Thomas Schmid am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Schmid in Prozess

Kurz wollte immer mitreden

Der frühere ÖBAG-Chef Thomas Schmid ist am Montag im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ausführlich zu Wort gekommen. Der frühere ÖVP-Vertraute widersprach Kurz deutlich – insbesondere was die ÖBAG-Personalien angeht. Die Verteidigung von Kurz wollte an Schmids Glaubwürdigkeit rütteln. Die Befragung zog sich über mehrere Stunden, ist aber nicht beendet worden. Der Zeuge muss noch einmal kommen.

Ohne Kurz ging gar nichts: So könnte man die Aussagen von Schmid zusammenfassen. Der frühere Kanzler und dessen Team hätten in allen wichtigen Personalfragen mitreden wollen. Schmid verwies auf seine Chatkonversation mit Kurz, die seine Aussagen untermauern würden. Dass Schmid am Ende tatsächlich Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG geworden ist, sei auch auf Kurz zurückzuführen. Selbst bei der Nominierung des Aufsichtsrats sei der Ex-Kanzler involviert gewesen.

Das ist auch der Kern der Vorwürfe, die die Anklage gegen den Ex-Kanzler erhoben hat und die Richter Michael Radasztics seit fünf Verhandlungstagen im Wiener Landesstrafgericht zu klären versucht. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Kurz vor, er habe vor dem U-Ausschuss im Zusammenhang mit der Personalpolitik der ÖBAG falsch ausgesagt. Kurz sagte damals wie heute, dass er informiert, aber nicht involviert gewesen sei.

„Unmöglich“ an Kurz vorbei

Schmid, der einen Kronzeugenstatus anstrebt, widersprach im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesstrafgerichts den Aussagen von Kurz. Der frühere Regierungschef habe sich sehr für die Beteiligungen der Republik interessiert, „was ja grundsätzlich positiv ist“, bemerkte Schmid. Schon 2017, also während der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ, sei „sehr, sehr intensiv“ über die Spitze des ÖBAG-Aufsichtsrats verhandelt worden. Es sei „unmöglich“ gewesen, dass jemand an Kurz vorbei in die ÖBAG kommt, sagte Schmid.

Thomas Schmid am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Den Kameraleuten entging Schmid raffiniert – Bilder vom Ex-Vertrauten von Kurz gibt es kaum

Eigentlich bestimmt der Finanzminister, damals Hartwig Löger (ÖVP), wer im Aufsichtsrat der Staatsholding sitzt und wer den Chefposten übernimmt. Doch man habe die Personalien stets mit dem Kanzleramt „abstimmen“ müssen, sagte Schmid. Abstimmen habe aber bedeutet: „Das Finanzministerium ist in der Hierarchie sehr weit oben, aber das Bundeskanzleramt steht noch weiter oben“, sagte Schmid, der auch gleich ergänzte, dass es komisch gewesen sei, wenn das Kanzleramt da nichts mitzureden hätte. „Es sind wichtige Personalfragen. Sie wollten nicht nur informiert sein, sondern mitreden.“

Das Mitreden und Abstimmen sei allerdings einem „Vetorecht“ für Kurz gleichgekommen. Er habe sich darüber „nicht gewundert“, sagte der frühere Finanzgeneralsekretär, aber er habe sich geärgert. In einem Fall ging es etwa um einen potenziellen Kandidaten für den Chefposten im ÖBAG-Aufsichtsrat. Der zuständige Finanzminister Löger habe sich für den Bewerber ausgesprochen, man wollte „das durchziehen“. Doch das Kanzleramt habe Einwände kundgetan. Am Ende wurde Helmut Kern Aufsichtsratschef. „Kern war der Vorschlag aus dem Kanzleramt“, betonte Schmid.

Wirtschaftsjournalist Nikbakhsh zum Kurz-Prozess

Im Prozess gegen den ehemaligen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz war am Montag der wichtigste Zeuge der Staatsanwaltschaft, Thomas Schmid, vor Gericht. Dazu spricht der freie Wirtschaftsjournalist Michael Nikbakhsh.

Wohin wäre Wolf mit Schmid „Schlitten gefahren“?

In seiner Befragung hatte Kurz gesagt, dass er zwar den Industriellen Siegfried Wolf als Aufsichtsratschef vorgeschlagen habe. Die Tatsache, dass am Ende Spitalsmanager Kern auf den Chefsessel gehievt wurde, würde beweisen, dass die Entscheidung am Ende beim Finanzminister liegt. Eine Einbindung sei, Vorschläge zu offerieren, die Entscheidung obliege aber dem Finanzminister, so Kurz damals. In Medien werde es „immer so dargestellt, als habe er lauter Lemminge“ in die Regierung geholt. Die Minister hätten bestimmte Aufgaben, die sie zu erfüllen hatten, so der frühere Regierungschef.

Richter Michael Radasztics
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Zig Seiten, zig Chats und stundenlange Befragungen: Am Ende trifft der Richter die Entscheidung

Schmid bestätigte die Angaben von Kurz, dass er sich gegen Wolf als Aufsichtsratschef gestellt habe. Er habe „den Wolf“ auch schon anders kennengelernt, „und das wäre nicht so toll gewesen, wenn der mein Chef wird“, gab der Ex-ÖBAG-Vorstand unverblümt weiter. Kurz hatte vor Gericht gesagt, dass Schmid deshalb gegen Wolf gewesen sei, weil dieser mit dem Vorstand „Schlitten gefahren“ wäre. Auf die Frage von Richter Radasztics, ob er das so unterschreiben würde: „Ja, das kann schon sein, aber wohin wäre er mit mir gefahren?“

Seine eigene Bestellung zum ÖBAG-Chef sei mit „Rückendeckung“ und „Unterstützung“ erfolgt, sagte Schmid. Kurz hatte seine Rolle bei der Bestellung von Schmid vor dem Gericht heruntergespielt. „Die Initiative zur Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Chef ging von Schmid selbst aus“, sagte der Ex-Regierungschef. Schmid widersprach: Ohne Kurz hätte er die Funktion in der ÖBAG nicht bekleiden können. Das würde die Chatnachricht beweisen, in der sich Schmid für „die Chance“ bedankte: „Es taugt mir so in Deinem Team sein zu dürfen!“

Verteidigung rüttelt an Glaubwürdigkeit

Die Verteidigung von Kurz wollte an der Glaubwürdigkeit von Schmid rütteln. Zunächst übernahm sie das Ruder nach der Befragung durch den Richter (ursprünglich hätte die WKStA zuerst ihre Fragen gestellt), dann legte sie vermeintlich neue Chatnachrichten vor. Darin soll Schmid dem Ex-Kanzler nach einem ORF-Interview 2021 gratuliert haben. „Das war ein sehr guter Auftritt mit Darlegung, wie es wirklich war“, heißt es darin. Eine Antwort auf die Frage, was damit gemeint war, blieb Schmid schuldig.

Ex-Kanzler Sebastan Kurz
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Kurz versuchte, den Medien seine Sicht auf die Vorwürfe zu erklären

Weitere Chats wurden vom Richter zurückgewiesen, da weder die Quelle noch der Zweck der Vorlage ausreichend beantwortet werden konnte. Der Anwalt von Kurz, Otto Dietrich, versuchte es schließlich auch mit Lebensläufen des Ex-Generalsekretärs. Doch auch dabei fragte sich der Richter, inwieweit die Vorlage den Prozess betrifft. Die WKStA sprach sich dagegen aus, die Vorlagen in den Akt zu nehmen. Der Richter entschied dementsprechend. Man wollte mit den Fragen und Vorlagen ein Bild über das „Gesamtverhalten“ des Zeugen zeichnen, begründete Dietrich seine Vorgehensweise.

Konkret will die Verteidigung deutlich machen, dass sich Schmid den ÖBAG-Aufsichtsrat selbst zusammengestellt habe, um seine Bestellung als Alleinvorstand zu fixieren. So fragten Dietrich und der Verteidiger des mitangeklagten Ex-Kabinettschefs Bernhard Bonelli, warum die Struktur des Aufsichtsrats im Zuge der Reform der Staatsholding so gewählt wurde. Schmid verwies darauf, dass das die politischen Verhandlungen ergeben hätten. Die Verteidigung konterte, dass der Zeuge mit Beteiligten über die künftige Struktur gesprochen habe.

Thomas Schmid am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Schmid kam, sagte aus und ging: Aber am Freitag wird er noch einmal befragt

„Kriegst eh alles was du willst“ als Bestätigung

Im Prozess schlugen freilich auch bekannte Chats auf. Schmid sprach von einer „sehr rauen Sprache“, die man in den Nachrichten gepflegt habe. Andererseits habe es nach Ansicht von Schmid aber auch Lob und Bestätigung gegeben. Die Nachricht „Kriegst eh alles was du willst“ von Kurz sei so ein Chat gewesen, meinte er. Im Gegensatz zu Kurz, der die Botschaft als „Du kriegst den Hals nicht voll“ wertete, sagte Schmid, dass er sie als Bestätigung für seine Arbeit verstanden habe. Kurz habe „es getaugt, was wir gemacht haben“.

Am Ende wurde es nochmals emotional. Der Anklage „platzte der Kragen“, da die Anwälte von Kurz und Bonelli suggerierten, dass sich Schmid von der WKStA alles diktieren lässt. Der Richter wurde aufgefordert, „sitzungspolizeiliche Maßnahmen“ zu ergreifen. In einem Punkt war man sich dann aber doch einig: Die Befragung von Schmid wurde nach neun Stunden vertagt. Der Schlüsselzeuge im Prozess gegen Kurz soll am Freitag von der WKStA befragt werden.