Vladimir Putin
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Putin-Jahrespressekonferenz

Frieden nach „Entmilitarisierung“ der Ukraine

Der russische Präsident Wladimir Putin hält an den Zielen seines Angriffskrieges gegen die Ukraine fest und gibt keine Signale für ein baldiges Ende der Kämpfe. „Es wird Frieden herrschen, wenn wir unsere Ziele erreicht haben“, sagte Putin am Donnerstag in seiner Jahrespressekonferenz in Moskau, bei der Russen und Russinnen auch Fragen stellen konnten.

Putin, der das Land seit mehr als einem Vierteljahrhundert führt, nutzt das Format immer wieder, um sich als Kümmerer und Problemlöser darzustellen. Bereits im Voraus hatten Staatsmedien berichtet, dass mehr als 1,5 Millionen Fragen an Putin eingereicht worden seien.

Es ist das erste Mal seit Beginn der Invasion in die Ukraine, dass sich Putin in einem solchen TV-Format äußert. Der Kreml-Chef will sich am 17. März zum fünften Mal zum Präsidenten wählen lassen. Dafür hatte er eigens die Verfassung ändern lassen, die zuvor eine Amtszeitbeschränkung enthalten hatte.

Vladimir Putin im TV-Studio
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Ein Blick in das Fernsehstudio – Wladimir Putin in der Mitte

„Entnazifizierung und Entmilitarisierung“ der Ukraine

Bei Putins Pressekonferenz stand der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt. Russland wolle mit seiner im Februar 2022 gestarteten Offensive weiterhin „die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine und ihren neutralen Status“ erreichen, so Putin.

Die Ukraine sei nicht zu Verhandlungen über eine Entmilitarisierung bereit, sagte Putin. Russland sei daher „gezwungen, andere Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich militärischer Maßnahmen“. Russland hat allerdings entgegen Putins Aussagen nie ein ernsthaftes Verhandlungsangebot an die Ukraine gemacht.

Putin hält an Kriegszielen fest

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die militärischen Ziele Moskaus im Ukraine-Konflikt bekräftigt. „Es wird Frieden geben, wenn wir unsere Ziele erreicht haben“, sagte Putin bei seiner Pressekonferenz zum Jahresabschluss in Moskau.

„617.000 Soldaten“ in der Ukraine im Einsatz

Der Kreml-Chef sagte weiter zur Lage an der Front, die russische Armee verbessere ihre Positionen „praktisch auf der gesamten Länge der Kontaktlinie“. Die Ukraine hatte im Juni eine Gegenoffensive gestartet, die jedoch nicht die von Kiew erhofften Erfolge brachte. Der Frontverlauf veränderte sich in diesem Jahr kaum.

Nach Angaben des russischen Präsidenten sind derzeit 617.000 russische Soldaten in der Ukraine im Einsatz. Putin sagte, dass für den Krieg keine neue Teilmobilmachung nötig sei. Die Zahl der Freiwilligen werde bis Jahresende bei einer halben Million Vertragssoldaten liegen, täglich kämen 1.500 hinzu. Putin erwähnte unterdessen lobenswert, dass die nach der umstrittenen Teilmobilmachung im vergangenen Jahr eingezogenen Soldaten hervorragende Ergebnisse hervorbrächten. „Sie kämpfen ausgezeichnet.“ Bisher hätten sich rund 486.000 Freiwillige beim Militär verpflichtet, zusätzlich zu den 300.000 Soldaten, die im vergangenen Jahr bei der Teilmobilmachung eingezogen worden seien. Und „der Zustrom nimmt nicht ab“, so Putin. Putins Angaben sind allerdings nicht überprüfbar.

Vladimir Putin vor Pressevertretern
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Putin antwortet auf ausgewählte Fragen

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte unterdessen im Zuge der Putin-Rede, dass Putin andere Länder angreifen könnte, wenn die militärische Unterstützung des Westens für Kiew nachlasse. „Wenn Putin in der Ukraine gewinnt, besteht die reale Gefahr, dass seine Aggression dort nicht aufhört“, sagte Stoltenberg in Brüssel. „Unsere Unterstützung ist keine Wohltätigkeit. Sie ist eine Investition in unsere Sicherheit.“

Carola Schneider über die Pressekonferenz Putins

ORF-Korrespondentin Carola Schneider spricht über die Aussagen des russischen Präsidenten zu den Zielen Russlands in der Ukraine.

Auch Putin setzt auf KI

Putin hat sein Land dazu aufgerufen, „voreingenommenen“ westlichen Chatbots mit eigener Technologie Konkurrenz zu machen. Es sei „unmöglich“, künstliche Intelligenz (KI) zu stoppen, sagte Putin. „Das bedeutet, das wir darin führend sein sollten.“

Putin hatte wiederholt gefordert, die russische Abhängigkeit von westlicher Technologie zu beenden. Seine Regierung wies er an, die Entwicklung von KI und Großrechnern zu fördern.

Das Problem der russischen Statistik

Trotz der westlichen Sanktionen legte Russlands Wirtschaft nach Angaben von Putin zu. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in diesem Jahr um 3,5 Prozent steigen, sagte Putin am Donnerstag bei seiner landesweit übertragenen Pressekonferenz und Bürgersprechstunde. Zwar räumte er ein, dass die Inflation mit einem Wert zwischen 7,5 und acht Prozent über dem selbst gesteckten Ziel liege. Doch gab sich Putin optimistisch, dass die Preissteigerungen im nächsten Jahr geringer ausfallen würden.

Nach Angaben Putins seien auch die Reallöhne trotz der Inflation um acht Prozent gestiegen. Die russische Volkswirtschaft habe eine unerwartet hohe Widerstandskraft bewiesen, die es dem Land erlaube, trotz des westlichen Drucks auf Wachstumskurs zu bleiben, so Putin. Er erwähnte nicht, dass das Wachstum besonders auf die Kriegswirtschaft und Rüstungsproduktion zurückgeht. Experten betonten immer wieder, dass es sich nicht um ein natürliches oder gesundes Wachstum handle.

Die statistischen Daten in Russland sind aufgrund häufig wechselnder Berechnungsmethoden nur schwer überprüfbar. In die Berechnung der angeblich gestiegenen Einkommen etwa fließen auch die hohen Soldzahlungen für die an Russlands Angriffskrieg beteiligten Militärs in der Ukraine ein. Die Zahlungen liegen um ein Vielfaches über dem durchschnittlichen Einkommen.

Putin will in USA verurteilte Russen freibekommen

Putin bestätigte auch die Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen mit Washington über die Freilassung wegen Spionage in Russland inhaftierter US-Bürger. „Wir wollen eine Einigung erzielen“, so Putin. „Diese Vereinbarungen müssen für beide Seiten akzeptabel sein.“

Putin reagierte damit auf eine Frage zur möglichen Freilassung des inhaftierten US-Korrespondenten Evan Gershkovich und des wegen Spionage verurteilten Paul Whelan. Moskau verlangt von den USA im Gegenzug die Übergabe russischer Gefangener. Russland hat so in den USA verurteilte Schwerverbrecher immer wieder freibekommen.