Zerstörtes Wohnhaus in Khan Younis
Reuters/Bassam Masoud
Gaza-Waffenruhe

US-Veto gegen UNO-Resolution

Im UNO-Sicherheitsrat ist ein Resolutionsentwurf für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand im Gaza-Krieg gescheitert. Die USA legten am Freitag ihr Veto gegen den von den Vereinigten Arabischen Emiraten eingebrachten Entwurf ein. Zuvor hatte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres den Weltsicherheitsrat gedrängt, sich für einen solchen humanitären Waffenstillstand einzusetzen.

Mehrere Hilfsorganisationen kritisierten das Scheitern des Resolutionsentwurfs in der Nacht auf Samstag scharf. „Wir sind entsetzt darüber, dass es dem UNO-Sicherheitsrat nicht gelungen ist, eine Resolution zu genehmigen, die einen humanitären Waffenstillstand und die bedingungslose Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln fordert“, hieß es in einer Mitteilung von Save the Children, Aktion gegen den Hunger, Care International und anderen Organisationen.

Der Iran warnte vor einer „unkontrollierten Explosion“ im Nahen Osten. Außenminister Hossein Amirabdollahian rief überdies am Samstag in einem Telefonat mit UNO-Generalsekretär Guterres nach Angaben seines Ministeriums dazu auf, den Rafah-Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen unverzüglich für humanitäre Hilfe zu öffnen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte das US-Veto als „unmoralisch“. Er mache die USA mitverantwortlich „für das Blutvergießen von palästinensischen Kindern, Frauen und älteren Menschen im Gazastreifen durch die israelischen Besatzungstruppen“, wurde Abbas am Samstag von seinem Büro in Ramallah im besetzten Westjordanland zitiert.

USA berufen sich auf diplomatische Bemühungen

13 der 15 Mitglieder des Gremiums hatten Freitagabend in New York für den Resolutionsentwurf gestimmt. Die USA legten ihr Veto ein, Großbritannien enthielt sich. Zuvor waren bereits ähnliche Initiativen am Widerstand Washingtons gescheitert. Die USA hatten sich stets hinter Israel gestellt und angegeben, dass solche Vorstöße per Resolution die laufenden diplomatischen Bemühungen gefährden könnten.

UNO-Generalsekretär Guterres hatte in einem seltenen Schritt auf eine humanitäre Feuerpause gedrängt. Er berief sich dazu auf Artikel 99 der UNO-Charta, der seit Jahrzehnten von niemandem in dieser Funktion herangezogen worden war. Dem Artikel zufolge kann der UNO-Generalsekretär dem Rat „jede Angelegenheit zur Kenntnis bringen, die seiner Meinung nach die Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gefährden könnte“. Israel kritisierte die Initiative von Guterres.

Drastischer Appell von Guterres

Aufgrund des ständigen Bombardements, der fehlenden Unterkünfte und einem Mangel am Nötigsten zum Überleben rechne er damit, „dass die öffentliche Ordnung aufgrund der verzweifelten Lage bald völlig zusammenbrechen wird, sodass selbst begrenzte humanitäre Hilfe unmöglich ist“, so Guterres.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres
Reuters/Caitlin Ochs
UNO-Generalsekretär Guterres warnte vor Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung

Nirgendwo in Gaza sei es sicher. Von der islamistischen Hamas forderte er die sofortige Freilassung aller israelischen Geiseln, die nach dem Massaker am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt wurden.

Im Resolutionsentwurf war die humanitäre Situation in Gaza als „katastrophal“ bezeichnet und ein „sofortiger humanitärer Waffenstillstand“ gefordert worden. Zudem wurde der Schutz der Zivilbevölkerung, die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und der humanitäre Zugang zum Gazastreifen verlangt.

Kontaktgruppe fordert von USA Druck auf Israel

US-Außenminister Antony Blinken hatte am Freitag Vertreter eines arabisch-islamischen Komitees in Washington empfangen, dem die Außenminister mehrerer Länder sowie die Generalsekretäre der Arabischen Liga und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) angehören.

Das katarische Außenministerium teilte am Samstag dazu mit, die Delegation habe die USA aufgefordert, „eine umfassendere Rolle dabei zu spielen, die israelische Besatzung zu einem sofortigen Waffenstillstand zu drängen“. Zudem sei Enttäuschung über das erneute Scheitern eines Resolutionsentwurfs für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand im Gaza-Krieg im Weltsicherheitsrat geäußert worden.

Blinken: Israel muss Zivilisten besser schützen

Vor dem Sicherheitsrat rief Blinken Israel am Freitag erneut dazu auf, mehr für den Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen zu tun. Es gehe nicht nur darum, Sicherheitszonen einzurichten, sondern auch so darüber zu kommunizieren, dass die Menschen tatsächlich wüssten, wohin sie flüchten könnten, wann genau und auf welchem Weg.

„Wir erreichen im Gazastreifen einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt und an dem die eklatante Missachtung des humanitären Völkerrechts unser kollektives Gewissen belastet“, warnte auch das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwies neuerlich auf die Folgen der Angriffe für den Gesundheitssektor.

UNO-Resolution gescheitert

Im UNO-Sicherheitsrat ist ein Resolutionsentwurf für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand im Gaza-Krieg gescheitert. Die USA legten am Freitag ihr Veto gegen den von den Vereinigten Arabischen Emiraten eingebrachten Entwurf ein.

Angesichts des wachsenden Drucks erklärte sich Israel bereit, in den kommenden Tagen den Grenzübergang Kerem Schalom für den Transport von Hilfsgütern zu öffnen. Das könnte die Einfuhr einer größeren Anzahl von Lkws mit Hilfsgütern erleichtern. Bisher gibt es Hilfstransporte nur über den Grenzübergang Rafah.

Bericht: 150 Zufluchtsorte in Gaza

Laut einem Bericht der Times of Israel gibt es inzwischen 150 Zufluchtsorte wie Schulen und andere öffentliche Einrichtungen für schutzsuchende Zivilisten. Diese würden nicht angegriffen. Die Zeitung beruft sich bei ihren Angaben auf die israelische Cogat-Behörde, die für Kontakte mit den Palästinensern zuständig ist.

Zusätzlich dazu gibt es dem Bericht zufolge noch die rund 20 Quadratkilometer große „humanitären Zone“ in Al-Mawasi, die die Armee ebenfalls nicht attackiere. Die Hamas hatte aus dem Gebiet zuvor laut Armee aber Raketen Richtung Israel abgefeuert. Hilfsorganisationen warnten, in Al-Mawasi gebe es kaum noch Lebensmittel, Trinkwasser und Unterkünfte für die Schutzsuchenden.

Welternährungsprogramm: Situation in Gaza „unhaltbar“

Nach Darstellung des Welternährungsprogramms (WFP) steht die Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten im gesamten Gazastreifen vor dem Kollaps. „Es gibt nicht genug Essen. Die Menschen hungern“, schrieb der Vizedirektor des WFP, Carl Skau, auf X (Twitter). Sein Team habe mehr als eine Million Menschen erreicht, „aber die Situation ist unhaltbar. Wir brauchen unsere Hilfsgüter und einen humanitären Waffenstillstand.“

Skau hatte sich gestern in Gaza ein Bild von der Lage gemacht. Es herrsche Chaos und Verzweiflung, Familien lebten auf den Straßen, erklärte er. Da nur ein Bruchteil der nötigen Nahrungsmittel in das von Israel abgeriegelte Küstengebiet gelange, es an Treibstoff mangle und niemand sicher sei, „können wir unsere Arbeit nicht machen“, fuhr Skau in einer Mitteilung fort.

An den Verteilungsstellen für humanitäre Hilfsgüter drängten sich Tausende verzweifelter, hungernder Menschen. In den Lagerstätten herrsche Verwirrung, die Notunterkünfte seien überfüllt. In einem entsprechenden Zustand befänden sich die Toiletten. Dazu jeden Tag im Hintergrund das dumpfe Donnern der Bombenangriffe, schilderte Skau.