Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne)
APA/Eva Manhart
„Griff ins Klo“

Gesundheitsreform lässt Wogen hochgehen

Bevor die Gesundheitsreform der Regierung Mittwochabend im Nationalrat beschlossen worden ist, hat die vorangegangene Debatte die Grenze zwischen Koalition und Opposition offengelegt. ÖVP und Grüne lobten die Reform, während SPÖ, FPÖ und NEOS je nach Sicht die Pläne auseinandernahmen. Darüber hinaus wurden eine Nulllohnrunde für die Spitzenpolitik beschlossen, ein Pflegepaket geschnürt und Anreize für längeres Arbeiten gesetzt.

Eigentlich startet die Debatte über das umfangreiche Gesetz erst später am Mittwoch. Doch schon in der Aktuellen Stunde, die sich um die Gesundheitspolitik drehte, gingen die Wogen hoch. Zu teuer, zu wenig, zu spät, zu zentral, nicht nachhaltig: Die Opposition ließ kein gutes Haar an den Plänen der Regierung.

Während die SPÖ eine Unterfinanzierung des Gesundheitssystems ortete, sah NEOS eine Überfinanzierung und vermisste deshalb echte Reformen. Schon jetzt gebe man zehn Prozent des BIP aus, trotzdem stehe es um die Gesundheit der Bevölkerung schlecht, so der pinkfarbene Klub. Für die FPÖ ist der Regierungsplan im Gesundheitsbereich ohnehin nur „ein Griff ins Klo“, mit der „planwirtschaftlichen Lösung“ riskiere man „das Leben der Österreicher und Österreicherinnen“.

Kucher kritisiert Gesundheitsreform

SPÖ-Klubchef Philip Kucher hat am Mittwoch die Gesundheitsreform der Regierung kritisiert. Es werde zu wenig investiert, sagte er.

Im Gegensatz dazu sprach die ÖVP von einer „historischen Reform“, die Grünen lobten Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), der selbst angab, 80 Prozent seiner Ziele umgesetzt zu haben. „Das ist noch immer 100 Prozent mehr, als die früheren Minister je geleistet haben“, hieß es etwa in einer Stellungnahme. Die ÖVP verwies dann auf die SPÖ, die zahlreiche Gesundheitsminister stellte, aber so eine Reform nie zusammengebracht habe.

Minister versprechen Besserungen

Gesundheitsminister Rauch sagte, dass sein Zugang gewesen sei, eine gute medizinische Versorgung ohne Zusatzversicherung und Kreditkarte abzusichern und das rasch und wohnortnahe: „Genau das machen wir jetzt.“ Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zeigte sich überzeugt, dass man die Qualität in der Versorgung sicherstellen werde. Zudem zitierte er Lob von SPÖ-Landeshauptleuten für Finanzausgleich und Gesundheitsreform.

Finanzminister Brunner verteidigte Pläne

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat im Parlament die Pläne für den Gesundheitsbereich verteidigt. Man werde die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen.

Vor wenigen Tagen wurde die umfassende Reform mit den Stimmen von ÖVP und Grünen im Gesundheitsausschuss angenommen. Aus Regierungssicht werden in den kommenden fünf Jahren rund 14 Milliarden Euro für Gesundheit und Pflege zur Verfügung stehen – durchschnittlich 2,8 Milliarden Euro pro Jahr.

Mit dem Geld sollen mehrere hundert zusätzliche Kassenstellen geschaffen werden, zudem will man Strukturreformen in den Spitälern und digitale Angebote für die Patienten finanzieren.

Pflegepaket geschnürt

In der Pflege werden Gehaltserhöhungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, finanzielle Unterstützungen für Auszubildende und die Förderung der 24-Stunden-Betreuung langfristig gesichert. Dazu wurde am Mittwoch der Pflegefonds aufdotiert. Mit 1,1 Milliarden Euro soll 2024 in etwa doppelt so viel Geld zur Verfügung stehen wie heuer. Zudem ist eine jährliche Valorisierung vorgesehen. Die Gesamtdotierung des Pflegefonds für die Finanzausgleichsperiode 2024 bis 2028 erhöht sich somit auf sechs Milliarden, wobei der Bund zwei Drittel zur Verfügung stellt, den Rest Länder und Gemeinden.

Damit wollen die Regierungsparteien unter anderem eine Fortführung des in den Jahren 2022 und 2023 gewährten Gehaltsbonus für Pflegekräfte und des Ausbildungszuschusses für Pflegeausbildungen in der Höhe von 600 Euro sicherstellen. Außerdem können künftig auch die Kosten für „Community Nursing“ aus Mitteln des Pflegefonds abgedeckt werden. Fortgesetzt wird eine Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung.

CoV-Regeln verlängert

Mit einem im Zuge der Debatte eingebrachten Abänderungsantrag verlängerten die Koalitionsfraktionen außerdem einige Regelungen im Zusammenhang mit CoV, die mit Jahresende ausgelaufen wären, darunter etwa jene Bestimmungen zur Durchführung von Covid-19-Tests im niedergelassenen Bereich, die nun bis Ende März laufen. Das pauschale Honorar für die Abgabe von Coronavirus-Medikamenten erhalten Apotheken nun bis Ende Jänner. Und auch die haushaltsrechtliche Ermächtigung für den Gesundheitsminister zur Verfügung über Covid-19-Impfstoffe wird mit der Änderung weiter bestehen und bis Juni gelten. Für die Ermächtigung über CoV-Arzneimittel ist eine Frist bis Ende April 2024 vorgesehen.

Lange Verhandlungen mit Kompromissen

Die Reform bringt auch die Pflicht zur Diagnosecodierung für die niedergelassenen Ärzte, die Anbindung der Wahlärzte an das E-Card-System und einen Ausbau des Elektronischen Gesundheitsakts (ELGA). Vorgesehen ist zudem eine Plattform zur gemeinsamen Sekundärnutzung von pseudonymisierten Daten aus dem Gesundheitsbereich.

Diese sollen allerdings nur Bund, Ländern und Sozialversicherung zugänglich sein, was auf Kritik aus der Wissenschaft stößt. Weiters wird zur Stärkung der Verhandlungsposition gegenüber der Pharmabranche ein Verhandlungsteam eingerichtet.

Die Gesundheitsreform wurde zusammen mit dem Finanzausgleich verhandelt. Die Gespräche von Bund, Ländern und Gemeinden zogen sich über Monate, am Ende mischten auch die Österreichische Gesundheitskasse und die Ärztekammer mit. Letztere hatte mit einer Entmachtung gerechnet, die aber nicht in der Form gekommen ist wie von Minister Rauch angekündigt.

Nulllohnrunde für Spitzenpolitik

Am Mittwoch wurde im Nationalrat auch die Nulllohnrunde für die Spitzenpolitik abgesegnet. Wären die Gehälter an die Teuerung angepasst worden, hätten sie um 9,7 Prozent steigen müssen. Abgeordnete des Nationalrats und Mitglieder des Bundesrats erhalten die halbe Inflationsanpassung und damit eine Bezugserhöhung von 4,85 Prozent. Beschlossen wurde außerdem der Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst. Die Gehälter der Beamten steigen 2024 zwischen 9,15 und 9,71 Prozent.

Kritik kam von FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der die Ausdehnung der Nulllohnrunde auf die Länder forderte. Auch in von der FPÖ mitregierten Bundesländern wird es jedoch keine Nulllohnrunde geben.

„Dringliche“ Bildungsdebatte

NEOS nutzte den Plenartag für eine Dringliche Debatte nach dem eher durchschnittlichen Abschneiden der österreichischen Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Bildungsvergleichsstudie. Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger bewarb in der Begründung des Antrags Maßnahmen wie echte Schulautonomie, Demokratiebildung sowie ein transparentes System mit Vergleichbarkeit der Leistungen. „Wir schaffen weder Exzellenz noch Gerechtigkeit“, so Meinl-Reisinger.

Polaschek in Kritik

Im Parlament kam es nach den Ergebnissen der PISA-Studie zu Debatten über Österreichs Bildungssystem. Besonders die Kritik an ÖVP-Bildungsminister Polaschek wird immer lauter.

Kritik kam auch von den anderen Oppositionsparteien. Bildung werde nach wie vor vererbt, bemängelte die stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Eva-Maria Holzleitner. Sie plädierte für eine gemeinsame Schule. Hermann Brückl (FPÖ) verwies auf eine seines Erachtens verfehlte Integrationspolitik, Kinder, die dem Unterricht wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht folgen könnten, sowie den Lehrermangel und ein Übermaß an Bürokratie an Schulen.

ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek bilanzierte in seiner Replik hingegen zufrieden und lobte die im Finanzausgleich zusätzlich vereinbarten Mittel für die Elementarpädagogik und diverse Vorhaben im Schulbereich. Auch die Bekämpfung des Lehrkräftemangels sei Teil seiner Schwerpunkte. Die grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann lobte die Forcierung der Elementarpädagogik auf Bundesebene – u. a. sollen 4,5 Milliarden Euro bis 2030 in deren Ausbau investiert werden – und die geplante Übernahme der Freizeitpädagogen in den öffentlichen Dienst.

Anreize für längeres Arbeiten

Ebenso am Mittwoch unter Dach und Fach gebracht wurden Anreize für längeres Arbeiten. Mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen wurde damit etwa ein höherer Pensionszuschlag für jene Menschen, die über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten. Das werde auch zunehmend gewünscht, so Rauch in seiner Funktion als Sozialminister.

Dieser jährliche Bonus wird von 4,2 auf 5,1 Prozent erhöht und kann maximal drei Jahre lang bezogen werden. Der Bund wird – vorerst für zwei Jahre befristet – außerdem einen Teil der Pensionsbeiträge von Beschäftigten übernehmen, die neben der Pension erwerbstätig sind. Sie müssen nur für jenen Teil des Zuverdiensts Pensionsbeiträge leisten, der über der doppelten Geringfügigkeitsgrenze liegt – 2024 sind das voraussichtlich rund 1.037 Euro. Es werde ein Schritt gesetzt, um die Übergangsphase vom Erwerbs- ins Pensionsleben flexibler zu gestalten, meinte Rauch.