Montagabend gab die palästinensische Telekomfirma Paltel zudem bekannt, dass Telekommunikation und Internet im Gazastreifen erneut ausgefallen sind.

Armee verweist auf „humanitäre Zone“

Die israelische Armee wies Vorwürfe von Hilfsorganisationen zurück, den Hunderttausenden Zivilistinnen und Zivilisten im völlig überfüllten Süden des abgeriegelten Küstenstreifens werde nicht genug Zeit gegeben, sich vor Angriffen in Sicherheit zu bringen.

Armeesprecher Jonathan Conricus betonte, dass die Streitkräfte die palästinensische Zivilbevölkerung nicht aus Gaza vertreiben wollten. Das Militär habe Zivilistinnen und Zivilisten zum Verlassen des Kampfgebiets aufgefordert und dafür eigens eine „humanitäre Zone innerhalb des Gazastreifens“ eingerichtet. Dabei handelt es sich um ein kleines Küstengebiet um den Ort al-Mawasi. Dem Militär sei „durchaus bewusst, dass der Platz und der Zugang begrenzt“ seien, so Conricus.

Cupal (ORF): USA kritisieren Israel

ORF-Korrespondent Tim Cupal berichtet aus Tel Aviv über die aktuellen Entwicklungen im Israel-Hamas-Krieg.

Montagabend gab das Außenministerium bekannt, dass vier weitere Österreicher und Österreicherinnen aus Gaza über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten in Sicherheit gebracht wurden. Den Angaben zufolge befindet sich noch ein österreichisch-israelischer Doppelstaatsbürger, der von der Hamas verschleppt wurde, in der Gewalt der Terrororganisation.

Reaktion auf Terrorangriff

Auslöser des Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zu Gaza verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden etwa 1.200 Menschen getötet und rund 240 Geiseln nach Gaza verschleppt.

Rauchwolke über dem Gaza-Streifen
APA/AFP/Jack Guez
Israels Armee weitet ihre Offensive in Gaza aus

Laut den von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden wurden in Gaza seit Kriegsbeginn fast 16.000 Menschen getötet. Die Angaben lassen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen. Das israelische Militär verzeichnete im Rahmen seiner Operation nach eigenen Angaben bisher 76 Tote in den eigenen Reihen.