Zwei Containerwägen voll mit Paketen hinter einem Lieferwagen
ORF.at/Christian Öser
Paketzusteller

Großer Druck und wenig Lohn als Alltag

In der Vorweihnachtszeit haben Paketzusteller Hochsaison. Auf zahlreichen Jobportalen wird derzeit nach Personal gesucht. Der Bedarf ist groß, schließlich wird ein großer Teil der von der Regulierungsbehörde RTR für heuer insgesamt erwarteten 380 Millionen Pakete in Österreich im Dezember versandt. Druck, Stress und geringe Entlohnung prägen den Arbeitsalltag der Zusteller. Die wenigsten wehren sich dagegen.

Häufig verfügten Beschäftigte über Flucht- oder Migrationshintergrund, sagte Jasmin Haindl, Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer (AK), am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal: „Sie wissen oft über ihre Rechte nicht Bescheid oder haben Angst, diese durchzusetzen, und vor Verlust des Arbeitsplatzes.“ Touren – mit Sortieren, Einladen und Ausliefern der Pakete – dauerten oft bis zu 13 Stunden pro Tag, sagte der Paketzusteller Daniel G. gegenüber der ORF-Sendung „Am Schauplatz“.

100 bis 150 Pakete müssten im Schnitt ausgeliefert werden, in manchen Regionen sogar weit darüber hinaus. Das sei zu schaffen, wenn man es bereits länger macht. Dadurch erhalte man aber auch mehr Pakete: „Sie wollen nicht, dass du in der Zeit fertig bist, dann geben sie dir mehr (Pakete, Anm.).“ Bezahlt werde aber immer gleich viel. So habe er einmal für zehn Tage Arbeit 195 Euro erhalten, so G.

Vergabe an Subunternehmen

Für Haindl sind diese Summen keine Seltenheit. Es gebe einen immensen Arbeitsdruck, Überstunden würden nicht ausbezahlt. Haindl: „Das führt dazu, dass Beschäftigte nicht die Zeit haben, Pausen zu machen, etwas zu essen und aufs Klo zu gehen.“ Zudem gebe es unberechenbare Arbeitszeiten – zwischen kurzfristig angeordneten Diensten und auch Dienstabsagen, sollte unterjährig weniger zu tun sein.

Der gebürtige Ungar G. war als Fahrer für ein großes Logistikunternehmen tätig, aber angestellt bei einem Subunternehmen. Diese Praxis ortet die Arbeitsrechtsexpertin als großes Problem – nur die Post arbeitet überwiegend mit eigenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen: „Große Onlineversandhändler und Logistikunternehmen vergeben meist Aufträge an ein Subunternehmen.“

Dann folgen laut AK-Expertin oft weitere Subunternehmen. Arbeitsdruck und Preisdruck seien enorm. Das sei ein idealer Nährboden für Lohn- und Preisdumping und für Arbeitsrechtsverletzungen.

Am Schauplatz: Fluch der Pakete

Die Zahl der Pakete ist vor allem seit der Pandemie explodiert: Vom Tierfutter über Möbel bis hin zu Kleidung wird bestellt, geliefert und teils wieder zurückgeschickt. Für die Zustellerinnen und Zusteller bedeutet das noch mehr Druck und Stress als ohnehin schon üblich. Über die Zustände offen zu reden trauen sich nur wenige. „Am Schauplatz“ war in ganz Österreich unterwegs und zeigt, unter welchen Bedingungen Paketzustellerinnen und Paketzusteller arbeiten.

Branche will Subunternehmen zertifizieren

Der Zentralverband Spedition & Logistik will in der Branche eingesetzte Subunternehmen zertifizieren, um Verstöße gegen das Sozial- und Arbeitsrecht und andere gesetzliche Bestimmungen zu verhindern. Nach Angaben des Branchenverbandes gebe es bereits Gespräche mit den zuständigen Ministerien und Verwaltungsorganen. Mit der Zertifizierung sollten „schwarze Schafe aus dem Verkehr“ gezogen werden, sagte der Geschäftsführer des Zentralverbands, Oliver Wagner.

AK: Braucht gesetzliche Nachbesserungen

Wie viele Subunternehmen auf dem Markt sind, ist unklar. Auf ORF-Nachfrage berichtete ein Logistikunternehmen, dass es mit rund 250 Subunternehmen zusammenarbeite. Für große Unternehmen ist dieses Vorgehen legal, sie profitieren davon. Die AK fordert daher die Einführung der Erstauftraggeberhaftung. Haindl: „Dann können sich die großen Profiteure nicht abputzen.“

Paketzustellung
ORF.at/Christian Öser
Im Schnitt liefern Zusteller 100 bis 150 Pakete pro Tag aus

Damit müssten große Unternehmen als erste Auftraggeber für Löhne einstehen, bei ihnen könnte man dann auch Löhne einfordern und einklagen, so Haindl. Zudem appellierte die Expertin an die Regierung, gesetzliche Nachbesserungen gegen Lohn- und Sozialdumping umzusetzen. Die Regierung habe 2021 Strafmilderungen eingeführt und Strafen reduziert.

Ökologische Folgen der Paketflut

Ein Verbot von Gratisrücksendungen würde am Arbeitsdruck wenig ändern, so Haindl. Ökologisch hätte es dennoch Konsequenzen, wie eine aktuelle Analyse von Greenpeace zeigt. „Die unsichtbaren Folgen der Paketflut sind Ausbeutung der Natur, verschwendete Ressourcen und wachsende Müllberge“, kritisierte Lisa Panhuber, Kreislaufwirtschaftsexpertin bei Greenpeace Österreich.

Probleme seien vor allem der Trend zu Wegwerfprodukten, beworben von Konzernen wie Temu und Shein, die mit manipulativen Taktiken für Billigprodukte werben, und die hohe Retourenquote. Laut Greenpeace ist jedes vierte verschickte Paket Retourware. Das erhöhe die Transportemissionen enorm. Denn die CO2-Emissionen pro Retoure belaufen sich laut Retourenforschung auf 1,5 Kilogramm – das entspricht in etwa denselben CO2-Emissionen, die ein österreichischer Haushalt pro Tag durch seinen Stromverbrauch verursacht.