Israelische Soldaten im Gazastreifen
Reuters/Israel Defense Forces
Bericht

USA rechnen mit Bodenoffensive bis Jänner

Die israelische Armee hat nach der Ausweitung der Bodenoffensive auf den Süden des Gazastreifens am Dienstag vom „intensivsten Tag“ seit Beginn der Offensive gesprochen. 250 Ziele seien angegriffen worden. Die USA gehen einem CNN-Bericht zufolge davon aus, dass die Bodenoffensive im Süden noch bis Jänner dauern wird. Zugleich mahnen die USA Israel, sich mehr um Hilfsgüter für den Gazastreifen zu bemühen.

In einigen Wochen könnte Israel dem Bericht zufolge zu einer „weniger intensiven, stark lokalisierten Strategie übergehen“. CNN berief sich auf mehrere ranghohe US-Regierungsbeamte. Das Weiße Haus sei „zutiefst besorgt“ darüber, wie sich die israelischen Operationen in den nächsten Wochen entwickeln werden, wurde ein Beamter zitiert.

Die USA hätten Israel zu verstehen gegeben, dass die Zeit, die Israel für das militärische Vorgehen in der jetzigen Form und für die Aufrechterhaltung einer internationalen Unterstützung zur Verfügung stehe, rapide abnehme. Der Druck auf Israel angesichts der Tausenden getöteten Zivilistinnen und Zivilisten wächst.

„Im Moment wird nicht genug getan“

US-Außenamtssprecher Matthew Miller richtete Dienstagabend (Ortszeit) mahnende Worte an Israel. Es müsse sich mehr um Hilfsgüter für den Gazastreifen bemühen: „Im Moment wird nicht genug getan.“ Die Zahl der Lastwagen, die derzeit ankämen, belaufe sich in etwa auf 100 pro Tag. Die Zahl sei geringer als während der am Freitag abgelaufenen Feuerpause.

Straßensperren würden zusätzlich den Transport von Treibstoff und medizinischem Material blockieren, sagte die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Diese Vorräte seien etwa im Al-Aksa-Krankenhaus in der Mitte des Gazastreifens bereits auf einem kritischen Niveau.

Israelischer Panzer mit einer darauf befestigten israelischen Fahne in Gaza
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Nach Gaza-Stadt richtet die israelische Armee ihren Fokus nun auf Chan Junis im Süden

Sorge bereiten auch die wachsenden Spannungen im Westjordanland. Als Reaktion darauf erließ die US-Regierung Einreisebeschränkungen, die sich unter anderem gegen extremistische israelische Siedler richten. Es habe einen alarmierenden Anstieg an Gewalttaten gegeben, sagte Miller.

Biden verurteilt Gewalt der Hamas gegen Frauen

Zugleich verurteilte US-Präsident Joe Biden die Gewalt der Hamas gegen Frauen während des Angriffs am 7. Oktober. „Berichte von Frauen, die vergewaltigt wurden – wiederholt vergewaltigt – und deren Körper bei lebendigem Leib verstümmelt wurden, von Frauenleichen, die geschändet wurden, von Hamas-Terroristen, die Frauen und Mädchen so viel Schmerz und Leid wie möglich zufügten, bevor sie sie ermordeten – das ist entsetzlich“, sagte Biden.

Er rief internationale Organisationen, die Zivilgesellschaft und Einzelpersonen auf, sexualisierte Gewalt „ohne Ausnahme“ zu verurteilen. Das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels am 7. Oktober war Auslöser des Krieges Israels gegen die Hamas.

Israels Premier Benjamin Netanjahu kritisierte Menschenrechtsorganisationen und die UNO dafür, sich nicht zu den Sexualverbrechen der Hamas gegen Frauen geäußert zu haben. „Wir werden nicht vergessen und wir werden nicht vergeben“, sagte er. Israel forderte zudem einmal mehr, dass das Rote Kreuz Zugang zu den noch festgehaltenen Geiseln erhält.

Heftige Kämpfe in Chan Junis

Mehr als 1.200 Menschen in Israel wurden getötet. Nach neuesten Angaben der israelischen Armee sind derzeit noch 138 Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer extremistischer Gruppen. Im Süden Gazas wird heftig gekämpft. Die Al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, erklärten, ihre Kämpfer seien an den Gefechten mit israelischen Truppen beteiligt.

Am Dienstag seien acht israelische Soldaten getötet oder verletzt worden, zudem seien 24 israelische Militärfahrzeuge zerstört worden. Auf seiner Website nannte das israelische Militär für Dienstag zwei getötete Soldaten, seit Beginn der Bodenoffensive seien es insgesamt 83. Die Berichte lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Karte zeigt den Gaza-Streifen
Grafik: APA/ORF; Quelle: CNN/ISW/Warmapper

Man befinde sich im „Herzen von Chan Junis“, hieß es von der israelischen Armee. Man sei nun in der zweiten, militärisch schwierigen Phase, hieß es von der Armee. Zuvor waren Flugblätter mit Warnungen abgeworfen worden. Die Zivilbevölkerung wurde aufgerufen, „falls erforderlich“ sichere Bereiche aufzusuchen. Dem Militär sei „durchaus bewusst, dass der Platz und der Zugang begrenzt sind“, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus. Es sei eine „humanitäre Zone innerhalb des Gazastreifens“ eingerichtet worden.

Israel: Großes Waffenlager gefunden

Am Mittwoch wurden die Bombardements von Zielen im Gazastreifen durch die israelische Armee fortgesetzt. Die Truppen seien weiter dabei, Waffen, Tunnelschächte, Sprengstoff und weitere militärische Infrastruktur zu lokalisieren, hieß es Mittwochfrüh.

Ein Kampfflugzeug habe im Verbund mit den Bodentruppen zwei Raketenabschussrampen getroffen. Im Norden des Gazastreifens wurde laut Armee „eines der größten Waffenlager“, die bisher entdeckt wurden, in der Nähe eines Krankenhauses und einer Schule gefunden.

UNRWA: Können nicht mehr allen Schutzsuchenden helfen

Hilfsorganisationen warnen vor der dramatischen Lage im Gazastreifen. Die Situation werde „von Stunde zu Stunde schlimmer“, hieß es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden inzwischen mehr als 16.200 Menschen in Gaza getötet. Unabhängig lässt sich die Zahl nicht überprüfen.

Palästinenser fliehen aus Chan Junis
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Die auf den Süden ausgeweitete israelische Offensive hat eine neue Fluchtbewegung ausgelöst

Das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) kann angesichts der heftigen Kämpfe und der neuen Massenflucht nicht mehr alle schutzsuchenden Menschen versorgen. Das UNO-Menschenrechtsbüro beklagte, dass die israelischen Angriffe, die auf zivile Infrastruktur abzielten oder diese träfen, „Anlass zu ernsten Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des humanitären Völkerrechts“ gäben und „das Risiko von Gräueltaten“ erheblich erhöhten.