Sehr viele 100-Euro-Banknoten
Reuters/Leonhard Foeger
Fiskalrat

Eindringliche Mahnung zu Puffern im Budget

Der heimische Fiskalrat analysiert in seinem neuen Jahresbericht die öffentlichen Finanzen und gibt der Politik Empfehlungen. Diese sind heuer umfangreich, denn das Gremium unter Christoph Badelt rechnet bis 2027 mit hohen Budgetdefiziten. Es seien dringend, Spielräume für mögliche neue Krisen zu schaffen, so die Forderung.

Das Ritual des Fiskalrates, dem die Analyse der öffentlichen Finanzen und die Überwachung der Fiskalregeln obliegt, ist bekannt: Im Jahresbericht wird dem Finanzminister ausgerichtet, was zu tun wäre. In den jüngsten Jahren waren die Empfehlungen ähnlich: Die Budgetsituation ist angespannt, es müssen Spielräume geschaffen werden. So auch dieses Jahr, denn der Ausblick ist minder optimistisch.

Eine „rasche Verbesserung der Krisenresilienz und Wiederherstellung einer nachhaltigen Budgetsituation“ sei unerlässlich, so der Rat am Donnerstag bei der Präsentation des Berichts. Badelt und sein Büroleiter Bernhard Grossmann mahnten zu dringenden Strukturreformen, zum Aufbau budgetärer Puffer für zukünftige Krisen und zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen.

„Wir werden langfristig nicht nur Investitionen brauchen, um den Klimawandel kleinzuhalten, sondern auch Vorsorge treffen müssen für die Beseitigung von Folgen des Klimawandels“, so Badelt. Weitere Strukturreformen seien etwa in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Pensionen, Bildung und Arbeitsmarkt nötig.

Wahlzuckerln befürchtet

Der Fiskalrat erwartet jedoch trotz der auslaufenden Krisenunterstützungen weiterhin hohe Defizite. Ebenso gehe die Staatsschuldenquote mittelfristig nur leicht zurück und bleibe auch deutlich über dem Vorkrisenniveau von 2019. Diese hohen Budgetdefizite seien nicht gerechtfertigt und entstünden „vor allem aus einem weiteren deutlichen Anstieg der Staatsausgaben“, hieß es. Dementsprechend empfahl das Gremium eine „rasche Rückkehr“ auf einen „ambitionierten, nachhaltigen Budget- und Verschuldungspfad“.

Für das Superwahljahr 2024 warnte der Rat daher schon jetzt vor dem Verteilen von Wahlzuckerln. Im Vorfeld der Nationalratswahl im Herbst 2024 sei darauf zu achten, dass zusätzliche Ausgabenpakete vermieden und allenfalls gegenfinanziert werden. Grossmann verwies auch darauf, dass von der Regierung erst in dieser Woche neu angekündigte Maßnahmen, etwa die Verlängerung der Strompreisbremse, noch gar nicht in den Prognosen enthalten seien. „Man soll auch nicht vergessen, dass wir in einem Vorwahljahr sind“, sagte Badelt.

Fiskalrat rügt Regierung

Der Fiskalrat übt deutliche Kritik an der Regierung, denn die Budgetdefizite seien zu hoch, und sie seien durch die derzeitige wirtschaftliche Lage nicht zu rechtfertigen.

Zusätzliche Ausgaben programmiert

Für das heurige Jahr erwartet der Fiskalrat ein Defizit von 2,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP), das bis 2027 auf 1,9 Prozent sinken werde. Zwar sei die budgetäre Belastung durch krisenbedingte Maßnahmen rückläufig, bleibe aber dennoch weiterhin hoch, heißt es laut der Prognose. Eine stärkere Verbesserung des Budgetsaldos bis 2027 werde durch zusätzliche Ausgaben im Bereich Landesverteidigung, Klimaschutz, Pflege und Gesundheit verhindert. Außerdem gehe die Einnahmendynamik durch die Abschaffung der kalten Progression und die ökosoziale Steuerreform (in Kombination mit einem verhaltenen realen BIP-Wachstum) zurück.

Das Budgetdefizit, das 2020 laut Fiskalrat noch bei einem Minus von 8,0 Prozent des BIP lag, verkleinerte sich demnach 2021 auf 5,8 Prozent des BIP und 2022 auf 3,5 Prozent. In den fünf Jahren von 2023 bis 2027 sieht der Rat hingegen nur eine langsame Verbesserung von minus 2,5 auf minus 1,9 Prozent. Zum Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2019 gab es einen positiven Budgetsaldo von 0,6 Prozent des BIP.

Grafik zur Budgetprognose bis 2027
Grafik: APA/ORF; Quelle: Fiskalrat

Schuldenquote will nicht zurückgehen

Die Staatsschuldenquote geht laut der Prognose bis zum Jahr 2027 trotz hohem nominellem BIP-Wachstum nur leicht auf 73,6 Prozent des BIP zurück – und bleibt deutlich über dem Vorkrisenniveau von 2019 (70,6 Prozent). Für 2023 rechnet der Fiskalrat mit einer öffentlichen Verschuldung von 76,4 Prozent des BIP.

Es sei eine nachhaltige Rückführung der hohen Budgetdefizite und gesamtstaatlichen Verschuldungsquote notwendig, um in zukünftigen Krisen handlungsfähig zu bleiben. Derzeit komme Österreich – „ohne Wirtschaftskrise, sogar mit leichtem Wachstum“ – von einem Defizit, das laut Finanzministerium bei 2,7 Prozent liege, nicht weg. „Und selbst wir, die wir einen optimistischeren Budgetpfad sehen, bleiben bei nahezu zwei Prozent Defizit im Jahr 2027“, so Badelt.

„Einnahmen und Ausgaben passen nicht zusammen“

Das sei eine Fiskalpolitik, „die konjunkturpolitisch nicht gerechtfertigt werden kann“, sondern durch zusätzliche Ausgaben und in Kombination mit bereits beschlossenen Neuerungen wie der Abschaffung der kalten Progression begründet sei. „Einnahmen und Ausgaben passen nicht zusammen“, so Badelt, die Fiskalpolitik sei „nicht nachhaltig und nicht krisenresilient“.

Der Jahresbericht

Der Jahresbericht über die öffentlichen Finanzen, heuer betrifft er die Jahre 2022 bis 2027, sowie die Empfehlungen werden an den Finanzminister übermittelt und im Budgetausschuss des Nationalrats behandelt.

Österreich würde in einer weiteren Krise laut der aktuellen Prognose des Finanzministeriums etwa im Jahr 2025 mit einem Defizit von 2,8 (laut Berechnung des Fiskalrates 2,3 Prozent) beginnen, sagte der Präsident. „Die Covid-Krise haben wir mit einem ausgeglichenen Budget begonnen“, verwies Badelt auf die Daten von 2019.

Auch sieht der Rat den zu erwartenden hohen zusätzlichen Finanzierungsbedarf in den Budgetplänen der Bundesregierung trotz hoher geplanter Defizite noch nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser werde insbesondere durch die demografische Entwicklung sowie den notwendigen grünen und digitalen Wandel verursacht. Genau deshalb gelte es, die dafür notwendigen budgetären Spielräume im Rahmen eines Gesamtkonzepts zu schaffen.

Vorbildwirkung wird vermisst

Gefordert sieht der Rat die Regierung auch darin, sich auf europäischer Ebene für Fiskaldisziplin durch geeignete Fiskalregeln einzusetzen. Diese müsse Österreich aber auch im Rahmen der heimischen Budgetplanung entsprechend vorleben. So verwies der Fiskalrat darauf, dass das Maastricht-Defizit über den gesamten Prognosezeitraum nur knapp unter der Obergrenze von drei Prozent des BIP bleibt. Darüber hinaus entspreche die langsame Rückführung der Schuldenquote ab 2026 nicht den aktuell gültigen Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

Kritik übte der Fiskalrat auch daran, dass die Zielvereinbarungen im Rahmen des Finanzausgleichs nicht bindend ausgestaltet wurden. „Verfehlungen haben damit keine Konsequenzen.“ Eine Stärkung der Zielorientierung im Finanzausgleich würde ein „transparentes, öffentlich zugängliches Monitoring“ erfordern.

Kritik an Regierung

Die Empfehlungen des Rats zogen am Mittwoch bald Reaktionen nach sich. „ÖVP und Grüne haben Österreich sehenden Auges mitten in einen Schuldensumpf manövriert. Es ist das Schicksal der nächsten Generationen, sich und das Land hier wieder mühevoll rauszuziehen“, so NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. Er forderte, strukturelle Reformen anzugehen, etwa im Pensionssystem.

Ähnlich reagierte die Junge Wirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Bei den Pensionen bestehe dringender Handlungsbedarf, so Bundesvorsitzende Bettina Dorfer-Pauschenwein.