Ungarischer Ministerpräsident Viktor Orban
Reuters/Marton Monus
Orban in Interview

Ungarn bekräftigt Nein zu Ukraine in der EU

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat sein Nein zu EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine bekräftigt. Die Ukraine sei nicht bereit zu verhandeln, so Orban in einem Exklusivinterview mit der französischen Wochenzeitung „Le Point“, außerdem sei das Nachbarland Ungarns korrupt. Orbans Blockade könnte durchaus auch als Druckmittel auf die EU in einer ganz anderen Causa gelesen werden.

Budapest und die EU sind schon länger in mehreren Fragen nicht mehr einer Meinung. Es gibt Differenzen in der Asylpolitik und Vorwürfe einer Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn durch Orbans Regierung. Nun kam am Freitag in dem Interview mit „Le Point“ von Ungarn eine deutliche Absage an EU-Beitrittsverhandlungen mit Kiew.

„Alle Augen“, hieß es in dem Interview mit der Pariser Wochenzeitung, seien auf Orban gerichtet. Der kommende Europäische Rat biete „die Gelegenheit, ein politisches Signal an die Ukraine zu senden“, nicht nur was weitere Finanzhilfen, sondern auch mögliche EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine im Frühjahr betreffe.

„Eines der korruptesten Länder der Welt“

Gefragt nach den Gründen für sein „Veto“, wollte Orban den Begriff nicht so stehen lassen, er wollte vielmehr nicht zu einer seiner Meinung nach falschen Entscheidung beitragen. Sein Verständnis von Europa besage, dass es keine andere als eine einstimmige Entscheidung geben könne, so der ungarische Regierungschef sinngemäß.

Ja, die Ukraine leide unter der russischen Invasion, und Europa habe beschlossen, sie zu unterstützen, so Orban gegenüber dem französischen Magazin. Es gebe aber auch andere Signale als Beitrittsverhandlungen, die an Kiew gesendet werden könnten.

„Was immer die Leute in Paris, Brüssel und Den Haag“ dachten, „wir wissen genau, was in der Ukraine passiert“. Nämlich: Die Ukraine sei dafür bekannt, eines der korruptesten Länder der Welt zu sein. Dass das Land Kriterien für einen EU-Beitritt erfülle, sei falsch. Außerdem sprächen sich zwei Drittel der ungarischen Bevölkerung gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Nachbarland aus.

Vorwurf der „Erpressung“ aus EU-Parlament

Denkbar sei allenfalls eine „strategische Partnerschaft“ zwischen der EU und der Ukraine, bekräftigte Orban. „Wenn wir es schaffen, dass die Ukraine sich der EU annähert, dann sehen wir in einigen Jahren weiter.“ Orban war am Donnerstagabend von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron empfangen worden. Dabei hatten beide auch über die Unterstützung der Ukraine sprechen wollen, hatte der Elysee-Palast vor dem Gespräch mitgeteilt.

Zu Wochenbeginn hatte Orban mit einem „Scheitern“ des Mitte Dezember anstehenden EU-Gipfels gedroht, wenn EU-Ratspräsident Charles Michel nicht die beiden Hauptbeschlüsse zur Unterstützung der Ukraine von der Tagesordnung des Treffens streiche. Macron lud Orban daraufhin zu einem Arbeitsessen nach Paris ein, um eine Lösung zu finden.

Mehrfach wurde Orban in den letzten Tagen auch unterstellt, dass er mit seiner Blockadedrohung die Freigabe von 13 Mrd. Euro an EU-Mitteln für sein Land erreichen will. Brüssel hatte die Gelder wegen offensichtlicher Rechtsstaatsprobleme in Ungarn eingefroren. Europaparlamentarier warfen Orban „Erpressung“ vor.

Beharren auf Kurs bei Migration

Der rechtskonservative ungarische Regierungschef unterstrich in dem Interview auch seine Linie in Sachen Asylpolitik und Migration. „Ich bin der Einzige, der eine Mauer gebaut hat“, sagte er. „In Ungarn gibt es keine Migranten, und darauf bin ich stolz.“

Die EU solle sich an seinem Land ein Beispiel nehmen und nur noch Menschen einreisen lassen, die eine Erlaubnis dafür erhalten haben. „Wenn Sie meinen, dass die Aufnahme von Migranten zu etwas Angenehmem, zu einer neuen Gesellschaft führt (…), dann tun Sie es doch“, sagte er mit Blick auf die übrigen EU-Staaten. „Wir in Ungarn denken, das ist zu riskant.“

Erdogan stellt Bedingungen für NATO-Beitritt Schwedens

Auf einem anderen geopolitischen Schauplatz stellte die Türkei am Freitag neue Bedingungen für ihre Zustimmung zu einem Beitritt Schwedens zur NATO. Das skandinavische Land hatte einen solchen im Mai des Vorjahres vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine beantragt.

Die NATO stand einem Beitritt Schwedens mehrheitlich positiv gegenüber, doch – allen voran – die Türkei bremst bisher aus unterschiedlichen Gründen. Nun spielt der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan einen neuen Trumpf aus: Zustimmung zum Beitritt Schwedens zur NATO gegen Bewilligung von F-16-Kampfjets aus den USA.

Feilschen um F-16-Kampfjets

Ankara will seit 2021 bis zu 40 neue US-Kampfjets vom Typ F-16, ein Mehrzweckkampfflugzeug aus Produktion des US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin, und Modernisierungspakete für Flugzeuge im Bestand der türkischen Luftstreitkräfte kaufen.

F-16-Kampfjet der U.S. Air Force
Reuters/Paulo Whitaker
Die Türkei spielt die Karte F-16 in Verhandlungen über den NATO-Beitritt Schwedens

Bisher kam der Deal allerdings nicht zustande. US-Präsident Joe Biden unterstützt das rund 20 Mrd. Dollar (rund 18,6 Mrd. Euro) schwere Geschäft, es gibt allerdings Einwände aus dem Kongress – nicht nur, weil Ankara bei der Ratifizierung des schwedischen Beitrittsgesuchs zur NATO auf der Bremse steht, sondern etwa auch wegen der Menschenrechtssituation in der Türkei.

„Ich habe auch ein Parlament“

Nun macht Erdogan Druck und die Zustimmung der Türkei zu einem schwedischen NATO-Beitritt ziemlich deutlich von der Bewilligung der F-16 aus den USA abhängig. Die Vereinigten Staaten sagten, dass sie „in der F-16-Frage erst dann etwas unternehmen werden, wenn der Kongress sie genehmigt hat, aber ich habe auch ein Parlament“, erklärte Erdogan am Freitag. Wenn Washington „gleichzeitig und solidarisch“ seinen Beitrag leiste, werde das Parlament in Ankara das Gleiche tun.