Guterres berief sich dazu auf Artikel 99 der UNO-Charta, der seit Jahrzehnten von niemandem in dieser Funktion herangezogen worden war. Demnach kann der UNO-Generalsekretär dem Rat „jede Angelegenheit zur Kenntnis bringen, die seiner Meinung nach die Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gefährden könnte“.
Aufgrund des ständigen Bombardements, der fehlenden Unterkünfte und einem Mangel am Nötigsten zum Überleben rechne er damit, „dass die öffentliche Ordnung aufgrund der verzweifelten Lage bald völlig zusammenbrechen wird, sodass selbst begrenzte humanitäre Hilfe unmöglich ist“, so Guterres. Nirgendwo in Gaza sei es sicher.
Guterres: „Geiseln freilassen“
„Die von der Hamas begangene Brutalität kann niemals die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes rechtfertigen“, sagte der Portugiese. Gleichzeitig forderte er die „sofortige und bedingungslose Freilassung“ der verbliebenen Geiseln in der Hand der Hamas.
Guterres sagte, die „rund 130 Geiseln“ müssten bis zu ihrer Freilassung „menschenwürdig“ behandelt und vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes besucht werden. Er verurteilte die Angriffe der Hamas in Israel und zeigte sich „entsetzt“ über Berichte von sexueller Gewalt. Es gebe „keinerlei Rechtfertigung“ für den brutalen Überfall der Hamas.
Gaza: Votum des UNO-Sicherheitsrates
Der Druck der USA auf Israel wird immer stärker. Außenminister Antony Blinken fordert neuerlich und nachdrücklich eine bessere Versorgung der palästinensischen Bevölkerung. Der UNO-Sicherheitsrat berät derzeit über eine Feuerpause in Gaza.
Die UNO-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, zeigte sich unterdessen zutiefst besorgt über Berichte von sexueller Gewalt gegen von der islamistischen Hamas verschleppte Geiseln. Sie rief zu einer sofortigen und bedingungslosen Freilassung der restlichen festgehaltenen Männer, Frauen und Kinder auf und forderte umfassende und unabhängige Untersuchungen zu den Vorwürfen sexueller Gewalt.
Forderung nach Waffenruhe
Der aktuelle Resolutionsentwurf stammt von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Darin wird die humanitäre Situation in Gaza als „katastrophal“ bezeichnet, ein „sofortiger humanitärer Waffenstillstand“ gefordert sowie der Schutz der Zivilbevölkerung, die sofortige und bedingungslose Freilassung aller noch von der Hamas festgehaltenen Geiseln und der humanitäre Zugang zum Gazastreifen.
ORF-Korrespondenten über US-Druck auf Israel
Die ORF-Korrespondenten Thomas Langpaul und Tim Cupal sprechen über den Druck, den die USA verstärkt auf Israel ausüben. Zudem berichten sie, wie die Forderungen der USA von der Regierung in Israel aufgenommen werden.
Ob die Resolution angenommen wird, ist unklar. Vier frühere Entwürfe wurden seit Ausbruch des Kriegs abgelehnt. Als mächtigster Verbündeter Israels könnten die USA ihr Vetorecht einsetzen. Aus den USA hieß es zudem, dass eine neue Resolution des Sicherheitsrats zum jetzigen Zeitpunkt „nicht sinnvoll“ wäre. Harsche Kritik an Guterres gab es vom israelischen Außenminister Eli Cohen. Dieser sei „eine Gefahr für den Weltfrieden“, nachdem er sich auf Artikel 99 berufen hatte.
Blinken: Israel muss Zivilisten besser schützen
Dennoch setzen die USA ihre schärferen Töne der vergangenen Tage gegenüber Israel fort. US-Außenminister Antony Blinken rief Israel erneut dazu auf, mehr für den Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen zu tun.
Es gehe zum Beispiel nicht nur darum, Sicherheitszonen einzurichten, sondern auch so darüber zu kommunizieren, dass die Menschen tatsächlich wüssten, wohin sie flüchten könnten, wann genau und auf welchem Weg. Außerdem müsse es in solchen Sicherheitszonen Essen, Wasser und Medikamente für die geflüchteten Menschen geben, sagte Blinken.
UNRWA: „Missachtung des humanitären Völkerrechts“
„Wir erreichen im Gazastreifen einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt und an dem die eklatante Missachtung des humanitären Völkerrechts unser kollektives Gewissen belastet“, warnte das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA).
Kritik an den israelischen Angriffen kam am Freitag auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Es gehe nicht nur um Selbstverteidigung gegen extremistische Palästinensergruppen wie die Hamas, sondern das betreffe die gesamte Bevölkerung. Der Gesundheitssektor sei schwer beschädigt, die Versorgung der Menschen praktisch unmöglich geworden.
Angesichts des wachsenden Drucks erklärte sich Israel bereit, in den kommenden Tagen den Grenzübergang Kerem Schalom für den Transport von Hilfsgütern zu öffnen. Das könnte die Einfuhr einer größeren Anzahl von Lkws mit Hilfsgütern erleichtern. Bisher gibt es Hilfstransporte nur über den Grenzübergang Rafah.
Bericht: 150 Zufluchtsorte in Gaza
Laut einem Bericht der Times of Israel gibt es inzwischen 150 Zufluchtsorte wie Schulen und andere öffentliche Einrichtungen für schutzsuchende Zivilisten. Diese würden nicht angegriffen. Die Zeitung beruft sich bei ihren Angaben auf die israelische Cogat-Behörde, die für Kontakte mit den Palästinensern zuständig ist.
Zusätzlich dazu gibt es dem Bericht zufolge noch die rund 20 Quadratkilometer große „humanitären Zone“ in Al-Mawasi, die die Armee demnach ebenfalls nicht attackiere. Die Hamas hatte aus dem Gebiet zuvor laut Armee aber Raketen Richtung Israel abgefeuert.