israelische Panzer auf dem Rückweg aus dem Gazastreifen
APA/AFP/Gil Cohen-Magen
Israelisches Militär

22.000 Ziele seit Kriegsbeginn angegriffen

Das israelische Militär hat seit Beginn des Krieges vor gut zwei Monaten nach eigenen Angaben schon mehr als 22.000 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Ungeachtet immer mehr getöteter Zivilisten und Zivilistinnen soll der Krieg gegen die islamistische Hamas weiter intensiviert werden.

Der Krieg werde noch andauern, „aber das ist der Anfang vom Ende der Hamas“, prophezeite Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Videobotschaft am Sonntagabend. „Zu den Terroristen der Hamas sage ich: Es ist aus. Sterbt nicht für (den Chef der Hamas im Gazastreifen, Jahja, Anm.) Sinwar. Ergebt euch – jetzt!“

Unterdessen wächst die internationale Kritik am Vorgehen seiner Regierung angesichts einer immer katastrophaleren Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Laut den Vereinten Nationen hungert inzwischen die Hälfte der Bevölkerung in dem Gebiet. Weltweit wird gewarnt, dass das unerträgliche Leid nur noch mehr Palästinenser in die Arme der Hamas treibe.

israelische Soldaten und Panzer in Gaza-Stadt
Reuters/Yossi Zeliger
Israelische Soldaten und Panzer in Gaza-Stadt

Auch Artillerie nun im Einsatz

Erstmals sind jetzt auch Truppen der israelischen Artillerie innerhalb des Gazastreifens im Einsatz, ergänzend etwa zu Panzer- und Bodentruppen. Bisher war die Artillerie von der Grenzlinie aus im Einsatz. Angaben des Nationalen Sicherheitsberaters Zachi Hanegbi vom Wochenende zufolge sind nicht nur bereits etwa 7.000 Hamas-Terroristen tot. Auch streckten nach offizieller Darstellung immer mehr Kämpfer die Waffen. „In den letzten Tagen haben sich Dutzende Hamas-Terroristen unseren Streitkräften ergeben“, sagte auch Netanjahu.

Eigenen Angaben zufolge warf Israel in den vergangenen Tagen mehrere Tonnen Ausrüstung für Soldaten über dem Gazastreifen ab. Darunter seien etwa sieben Tonnen Wasser für die Einsatzkräfte im südlichen Teil des Küstengebiets gewesen, teilte das Militär am Montag mit. Es sei der erste Abwurf aus der Luft für israelische Truppen seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006. Die Ausrüstung gelangte den Angaben nach per Fallschirm an die Bodentruppen.

Netanjahu ruft Hamas zur Kapitulation auf

Das israelische Militär hat seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor gut zwei Monaten nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 22.000 Ziele angegriffen. Premier Benjamin Netanjahu rief die Hamas zur Kapitulation auf.

In den vergangenen Tagen veröffentlichte die Armee Videos aus dem Norden Gazas, in denen festgenommene palästinensische Männer in Unterhosen zu sehen sind. Die Zeitung „Haaretz“ schrieb allerdings am Sonntag unter Berufung auf namentlich nicht genannte Vertreter der Sicherheitskräfte, dass unter den mehreren hundert festgenommenen Palästinensern nur rund zehn bis 15 Prozent waren, die der Hamas oder mit ihr verbundenen Organisationen angehörten. Von einer Massenkapitulation könne derzeit keine Rede sein, hieß es.

Keine Bilder von halb nackten Gefangenen mehr

Nach Empörung über die Aufnahmen von Gefangenen in Unterhosen will Israel eine weitere Verbreitung solcher Bilder unterbinden. Hanegbi sagte laut Times of Israel am Sonntagabend, Verdächtige müssten durchsucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Sprengstoff bei sich tragen. Die Bilder von ihnen in Unterhosen würden jedoch „niemandem dienen“.

Er erwarte, dass die Verbreitung eingestellt werde. Die Bilder hätten Besorgnis über Israels Festnahmeverfahren in Gaza ausgelöst und Fragen über mögliche Rechtsverletzungen oder erniedrigende Behandlung aufgeworfen, schrieb die Times of Israel.

zerstörte Gebäude im Gazastreifen
APA/AFP/Gil Cohen-Magen
Die Zahl der Todesopfer unter Unbeteiligten im Gazastreifen ist sehr hoch

UNO-Sondersitzung am Dienstag

Die UNO-Generalversammlung kommt am Dienstag zu einer Sondersitzung zur humanitären Lage im Gazastreifen zusammen. Die UNO-Vertreter Ägyptens und Mauretaniens hätten die Sondersitzung in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Vorsitzender der Gruppe der arabischen Staaten und Vorsitzender der Organisation für islamische Zusammenarbeit einberufen, sagte ein Sprecher des Präsidenten der UNO-Vollversammlung am Sonntag (Ortszeit) in New York. Am Freitag war bei einer Dringlichkeitssitzung im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution zu einer Waffenruhe am Veto der USA gescheitert.

Wie es aus diplomatischen Kreisen hieß, könnte die Generalversammlung in ihrer Sondersitzung über einen Resolutionsentwurf zu einer Waffenruhe abstimmen. In einem Textentwurf, welcher der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, werden eine „sofortige humanitäre Waffenruhe“ und eine „sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln“ gefordert. Zudem ist darin von „großer Besorgnis“ über die „katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen“ zu lesen.

„Über 75 Jahre nichts gelernt“

Die Vertreterin des UNO-Nothilfebüros (OCHA) für die Palästinensergebiete, Lynn Hastings, kritisierte die Verstöße gegen die Menschenrechte durch Israelis und Palästinenser scharf. „Es ist, als hätten wir in den vergangenen 75 Jahren nichts gelernt“, teilte Hastings am Sonntagabend mit. Sie bezog sich dabei auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am Sonntag vor 75 Jahren verabschiedet wurde und die erstmals den Schutz grundlegender Menschenrechte wie das Recht auf Leben und Freiheit festlegte.

Die Tötungen, sexuelle Gewalt und Entführungen durch Terroristen der Hamas am 7. Oktober in Israel hätten „eine gesamte Nation traumatisiert“, sagte Hastings. Auch nicht staatliche Akteure hätten Verpflichtungen nach internationalem Recht. Alle Geiseln in ihrer Gewalt müssten bedingungslos freigelassen werden.

Die Angriffe Israels im Gazastreifen als Reaktion bezeichnete Hastings als „unverhältnismäßig“. Luftangriffe gegen Zivilisten und zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser, Schulen und UNO-Einrichtungen seien nicht zu rechtfertigen, auch Israels „Belagerung“ Gazas und der Entzug von Essen, Wasser, Arzneimitteln und Hygiene nicht.

Israel sei als „Besatzungsmacht“ verpflichtet, die sichere Lieferung von ausreichend Hilfsgütern zu ermöglichen. Im Westjordanland habe die Gewalt gegen Palästinenser ein „beispielloses Niveau“ erreicht. „Im Jahr 2023 sollte ich nicht solch eine Mitteilung veröffentlichen müssen“, hielt Hastings fest.

EU-Chefdiplomat wirft Israel Ignorieren von Aufrufen vor

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warf Israel vor, Aufrufe von Partnern wie der Europäischen Union zu ignorieren. „Wir haben unter anderem bei den G-7-Treffen gesagt, dass Israel im Süden von Gaza nicht die gleiche Taktik anwenden sollte, die es im Norden angewendet hat“, sagte der Spanier am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Die Bombardierung gehe nun aber mit außerordentlicher Intensität weiter. „Es ist das Gleiche, wenn nicht sogar noch schlimmer“, sagte er.

Bei dem Außenministertreffen in Brüssel ging es unter anderem um die Frage, ob gegen extremistische israelische Siedler EU-Einreisverbote verhängt werden sollten. Zuletzt hatten bereits die USA in Reaktionen auf einen alarmierenden Anstieg an Gewalttaten im Westjordanland einen solchen Schritt angekündigt.