israelische Soldaten bereiten sich auf ihren Einsatz im Gazastreifen vor
AP/Ohad Zwigenberg
Nach UNO-Resolution

Israel will Krieg auch ohne Hilfe fortsetzen

Israel wird seinem Außenminister Eli Cohen zufolge den Krieg gegen die Hamas auch ohne internationale Unterstützung fortsetzen und lehnt eine Waffenruhe zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Die UNO-Generalversammlung hatte sich am Dienstag mit großer Mehrheit für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand ausgesprochen. Österreich stimmte dagegen.

„Israel wird den Krieg gegen die Hamas mit oder ohne internationale Deckung fortsetzen“, sagte Cohen am Mittwoch. „Ein Waffenstillstand in der jetzigen Phase ist ein Geschenk an die Terrororganisation Hamas und wird es ihr ermöglichen, zurückzukehren und die Bewohner Israels zu bedrohen.“ Cohen forderte die internationale Gemeinschaft auf, „effektiv und aggressiv“ zu handeln, um die globalen Schifffahrtswege zu schützen.

UNO für Waffenstillstand

Am Vortag hatte sich die UNO-Generalversammlung für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand ausgesprochen. 153 Mitgliedsländer stimmten für die Resolution, 23 enthielten sich. Zehn Staaten stimmten dagegen, darunter die USA und Israel. Auch Österreich stimmte dagegen, nachdem ein Änderungsantrag gescheitert war.

Österreich wollte in der Resolution festgehalten wissen, dass die Hamas für die Geiselnahmen Unschuldiger verantwortlich ist. Der Antrag fand ebenso wie ein Änderungsantrag der USA nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit. Die USA wollten festhalten, dass die Angriffe der Hamas und deren Geiselnahmen verurteilt werden.

„Erneut ist die Generalversammlung nicht in der Lage, die Dinge beim Namen zu nennen. Deshalb stimmte Österreich gegen die Resolution“, schrieb das Außenministerium auf X (Twitter). Österreichs Abänderungsantrag habe darauf abgezielt, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass noch immer über 100 unschuldige Kinder, Frauen und Männer in Gaza gefangen gehalten und von der Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht werden, so das Ministerium in einer weiteren Stellungnahme.

„Zeichen der Schande“

Die Berichte der freigelassenen Geiseln über das Erlebte seien erschütternd und zeigten die menschenverachtende Barbarei, mit der die Hamas vorgehe. Dass in der UNO der politische Wille fehlt, diese grausame Realität zu benennen, sei ein Schlag ins Gesicht aller Opfer und ihrer Angehörigen.

der israelische Außenminister Eli Cohen
APA/AFP/Pierre Albouy
Außenminister Eli Cohen

Auch Cohen kritisierte die Resolution scharf. „Die Hamas, eine Terrororganisation, deren Terroristen an einem Tag 1.200 Menschen massakrierten, Frauen vergewaltigten, Holocaust-Überlebende entführten und Familien niederbrannten, gratuliert den Vereinten Nationen“, schrieb er. Das Votum sei „ein Zeichen der Schande“.

Resolutionen der Generalversammlung sind nicht bindend, spiegeln aber die Sicht der Mehrheit der Staaten wider. Der Text der neuen Resolution entspricht dem, der in der vergangenen Woche im 15-köpfigen UNO-Sicherheitsrat von den USA blockiert worden war. In der Generalversammlung hat aber kein Land ein Vetorecht.

Die Resolution forderte auch die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und die Einhaltung des Völkerrechts durch die Kriegsparteien – insbesondere in Bezug auf den Schutz der Zivilbevölkerung.

Gaza: Flutung des Tunnelsystems möglich

Die Kämpfe zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen dauern an. Israel soll eine Flutung des verzweigten Tunnelsystems in Gaza in Erwägung ziehen.

Kritik der Palästinenser

Der Botschafter der Palästinensergebiete in Wien, Salah Abdel Schafi, kommentierte das Abstimmungsverhalten Österreichs am Mittwoch folgendermaßen: „Mit Bestürzung haben wir die Entscheidung Österreichs, gegen die Resolution zu stimmen, zur Kenntnis genommen. Österreich, das die Neutralität in der Verfassung verankert hat und das ein Gastland für die Vereinten Nationen und internationale Organisationen ist, stimmt angesichts einer unfassbaren humanitären Katastrophe gegen einen sofortigen Waffenstillstand.“ Damit gehöre Österreich zu einer schwindenden Minderheit in der Welt, die gegen das humanitäre Völkerrecht eintrete.

Seitens der SPÖ übte die Nationalratsabgeordnete und außenpolitische Sprecherin Petra Bayr Kritik: „Um zur Linderung dieser katastrophalen humanitären Situation beizutragen, ist ein humanitärer Waffenstillstand erforderlich.“ Dass sich die Bundesregierung dagegengestellt habe, sei beschämend.

Hunderte Ziele angegriffen

Dass sich Israel durch die Resolution nicht beeinflussen lässt, zeigte sich bereits am Mittwoch. Eigenen Angaben zufolge griff die israelische Armee innerhalb eines Tages mehr als 250 Stellungen im Gazastreifen an. Extremistische Palästinenser feuerten am Mittwoch erneut Raketen Richtung Israel. In Grenzorten nahe dem Gazastreifen wurde Armeeangaben zufolge Raketenalarm ausgelöst.

Die israelischen Luftstreitkräfte griffen zudem Stellungen der vom Iran unterstützten Schiitenmiliz Hisbollah im Nachbarland Libanon an. Als Reaktion auf Beschuss aus Syrien feuerten israelische Flugzeuge und Panzer zudem auf Stellungen der syrischen Streitkräfte.

Hanija: Keine Regelung ohne Hamas

Die Hamas sieht eigenen Angaben zufolge jede Vereinbarung ohne die Palästinenser-Gruppe als Illusion. „Wir sind offen für jede Idee oder Initiative, die die (israelische) Aggression beenden und die Tür öffnen könnte, um das palästinensische Haus sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen in Ordnung zu bringen“, sagte Hamas-Chef Ismail Hanija in einer Fernsehansprache. Hanija gilt als Chef der Auslandsorganisation der Hamas, die Entscheidungen trifft aber die Führung der Terrorgruppe rund um Jahja Sinwar in Gaza.

Tunnel sollen geflutet werden

In ihrem Kampf gegen die Hamas testen die israelischen Streitkräfte laut Berichten von US-Medien die Flutung der Tunnel der Hamas im Gazastreifen. Es werde Meerwasser in einige Tunnel gepumpt, um herauszufinden, ob sich die Methode zur großflächigen Zerstörung des unterirdischen Systems eigne. Israel habe den USA mitgeteilt, dass nur Tunnel geflutet würden, in denen keine Geiseln vermutet würden.

US-Präsident Joe Biden sagte am Dienstag dazu: „Es ist sehr schwierig, was die Flutung der Tunnel angeht: Es wird behauptet, dass es ganz sicher keine Geiseln in diesen Tunneln gibt. Aber das weiß ich nicht mit Sicherheit.“ Dann fügte er hinzu: „Was ich sicher weiß: Jeder Tod von Zivilisten ist eine absolute Tragödie.“

Ungewöhnlich scharfe Kritik aus Washington

Biden hatte zuvor Israel ungewöhnlich deutlich kritisiert. Israel verliere zudem wegen wahlloser Bombardierung des Gazastreifens an Unterstützung, so Biden. Er sprach der israelischen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auch die Bereitschaft zu einer Zweistaatenlösung ab. „Das ist die konservativste Regierung in der Geschichte Israels“, sagte Biden. Diese Regierung „will die Zweistaatenlösung nicht“.

UNRWA-Chef schildert Lebensmittelmangel

Unterdessen lässt nach Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch Katar ein Feldkrankenhaus zur Behandlung Verwundeter im Gazastreifen errichten. In dem Lazarett mit 50 Betten solle es unter anderem einen Operationssaal, eine Intensivstation, ein Labor und eine Apotheke geben, teilten der Palästinensische und der Katarische Rote Halbmond am Dienstagabend mit. Wann das Feldkrankenhaus in Rafah im Süden in Betrieb gehen soll, stand nicht fest.

Im Gazastreifen gehen inzwischen zudem die Nahrungsmittel aus. Bei der Ankunft eines Lastwagens mit Hilfsgütern brach am Mittwoch Chaos aus, wie der Chef des UNO-Hilfswerks für Palästinensische Geflüchtete (UNRWA), Philippe Lazzarini, in Genf sagte. Er habe mit eigenen Augen verzweifelte Menschen gesehen, die direkt auf der Straße Säcke aufrissen, um das wenige Essen zu verschlingen, das sie ergattern konnten, schilderte Lazzarini die Lage.

Laut Hamas-Angaben wurden im Gazastreifen inzwischen 18.608 Menschen bei israelischen Angriffen getötet und über 50.000 verletzt. Die Hamas hatte am 7. Oktober ein beispielloses Massaker auf israelische Zivilistinnen und Zivilisten verübt. Bei dem Überfall wurden nach israelischen Angaben rund 1.200 Menschen getötet.