Ungarns Premierminister Viktor Orban
APA/AFP/John Thys
Hilfe für Ukraine

Orban verschärft Blockadedrohung gegen EU

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban verschärft den Streit mit der Europäischen Union. Er verlangte in einem am Dienstag bekanntgewordenen Brief an EU-Ratspräsidenten Charles Michel, die beiden Hauptbeschlüsse zur Unterstützung der Ukraine von der Tagesordnung des Brüsseler Gipfels kommende Woche zu streichen. Ansonsten drohe ein „Scheitern“ des Gipfels.

Orban fordert in seinem Brief, den geplanten Startschuss für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine vorerst auf Eis zu legen. Der Vorschlag der EU-Kommission dazu sei nicht vereinbar mit einem Gipfelbeschluss aus dem Juni 2022. Er spielte damit offensichtlich darauf an, dass die Brüsseler Behörde den Start ungeachtet von noch nicht erfüllten Reformauflagen empfiehlt. In dem Gipfelbeschluss steht aber, über weitere Schritte im Beitrittsprozess solle erst entschieden werden, wenn „alle diese Bedingungen vollständig erfüllt sind“.

Nicht beschlussreif sei auch der Vorschlag der EU-Kommission, die Ukraine mit weiteren 50 Milliarden Euro zu unterstützen und dafür den mehrjährigen Haushaltsrahmen aufzustocken, hielt Orban fest. Dieser Vorstoß sei „unausgewogen und unrealistisch“.

„Der offensichtliche Mangel an Konsens würde unweigerlich zu einem Scheitern führen“, warnte Orban mit Blick auf das Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am 14. und 15. Dezember. Beide Beschlüsse erfordern Einstimmigkeit.

Michel-Reise nach Ungarn blieb erfolglos

In einem ersten Brief an Michel hatte Orban im November gefordert, die europäische Unterstützung für die Ukraine auf den Prüfstand zu stellen – wie auch die Sanktionen gegen Russland. Daraufhin war der EU-Ratspräsident nach Budapest gereist, um auf den ungarischen Regierungschef einzuwirken, das blieb jedoch ohne Erfolg.

Nun versucht es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit einer Einladung Orbans in den Elysee-Palast. Bei dem Abendessen am Donnerstag soll es um die Unterstützung für die Ukraine, die EU-Erweiterung und den mehrjährigen Finanzrahmen gehen, hieß es aus dem Umfeld des Präsidenten.

Poker um eingefrorene Fördermittel

Unklar blieb zuletzt, ob Orban mit dem Brief nur den Druck erhöhen will, um an eingefrorene EU-Fördermittel für sein Land zu kommen. Manche EU-Diplomaten und -Diplomatinnen halten das für denkbar, andere verweisen darauf, dass Orban zuletzt behauptet hat, auch nach einer Freigabe von Geldern beim Thema Ukraine nicht klein beigeben zu wollen.

Ob Gelder für Ungarn freigegeben werden können, wird derzeit von der EU-Kommission geprüft. Sie hatte vor rund einem Jahr angekündigt, das erst zu tun, wenn Orban Versprechen zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit komplett umsetzt. Sollte Ungarn eine von Brüssel verlangte Justizreform verabschieden, könnte das Land nach EU-Angaben rund zehn Milliarden Euro erhalten. Die Novelle liegt derzeit im ungarischen Parlament und soll politische Einflussnahme auf die Justiz verringern.

Die EU hatte in dem Rechtsstaatsstreit Ende 2022 insgesamt fast 22 Milliarden Euro für Ungarn eingefroren. Mehr als die Hälfte davon bliebe aber in jedem Fall blockiert. Denn auch bei der Asylpolitik und den Rechten sexueller Minderheiten verstößt Ungarn weiterhin gegen Europas Grundrechtecharta, wie aus einem aktuellen Bericht der EU-Kommission hervorgeht.

„EU droht ein Debakel“

Die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) schrieb dazu: „Sofern Orban nicht noch einlenkt, droht der EU ein Debakel: Statt das Jahr mit einem starken Signal der Solidarität mit der Ukraine zu beenden, wäre die Union gelähmt, ihre bisherige Geschlossenheit gegen Russland läge in Trümmern. Europas Unterstützung für Kiew stünde infrage – just in dem Moment, in dem auch in den USA die Hilfsbereitschaft ihr Ende erreicht zu haben scheint.“