Wartende Personen auf einem Bahnsteig des Bahnhofs München-Pasing
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Lokführer streiken

Chaostag für Deutsche Bahn

Nicht nur in Österreich wird um höhere Löhne und Gehälter gestritten, auch bei der Deutschen Bahn (DB) sind die Verhandlungen zum Kollektivvertrag festgefahren. Bahn und Lokführer streiten um Arbeitszeiten, die Folge ist ein Warnstreik seit Donnerstagabend. Dessen Auswirkungen waren bereits am Freitag spürbar, am Samstag droht mit überfüllten Zügen ein weiterer möglicher Chaostag im deutschen Bahnverkehr.

„Die Verkehre der DB sind bis zum Tagesende des 8.12. bundesweit wegen eines Streiks der GDL massiv beeinträchtigt. Bitte verschieben Sie ihre Reise“, hieß es am Freitag zur „Begrüßung“ für Besucherinnen und Besucher auf der Website der DB. Der gesamte Fern-, Regional- und Schnellbahnverkehr sei „bundesweit massiv beeinträchtigt“.

Grund für die Ausfälle war der Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) aufgerufen hatte. Er hatte Donnerstagabend begonnen und wurde am Freitag um 22.00 Uhr beendet. Weiterhin Probleme bereiten der DB außerdem die Folgen des starken Schneefalls der letzten Tage samt Problemen mit der Infrastruktur vor allem im Süden Deutschlands.

Nur Notfahrplan

„Der Notfahrplan der DB sichert nur ein sehr begrenztes Zugangebot im Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr der DB. Bitte sehen Sie von nicht notwendigen Reisen während des GDL-Streiks ab und verschieben Sie Ihre Reise auf einen anderen Zeitpunkt“, hieß es seit Mittwoch auf der Website der DB. Sie hatte auf Basis einer „Sonderkulanz“ auch angeboten, gebuchte Reisen vorzuverlegen.

Abgestellte Züge vor dem Frankfurter Hauptbahnhof
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Züge stehen deutschlandweit still

Am Freitag warnte die DB wegen des Streiks der Lokführer insbesondere vor überfüllten Zügen am Samstag. „Die Fahrkarten gelten ja flexibel auch zu einem späteren Zeitpunkt, und wir rechnen natürlich damit, dass morgen die Züge dann auch entsprechend voller werden“, sagte der Sprecher Achim Stauß.

„Nicht auszuschließen, dass Fließbänder stillstehen“

Zum einen werde gerade noch daran gearbeitet, den Bahnbetrieb in Süddeutschland wegen des Winterwetters wieder in Gang zu bringen. „Gleichzeitig müssen sie auf den Fahrplanwechsel vorbereiten, der am Sonntag auf dem Programm steht“, sagte Stauß. „In einer solchen Situation zu streiken ist unkollegial.“

Warteschlange vor dem Informationsschalter der Deutschen Bahn auf dem Münchner Hauptbahnhof
APA/AFP/Michaela Rehle
Warteschlangen auf dem Hauptbahnhof München

Außerdem bestreike die GDL auch den Güterverkehr und damit Industrie und Wirtschaft. „DB Cargo versucht natürlich, so viele Züge wie möglich zu fahren, aber bei der Versorgung von Kraftwerken, von Hochöfen, von der Automobil- und Chemieindustrie, da kann es zu Verzögerungen kommen und es ist nicht auszuschließen, dass auch Fließbänder stillstehen.“

Auch ÖBB spüren Auswirkungen

Obwohl die Korridorzüge der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die zwischen Salzburg und Kufstein (Tirol) über deutsches Territorium verkehren, nicht bestreikt werden und damit direkt betroffen sind, kündigten auch sie „Einschränkungen und Änderungen im Tages- und Nachtverkehr“, etwa Züge nach München betreffend, an und informieren im Detail zum aktuellen Fahrplan auf ihrer Website. Die private Westbahn meldete mit Stand Freitagmittag keine Einschränkungen, ihre Züge fuhren bis München, hieß es.

Deutsche Lokführer streiken

Seit Donnerstagabend läuft in ganz Deutschland ein Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bei der Deutschen Bahn und anderen Eisenbahnunternehmen. Folge sind zahlreiche Ausfälle.

Knackpunkt Arbeitszeitverkürzung

Die Verhandlungen zum Kollektivvertrag – in Deutschland Tarifvertrag – zwischen Bahn und GDL hatten offiziell bereits Anfang November begonnen. Knackpunkt ist eine Forderung der Gewerkschaft nach einer 35-Stunden-Woche im Schichtdienst – derzeit sind es 38 Stunden. Die Bahn lehnt Verhandlungen darüber ab und hält die Forderung angesichts des auch in Deutschland akuten Fachkräftemangels für nicht umsetzbar.

Personen vor einer Anzeigetafel auf dem Münchner Hauptbahnhof
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Anzeigetafel: Bahnverkehr bis Freitagabend „massiv“ beeinträchtigt

Der Chef der GDL, Claus Weselsky, zeigte sich kämpferisch und kündigte an, die Gewerkschaft werde sich mit ihren Forderungen gegenüber dem Bahnvorstand durchsetzen. „Wir werden sie knacken“, sagte der GDL-Chef bei einer Kundgebung.

Geteilte Meinungen zu Kampfmaßnahmen

Der deutsche Politologe und Gewerkschaftsexperte Wolfgang Schröder forderte vom Management der DB mehr Kompromissbereitschaft. „Was mich gewundert hat, ist, wie apodiktisch sich die Bahnführung von Anfang an gegen die Arbeitszeitforderungen der GDL positioniert hat und damit die starke Polarisierung in diesem Konflikt erst ermöglichte“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die 35-Stunden-Woche ist kein utopisches Ziel.“

Weniger Verständnis für die Kampfmaßnahmen der Gewerkschaft hat laut einer Meinungsumfrage die Mehrheit der Deutschen. Laut der Erhebung unter 3.700 Teilnehmenden, die am Freitag veröffentlicht wurde, lehnten 59 Prozent der Befragten die Warnstreiks ab. 30 Prozent äußersten Verständnis für den Arbeitskampf.