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ORF/Sandra Schober
USA

Machtkampf um die großen Städte

Die Republikaner dominieren in der Mehrheit der 50 US-Bundesstaaten. Doch das reicht ihnen nicht. Sie wollen immer öfter auch da bestimmen, wo die Demokraten die Mehrheit haben. Und das sind die Städte. Zimperlich sind die Republikaner dabei nicht. Ganz im Gegenteil, das Vorgehen hat System, und mitunter opfern sie auch die eigenen föderalistischen Prinzipien.

Der Gouverneur von Florida entlässt einen Bezirksstaatsanwalt, weil der Frauen nicht anklagen will, die gegen das Abtreibungsverbot verstoßen. Der Gouverneur von Texas schickt die Staatspolizei ins liberale Austin, unterstellt einen Schulbezirk zentraler Kontrolle und beschränkt die Befugnisse von Städten und Gemeinden gleich überhaupt und präventiv. Und der kommende Gouverneur von Louisiana droht New Orleans mit einer Budgetkürzung, wenn der gewählte Bezirksstaatsanwalt seine Amtsführung nicht ändert.

Die drei Gouverneure sind Republikaner, die drei Bürgermeister Demokraten, und die Beispiele stehen für eine Tendenz. 700 einschlägige staatliche Interventionen zählt die Organisation Local Solutions Support Center (LSSC) allein in diesem Jahr. Thematisch geht es überwiegend um die Bereiche Erziehung, Bildung und Schulen, Wahlen, Abtreibung, Sicherheit und Minderheitenrechte. Mehr als die Hälfte der registrierten staatlichen Interventionen fällt darunter.

US-Bundesstaaten nach parlamentarischer Mehrheit (Senat & Repräsentantenhaus) sowie ausgewählte demokratisch regierte Städte

Demokratische Rathäuser im Visier der Republikaner

Die Eingriffe gehen von republikanischen Gouverneuren aus oder von Parlamenten in US-Bundesstaaten, in denen die Republikaner in der Mehrheit sind. Und sie zielen auf Städte und große Gemeinden, in denen Demokraten das Sagen haben. Betroffen sind oft schwarze Bürgermeister: in Philadelphia, Nashville, New Orleans, Kansas City, Jackson, Cleveland und anderen größeren Städten.

Rathaus in Philadelphia
Reuters/Andrew Kelly
Rathaus in Philadelphia, der größten Stadt des US-Bundesstaates Pennsylvania

Die Vereinigung der US-Bürgermeister hat bei ihrer Jahrestagung im vergangenen Sommer heftig Stellung gegen die Tendenz bezogen, die lokale Verwaltung in ihren Zuständigkeiten zu beschneiden und zu schwächen. Der Vorwurf: Rassismus und politische Strafmaßnahmen. Der Jurist Richard Briffault von der Columbia University in New York wirft den Bundesstaaten in einem Bericht für die Vereinigung der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen vor, die lokale Selbstverwaltung zu untergraben.

Dass die Bundesstaaten – und allen voran die Republikaner – mit Blick auf die Bundesregierung, das ungeliebte Washington also, immer föderale Prinzipien vor sich hertragen und in politischen Diskussionen die Selbstverwaltung auf der niedrigsten Ebene predigen, nennt Briffault „scheinheilig“. Gegenüber den Kommunen werde das Verhalten immer aggressiver, schrieb der Rechtsprofessor.

Polit- und Regulierungsaktionismus im Zaum halten

Vertreter der Bundesstaaten wehren sich, werfen der einen oder anderen kommunalen Verwaltung Aktivismus und Regulierungswahn vor und empfehlen sich Bürgern und Bürgerinnen selbst als eigentliche Garanten für eine effiziente und schlanke Verwaltung. Greg Abbott zum Beispiel, der republikanische Gouverneur von Texas, verteidigte eine weitreichende Einschränkung lokaler Zuständigkeiten damit, dass er kleine Betriebe vor Überregulierung schützen wolle.

Governeur von Texas, Greg Abbott
AP/Austin American-Statesman/Mikala Compton
Greg Abbott, republikanischer Gouverneur von Texas

Die Opposition schäumte und sprach von Entmündigung. Sie argumentierte, dass Städte in Texas künftig nicht einmal mehr regeln dürften, dass Arbeitern während einer Hitzewelle Trinkpausen zustehen. Die demokratische Stadtverwaltung von Houston klagte dagegen. Ein Richter gab ihr Recht. Die texanische Regierung ging in Berufung. Derzeit prüft der Oberste Gerichtshof in Austin das Gesetz.

Gerichte als politische Schiedsinstanzen

Viele staatliche Eingriffe landen vor Gericht. Das republikanisch dominierte Parlament in Mississippi hob im Frühjahr ein neues Justizsystem aus der Taufe. Eigens für die Hauptstadt Jackson und parallel zum System der überwiegend von Schwarzen bewohnten Stadt. Die neue Strafjustiz sollte dem Bundesstaat unterstehen, der oberste Richter von Mississippi alle Richter ernennen. Jackson müsse sicherer werden, argumentierte Gouverneur Tate Reeves, ein Republikaner. Die Stadt klagte dagegen und bekam letztlich Recht.

Oberstes Gerichtshof von MIssissippi in Jackson
IMAGO/USA TODAY Network/Barbara Gauntt/Clarion Ledger
Oberster Gerichtshof in Jackson im Bundesstaat Mississippi

Noch unentschieden sind einschlägige Verfahren gegen staatliche Mandate in Nashville (Tennessee) und Kansas City (Missouri). In Nashville wollten die Republikaner es nicht hinnehmen, dass die Stadt sich gegen die Ausrichtung des republikanischen Parteitages im kommenden Sommer aussprach. Sie halbierten kurzerhand die Zahl der Stadträte und entzogen Nashville die Kontrolle über den Flughafen.

Dem Bürgermeister von Kansas City, dem Demokraten Quinton Lucas, wollten die Republikaner im Bundesstaat vorschreiben, ein Viertel des städtischen Budgets für die Polizei zu reservieren. Lucas, ein Schwarzer, sah darin eine politische Kampfansage – und einen Fall von Diskriminierung: „Das ist der Weg, der sicherstellen soll, dass unsere Gemeinden kontrolliert werden und schwarzen Wählern die Selbstbestimmung verwehrt wird, vor allem im Süden und Mittelwesten.“

Bürgermeister von Kansas, Quinton Lucas
AP/Andrew Harnik
Quinton Lucas, demokratischer Bürgermeister von Kansas City, US-Bundesstaat Missouri, bei einer PK im Weißen Haus

Soll Washington intervenieren?

Lucas und andere schwarze Bürgermeister haben sich zusammengeschlossen und wollen sich koordinieren, um Eingriffen der Bundesstaaten wirkungsvoller Paroli bieten zu können. Einer von ihnen, Justin Bibb, der Bürgermeister von Cleveland in Ohio, hat überdies einen Hilfsappell an die US-Regierung gerichtet. „Wenn sie eine wirkliche politische Veränderung sehen wollen“, meinte Bibb, „müssen sie den Städten direkt Geld geben.“

Bei US-Präsident Joe Biden findet ein solcher Gedanke möglicherweise Anklang. Ganz anders aber wäre es mit Sicherheit, sollte Donald Trump die kommende Präsidentenwahl gewinnen. Der Republikaner hat für diesen Fall schon vor Monaten mit einem entschlossenen Vorgehen der Justiz gegen die „radikale Linke“ gedroht, vor allem gegen „die Marxisten“ unter lokal bestellten Staatsanwälten.