Argenitiniens neuer Präsident Javier Milei
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Amtseid abgelegt

Argentinien nun in Mileis Hand

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise hat der ultraliberale Rechtspolitiker Javier Milei sein Amt als argentinischer Präsident angetreten. Der 53-Jährige, der sich selbst als „Anarchokapitalist“ bezeichnet, wurde am Sonntag vor dem Parlament in Buenos Aires vereidigt. Am Tag von Mileis Angelobung jährte sich Argentiniens Rückkehr zur Demokratie nach der Militärdiktatur zum 40. Mal.

Für seine erste Rede im Amt wählte Milei einen symbolischen Ort: Statt an die Abgeordneten des Parlaments wandte er sich auf den Stufen des Parlaments direkt zum Volk. In seiner Antrittsrede stimmte Milei die Bevölkerung dann auf eine wirtschaftliche Rosskur ein. Es gebe keine Alternative zu einer finanzpolitischen Schocktherapie. Die Vorgängerregierung habe leere Kassen hinterlassen und das Land auf einen Pfad hin zur Hyperinflation geschickt. Der Haushalt müsse angepasst werden. „Es ist kein Geld da.“

Bereits im Wahlkampf hatte er eine Schocktherapie angekündigt. Für Aufsehen sorgten seine Pläne, etwa die Zentralbank zu schließen und die Landeswährung Peso zugunsten einer Bindung an den US-Dollar abzuschaffen. Seit seinem Sieg zeigt Milei jedoch eine pragmatischere Haltung. Er will sich vor allem auf den Abbau des Haushaltsdefizits konzentrieren. Zudem hat er sein Kabinett mit gemäßigten Konservativen besetzt statt mit libertären Verbündeten. Auf einen Wechsel zum Dollar ging er in seinen Reden am Sonntag nicht ein.

Argenitiniens neuer Präsident Javier Milei
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Javier Milei wandte sich vor dem Parlamentsgebäude in Buenos Aires an das Volk

Prominente Gäste

Zu Mileis Amtseinführung waren unter anderen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Spaniens König Felipe VI. und der ungarische Regierungschef Viktor Orban nach Argentinien gereist. Auch Uruguays Staatschef Luis Lacalle Pou und der paraguayische Präsident Santiago Pena sowie der Chef der rechtsextremen Vox-Partei in Spanien, Santiago Abascal, und Brasiliens früherer ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro waren in die argentinische Hauptstadt gekommen.

Der linksgerichtete brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, von Milei in der Vergangenheit harsch kritisiert, blieb der Zeremonie fern und schickte nur seinen Außenminister.

Von Orban nach Ungarn eingeladen

Orban hatte Milei bereits am Samstagabend in Buenos Aires persönlich zum Wahlsieg gratuliert und bilaterale Verhandlungen geführt. Dabei ging es laut Medienangaben um den gemeinsamen, effektiveren Kampf gegen die internationale Linke sowie um die Möglichkeiten der Entwicklung der ungarisch-argentinischen Beziehungen. Agenturberichten zufolge gibt es für Milei bereits eine offizielle Einladung für einen Besuch in Ungarn.

Für Aufsehen sorgte aber vor allem Selenskyjs Besuch in Buenos Aires. Es war das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen sein Land, dass der Regierungschef nach Südamerika reiste. Im Gegensatz zur linken Vorgängerregierung gilt Milei als entschlossener Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine.

Selenskyj nach Zeremonie
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Zur Angelobung von Milei reiste auch Wolodymyr Selenskyj nach Buenos Aires

Selenskyj dürfte mit seiner Reise nach Argentinien bezwecken wollen, sich Unterstützung von Ländern im Globalen Süden zu sichern. Viele von ihnen tun sich schwer damit, die harte Linie der westlichen Industrienationen gegenüber Russland mitzutragen. Ukrainischen Medienberichten zufolge habe Selenskyj in Buenos Aires unter anderen die Präsidenten von Uruguay, Paraguay und Ecuador getroffen und dabei die Chancen eines Ukraine-Lateinamerika-Gipfeltreffens ausgelotet.

„Make Argentina Great Again“

Milei hatte sich bei der Stichwahl im November mit 55,6 Prozent gegen seinen Rivalen, Wirtschaftsminister Sergio Massa, durchgesetzt. Er wird wegen seiner Anti-System-Rhetorik, seines oft aggressiven Tons und schließlich auch wegen des an Donald Trumps „Make Amerika Great Again“ angelehnten Slogan „Make Argentina Great Again“ immer wieder mit dem republikanischen Ex-US-Präsidenten verglichen. Trump sieht in Milei einen Gleichgesinnten und gratulierte diesem noch am Abend des Stichwahltages. Nach Angaben von Mileis Pressesprecher sei für 2024 auch schon ein Trump-Besuch in Buenos Aires fixiert.

Argentinisches Parlament von außen
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Das Parlamentsgebäude in Buenos Aires am Tag von Mileis Angelobung

Wahlkampf mit Kettensäge

Im Wahlkampf war Milei häufig mit einer Kettensäge aufgetreten und hatte nicht nur mit seinen radikalen Wirtschafts- und Finanzplänen für Aufsehen gesorgt. Er sprach sich auch gegen Abtreibungen und Sexualkundeunterricht sowie für die Freigabe des Organhandels aus und leugnete den menschengemachten Klimawandel.

Argentiniens Präsidentschaftskandidat Javier Milei
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Wahlkampfauftritte mit Kettensäge wurden für Milei zu einer Art Markenzeichen

Zudem löste er Proteste aus, weil er die Verbrechen der rechtsgerichteten argentinischen Militärdiktatur herunterspielte. Seine Vizepräsidentin Victoria Villarruel entstammt nicht nur einer Militärsfamilie, die 48-jährige Anwältin kämpft auch öffentlich für verurteilte oder ihres Prozesses harrende Armeeangehörige. Mileis politische Wegbegleiterin leitet eine „Vereinigung der Opfer des Terrorismus“ extremer Linker und unterstützt die These, dass es in der Zeit der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 in Argentinien einen „Krieg“ gegeben habe und keine „Diktatur“.

Über 140 Prozent Inflation

Argentinien befindet sich aktuell in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen, gleichzeitig nicht zum ersten Mal in einer schweren Wirtschaftskrise befindlichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst kontinuierlich.