Deutschlands Finanzminister Christian Lindner in der Kabinettssitzung der Bundesregierung im Bundeskanzleramt
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Deutscher Budgetstreit

Chance auf Beschluss noch 2023 schwindet

Die deutsche Bundesregierung hat es nicht geschafft, sich vor ihrer Kabinettssitzung am Mittwoch auf ein Budget zu einigen. Damit ist der reguläre Fristenlauf zur Verabschiedung des Haushalts bis Jahresende im Parlament nicht mehr einzuhalten. Unter Hochdruck gehen die Gespräche innerhalb der „Ampelkoalition“ weiter – die Chance, einen Budgetbeschluss noch heuer durchzupeitschen, schwindet. Finanzminister Christian Lindner (FDP) bleibt bei seiner Forderung nach einem scharfen Sparkurs.

Seit Tagen versuchen der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD), Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), sich in vertraulichen Gesprächen auf einen Rahmen für den Etat 2024 zu verständigen. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang erklärte Mittwochfrüh im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk (BR): „Ich gehe nicht davon aus, dass heute im Kabinett schon ein neuer Entwurf für den Haushalt beschlossen wird, aber dass sehr, sehr bald eine politische Entscheidung folgen wird.“

Aus Kreisen des Budgetausschusses hieß es zuletzt, dass theoretisch auch ein Beschluss bis Ende der Woche im Umlaufverfahren noch reichen könnte – wenn man der Regierung Fristverkürzungen einräumt. Auf jeden Fall bestünde in diesem Szenario reichlich Zeitdruck. Denn je nachdem, wie umfangreich die Änderungen zum Etatentwurf 2024 ausfielen, wären Anhörungen, Prüfungszeit, vielleicht auch Einbestellung einzelner Minister und Obleutegespräche für besonders betroffene Ressorts erforderlich, heißt es.

Annalena Baerbock, Christian Lindner , Robert Habeck und Olaf Scholz in der Kabinettssitzung der Bundesregierung im Bundeskanzleramt
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Die angestrebte Einigung der „Ampelkoalition“ auf das Budget 2024 bis Mittwoch scheiterte

Vorläufiges Budget könnte zum Tragen kommen

Regierungssprecher Steffen Hebestreit zeigte sich weniger optimistisch als Lang, erklärte allerdings am Mittwoch, er gehe von einem Kabinettsbeschluss noch vor Jahreswechsel „sicher“ aus. Der formelle Beschluss im Bundestag dürfte dann aber erst im kommenden Jahr ab Mitte Jänner möglich sein. In diesem Fall würde Anfang Jänner zunächst ein vorläufiges Budget gelten, nur notwendige Ausgaben wären erlaubt. Die Situation könnte sich dann allerdings zu einer echten Regierungskrise auswachsen. Bei den aktuellen Umfragewerten würde allerdings wohl keine der drei Parteien von einem Platzen der Koalition profitieren.

Im Kern geht es beim Budgetstreit um die Frage, ob die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wegen einer Notlage erneut ausgesetzt werden sollte. Das wollen SPD und Grüne, die FDP lehnt es ab. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte vergangene Woche die Umwidmung von Kreditermächtigungen zur Bewältigung der CoV-Krise in einen Fonds zur Unterstützung der wirtschaftlichen Transformation für verfassungswidrig erklärt – und damit weitgehend der Regierungspraxis den Boden entzogen, staatliche Schulden auch außerhalb des regulären Haushalts aufzunehmen und somit die Schuldenbremse zu umgehen.

Budgetloch von 17 Milliarden Euro droht

Finanzminister Lindner beziffert die Lücke im Budget für das kommende Jahr auf 17 Milliarden Euro. Sie entsteht unter anderem durch das Urteil und die Auswirkungen auf verschiedene kreditfinanzierte Sondertöpfe. An anderer Stelle in der Koalition ist von noch deutlich höheren Summen die Rede, weswegen SPD und Grüne die Schuldenbremse zugunsten verstärkter Investitionen erneut aussetzen wollen.

Positionen der Koalitionsparteien weit auseinander

Die Grünen fordern ein neues Sondervermögen für Investitionen in den Klimaschutz. Die FDP will vor allem im Sozialbereich – dem größten Posten im Bundeshaushalt – sparen. Das gilt aber kurz vor dem SPD-Parteitag als kaum durchsetzbar.

In einem Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio kritisierte Lindner den „Appetit“ nach wachsenden Mengen Geld: „Wir haben genug Geld. Wir müssen mit dem Geld, das wir haben, nur besser umgehen.“ Forderungen nach Steuererhöhungen und nach einer Änderung der Regeln für die Schuldenbremse wies er zurück.