Demonstrierende Handel-Angestellte
APA/Matthias Bliem-Sauermann
Handels-KV

Warnstreiks vor sechster Verhandlungsrunde

Am Freitagnachmittag startet die sechste Verhandlungsrunde für einen neuen Handelskollektivvertrag. Das Angebot der Arbeitgeber für eine Erhöhung der Gehälter um acht Prozent ohne soziale Staffelung hatte die Gewerkschaft bei der fünften KV-Runde nicht akzeptiert. Im Vorfeld setzte die Gewerkschaft ihre Warnstreiks stundenweise fort.

Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von rund 430.000 Angestellten und Lehrlingen. Es ist der größte Branchenkollektivvertrag in Österreich. Die Gewerkschaft pocht auf ein Plus von 9,4 Prozent. Die rollierende Inflation von Oktober 2022 bis September 2023 lag bei 9,2 Prozent.

Sollte es in den nächsten Tagen zu keiner Einigung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern kommen, will die Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) eine Empfehlung für „eine nachhaltige Gehaltserhöhung“ an die Unternehmen abgeben.

Gewerkschaft fürchtet Schaden für Sozialpartnerschaft

Eine Empfehlung habe „keinerlei rechtliche Verbindlichkeit und würde einem bewährten System der sozialpartnerschaftlichen Gehaltsfindung, das wesentlich zum Erfolg der österreichischen Wirtschaft beigetragen hat, mutwillig großen Schaden zufügen“, kritisierte zuletzt die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Helga Fichtinger.

WKO-Handelsobmann Rainer Trefelik sieht die Einhaltung der Benya-Formel wie berichtet als bereits „mehr als erfüllt“ an, weil die Produktivität und die Umsätze im Handel rückläufig seien. Bei der Benya-Formel sind die Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate plus das durchschnittliche Produktivitätswachstum Ziel des Ausgleichs in den Kollektivvertragsverhandlungen.

Sieben Prozent Plus im Vorjahr

Im Vorjahr lag die als Verhandlungsbasis für den Handels-KV herangezogene rollierende Inflation bei 6,9 Prozent. Nach fünf Verhandlungsrunden und einer Streikdrohung einigten sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter auf ein Gehaltsplus von 7,0 Prozent und mindestens 145 Euro ab 1. Jänner 2023.

Damit belief sich die durchschnittliche Erhöhung der Gehälter laut Gewerkschaft auf 7,3 Prozent. Bei den Mindestgehältern betrug die Erhöhung bis zu 8,7 Prozent. Das Vollzeiteinstiegsgehalt für Handelsangestellte liegt seitdem bei monatlich 1.945 Euro brutto (1.535 Euro netto).

Warnstreiks und Aktionen fortgesetzt

Die Gewerkschaft setzte ihre Warnstreiks am Donnerstag fort. Stundenweise Arbeitsniederlegungen und öffentliche Aktionen gab es unter anderem bei dm, Bipa, Lidl, Hofer und Eurospar.

Laut Handelsverbandschef Rainer Will seien die Aktionen während des Weihnachtsgeschäfts nicht optimal, wenngleich die Umsätze davon bisher kaum beeinflusst worden seien. „Kaum heißt aber nicht gar nicht.“ Der Konflikt müsse von der Straße zurück auf den Verhandlungstisch verlagert werden. Angesichts der derzeitigen Lage im Handel mit Umsatzrückgängen, Insolvenzen und Schließungen sei das aktuelle Angebot bereits sehr hoch. „Sonst bleibt nur der Konkurs oder die Schließung im Stillen“, sagte der Interessenvertreter.

Schon jetzt würde ein Drittel der Händler für 2024 einen Personalabbau planen, um die wirtschaftliche Existenz abzusichern, räumte Will ein. „Wir müssen einen Kompromiss erzielen und können keine Massenkonkurse riskieren.“ Will verwies auf Zahlen des Gläubigerschutzverbands KSV1870, laut dem der Handel heuer die Insolvenzstatistik mit 1.003 Pleiten anführt.

Keine Einigung auch beim KV für Handelsarbeiter

Bei den Verhandlungen für den Kollektivvertrag für die rund 150.000 Handelsarbeiterinnen und -arbeiter wurde die zweite Runde am Donnerstag ebenfalls ohne Ergebnis beendet. „Nach ganztägigen intensiven Verhandlungen haben uns die Arbeitgeber ein Angebot in Höhe von acht Prozent vorgelegt. Das war zu wenig und hat nicht einmal die den Verhandlungen zugrundeliegende rollierende Inflation in Höhe von 9,2 Prozent abgedeckt. Wir fordern eine Stärkung der Kaufkraft der Beschäftigten in Form eines fairen Anteils am Produktivitätszuwachs“, so Christine Heitzinger, Vorsitzende des Fachbereichs Dienstleistungen in der Gewerkschaft vida und vida-KV-Verhandlungsleiterin.

Schon am Dienstag fanden Betriebsversammlungen statt, nun will die Gewerkschaft über die Vorbereitung von Kampfmaßnahmen beraten. „Im Handel arbeiten überwiegend Frauen als Teilzeitkräfte. Gerade sie sind auf jeden Euro und somit faire Lohnerhöhungen über der Teuerung angewiesen. Während der Pandemiejahre wurden die Handelsarbeiter:innen als systemrelevant beklatscht und die Handelsbetriebe haben sich mit den kraftraubenden Leistungen der Beschäftigten die Taschen gut gefüllt“, so Heitzinger abschließend.