Thomas Schmid im Landesgericht für Strafsachen
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Prozess-Aussage

Schmid bleibt bei Widerspruch zu Kurz

Der ehemalige ÖBAG-Chef Thomas Schmid ist am Freitag im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussage weiter als Zeuge befragt worden. Er beharrte gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) darauf, dass Kurz in Personalfragen rund um Besetzungen wichtiger Posten wie bei der Staatsholding ÖBAG stark involviert war – im Gegensatz zu Kurz’ eigener Darstellung.

Die Anklage wirft Kurz vor, er habe vor dem U-Ausschuss im Zusammenhang mit der Personalpolitik der ÖBAG falsch ausgesagt. Kurz sagte damals wie heute, dass er informiert, aber nicht involviert gewesen sei. Schlüsselzeuge Schmid pochte wie am ersten Tag seiner Einvernahme am Montag darauf, dass Kurz breit informiert und auch involviert war. Er selbst habe Kurz immer wieder upgedatet.

Der Zeuge wiederholte auch gegenüber dem Richter seine Angaben vom Montag, dass es eine enge Abstimmung des Finanzministeriums mit dem Bundeskanzleramt gab, nicht nur in Budgetfragen. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) habe das Bundeskanzleramt ebenfalls immer wieder eingebunden. Laut Schmid war im Bundeskanzleramt Kurz’ Kabinettschef Bernhard Bonelli der wichtigste Ansprechpartner in Sachen ÖBAG wie auch in Personalfragen.

Thomas Schmid im Landesgericht für Strafsachen
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Schmid versteckte sich am Freitag nicht so stark vor den Medien

Schmid: Kurz an Staatsbeteiligungen sehr interessiert

Kurz habe sich sehr stark für die Beteiligungen des Staats an Unternehmen interessiert, so Schmid, das sei auch richtig, schließlich handle es sich um große Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen. Schon 2017 habe Kurz zu ihm, Schmid, gesagt, dass dieser eine Rolle bei der Errichtung der neuen Staatsholding ÖBAG haben solle.

Derartige Dinge könne man nicht ohne Absprache oder Rückendeckung machen, so Schmid, auch in Bezug auf eine Nachricht von Kurz: „Sollten eh auch über ÖBIB und so reden“, hieß es etwa. Schmid fragte selbst bei Kurz bei Terminen zur ÖBAG an. Schmid hatte im Vorfeld der Gespräche mit der FPÖ von Kurz auch dessen „Erwartungshaltung“ wissen wollen, so ein Chat, den die WKStA dem Zeugen vorlegte. Kurz lobte Schmid darin ausdrücklich: „Du machst das echt großartig“, mit einer Folgefrage zur Geschäftsordnung.

Sebastian Kurz im Wiener Straflandesgericht
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Kurz und seine Verteidigung, im Bild rechts Anwalt Otto Dietrich

„Erwartungshaltung“ abgefragt

Gegenüber einem Freund schrieb Schmid bereits 2017, dass er die neue Staatsholding übernehmen soll. Laut Schmid wurde er von Kurz explizit gefragt, ob er die Leitung der späteren ÖBAG übernehmen will. Es sei auch immer klar gewesen, dass die ÖBAG eine Aktiengesellschaft werden soll, widersprach Schmid anderen Angaben, unter anderen von Kurz. Auch sei er, entgegen Angaben vonseiten Kurz, nicht an der Führung der ÖBIB interessiert gewesen, so Schmid auf Nachfrage.

Die WKStA legte eine Reihe von Nachrichten von Schmid an Kurz vor, in denen dieser zur ÖBAG reden wollte. Auf Nachfrage erklärte Schmid, dass es in den Nachrichten gegen Ende 2018 vor allem um die Besetzung „der ganzen Aufsichtsratssitze“ ging, diese sollten stark und unterstützend sein, sagte Schmid aus. Kurz habe immer wieder gesagt, dass er dafür noch Zeit benötige.

Staatsanwalt Gregor Adamovic und Staatsanwalt Roland Koch
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Die Staatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic fragten bei Schmid viele seiner Aussagen ab

Namen für Aufsichtsräte teilweise vorgegeben

Die WKStA wollte auch wissen, wie die Nominierung der Aufsichtsräte durch das Nominierungskomitee 2018 vonstatten ging. In dem Komitee saßen der damalige Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) und Löger, auf ausdrücklichen Wunsch von Kurz, sagte Schmid. Rund um die Nominierungsrunden gab es laut Schmid rege Kommunikation.

Namen seien dabei auch vorgegeben bzw. abgestimmt worden, etwa die Verlängerung von Walter Rothensteiner bei der CASAG. Das sei eine „direkte Vorgabe gewesen“, so Schmid. Schmid informierte Löger als Vorsitzender des Komitees auch darüber, wer in den Aufsichtsrat der Post kommen soll, das war in einer Chatrunde mit Personen aus dem Bundeskanzleramt abgestimmt worden. Die Personen im Nominierungskomitee seien informiert, dann sei in der Sitzung darüber geredet worden.

Anwalt Werner Suppan und Sebastian Kurz im Wiener Straflandesgericht
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Kurz und Bonelli-Anwalt Werner Suppan, der auch die ÖVP vertritt

Der Vorwurf, dass Schmid rund um die Wahl zum ÖBAG-Chef einen Deal mit dem Chef des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian, für die Entsendung von Betriebsräten in den Aufsichtsrat hatte, wies Schmid von sich. Nominierungsrechte für Kapitalvertreter seien eine Sache, aber es sei immer klar gewesen, dass es wie in der ÖIAG auch Betriebsräte in der ÖBAG gibt. Kurz gab an, dass Schmid sich mit einem Deal die Stimmen der Belegschaftsvertretung sichern wollte.

Wolfs unmittelbares Verhältnis zu Kurz

Bei der Vernehmung am Freitag wurde noch etwas greifbarer, was Schmid am Montag meinte, als er sagte, der Unternehmer Siegfried Wolf als Aufsichtsratschef, wie von Kurz gewünscht, wäre mit dem ÖBAG-Vorstand „Schlitten gefahren“. Wolf habe seine eigene „Wichtigkeit erhöht“, stets mit dem Hinweis, wie eng er mit Kurz gewesen sei, so Schmid am Freitag. „Du musst das auch tun“, hatte es in einer Chatnachricht von Wolf an Kurz Ende 2017 geheißen.

Thomas Schmid und sein Anwalt in Wiener Straflandesgericht
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Auch in den Pausen gab es einige Gespräche, hier von Schmid mit seinem Anwalt

Ob so eine Wortwahl gegenüber einem Kanzler üblich war, wollte die WKStA wissen? Schmid meinte, dass Wolf so jedenfalls mit ihm gesprochen habe, offenbar sei das sein Ton gewesen. Schmid wollte den ÖBIB-Aufsichtsratschef Wolf nicht als Aufsichtschef, es wurde dann Helmut Kern. Er sei Kurz damit auch auf die Nerven gegangen, so Schmid. Laut Schmid waren Wolfs Verbindungen zu Russland und die Russland-Sanktionen der Grund, ihn zumindest nicht in der ersten Runde in diese Position zu hieven.

Richter Michael Radasztics
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Radasztics führt den Prozess straff

Schmid widersprach auch Löger

Zu Beginn der Verhandlung befragte Richter Michael Radasztics Schmid noch zu Themen, die ihm, dem Richter, am Montag „durchgerutscht“ seien. Der Richter wollte mehr über Schmids Verhältnis zum ehemaligen Finanzminister Löger erfahren. Löger ist ebenfalls als Zeuge geladen, er soll am Montag erscheinen.

Die Zusammenarbeit mit Löger beschrieb Schmid als sehr professionell. Er habe Löger gesagt, dass er sich als ÖBAG-Chef bewerben wolle, dieser habe das wohlwollend aufgenommen, so Schmid. Der Richter zitierte aus Lögers Einvernahme, dass Kurz über Bestellungen zu einem guten Teil informiert gewesen sei, um seine Meinung oder seine Zustimmung habe er ihn nicht gefragt. Er könnte Lögers Angaben nicht nachvollziehen, gab Schmid dazu an.

Kurz-Prozess: Thomas Schmid erneut befragt

Der frühere Intimus von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, Thomas Schmid, bleibt dabei: Kurz habe sehr wohl bei wichtigen Postenbesetzungen – etwa bei der ÖBAG – entscheidend Einfluss genommen und damit im U-Ausschuss tatsachenwidrig ausgesagt.

Wie Schmid selber zu seinen Chats kam

Schmid erklärte auch, wie er Kurz Chats weitergeben konnte: Schmid bekam seine Geräte von der WKStA nach der Sicherstellung zurück und versuchte dann selber mit einem Experten, sie wiederherzustellen. Als er noch in der ÖBAG war, habe er Chats mit Gerald Fleischmann, Johannes Frischmann, Kurz, Bonelli und Blümel auf einem Datenstick übergeben.

Blick in das Landesgericht für Strafsachen
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Das Interesse der Medien war am Freitag stabil

Kurz habe versprochen, Chats nur zu lesen und nicht weiterzugeben. Als dann Chats mit ÖGB-Chef Katzian veröffentlicht wurden, sei klar gewesen, dass sie weitergegeben wurden – Kurz entschuldigte sich im Oktober 2021 dann dafür. Gelöscht habe er die Artikel laut eigenen Nachrichten an seine Assistentin Anfang Oktober 2019. Ihm sei aber lange nicht klar gewesen, was man alles wiederherstellen kann.

Sein Kommunikationsverhältnis zu Kurz beschrieb Schmid auf Nachfrage der WKStA als sehr intensives Arbeitsverhältnis. Kurz habe immer geschrieben, wenn er etwas gebraucht habe – wenn es dringend war, sei er sehr insistierend gewesen. Dazwischen wurde telefoniert, gemeinsam zu Abend gegessen, gemeinsam gewandert. Sein Kabinettschef habe er, entgegen Kurz’ Aussage, offenbar nicht dringend werden wollen: Schmid konnte sich zumindest nicht daran erinnern.

Thomas Schmid im Wiener Straflandesgericht
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Gegen 19.00 Uhr konnte Schmid gehen. „Sie haben es hinter sich, schönes Wochenende“, sagte der Richter.

Erinnern konnte Schmid sich an den Hintergrund des Chats mit Kurz, in dem Schmid sich als dessen „Prätorianer“ bezeichnete. Es ging einmal mehr um Wolf als Aufsichtsrat der ÖBAG bzw. dessen Verhinderung. „Krone“-Herausgeber Christoph Dichand sollte Kurz sagen, dass Wolf nicht der beste Aufsichtsratschef wäre. Kurz beschwerte sich dann, dass ihm Schmid „Leute auf den Hals hetzt“. Schmid antwortete mit dem Dank, dass Kurz ihn „betoniert“ habe: „Das macht eine Freundschaft aus.“

Verteidigung will neue Zeugen laden lassen

Nach der WKStA konnte auch die Verteidigung von Kurz und Bonelli Schmid noch einmal befragen. Zunächst fragte Kurz-Verteidiger Otto Dietrich, unter anderem zu den Chatdaten in Schmids Besitz. Dann hinterfragte Dietrich Chats von Schmid mit ÖGB-Chef Katzian und auch Blümel, bei denen es offenbar um Betriebsräte in der ÖBAG ging.

Katzian müsse die SPÖ zur Zustimmung bringen, bezogen auf das ÖBAG-Gesetz bzw. einen Abänderungsantrag. Die SPÖ hat damals zugestimmt, was die ÖVP laut Schmid damals auch als Erfolg gefeiert hat.

Bernhard Bonelli im Wiener Straflandesgericht
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Bonelli skizzierte nach Schmids Aussage eine Zeitleiste der Ereignisse rund um die ÖBAG

Dietrich stellte zwei Anträge: Die Beischaffung von im „Standard“ erwähnten Chats, wonach Schmid den Betriebsrat weg haben wollte. Beantragt wurde auch die Einvernahme dreier neuer Zeugen, die beweisen sollen, dass Schmids Aussage, von der WKStA nicht unter Druck gesetzt worden zu sein, unrichtig ist. Schmid soll bei einer Bewerbung Mitte 2023 angegeben haben, dass er von der WKStA unter Druck gesetzt wird.

Bonelli-Anwalt Suppan fragte schließlich eine Reihe von Themen ab, darunter Chats mit einem „Krone“-Redakteur, die „satirisch, sarkastisch, humoristisch“ gemeint gewesen seien, so Schmid. Er habe sich mit „Krone“-Herausgeber Dichand ausgetauscht, so Schmid, eine staatliche Beteiligung an der Zeitung sei nicht angedacht gewesen. Bonelli und Kurz wollten laut Schmid den ehemaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) im Aufsichtsrat der OMV haben, Schmid führte eine Cooling-off-Phase für Minister an – ohne in der Befragung eine Grundlage nennen zu können. Schelling zog damals nicht in den Aufsichtsrat ein.

Auch Kurz wurde nochmal befragt

Schließlich hatte auch der Richter am Ende des Befragungstages noch Fragen – an Kurz. Radasztics wollte wissen, wie Fotos, die am Montag vom Kurz-Team vorgelegt wurden, entstanden sind, darunter von einem Interview in der ZIB2 und eine Handynachricht von Schmid, der ihm zu diesem Interview gratulierte. Diese Nachricht wurde offensichtlich abfotografiert. Kurz erklärte das Foto mit seinem im Oktober 2021 entwickelten Misstrauen Schmid gegenüber, denn es habe sich das Gefühl verfestigt, dass Schmid sich etwas habe „zuschulden kommen lassen“.

Die WKStA wollte wissen, wer das Foto aus seinem Team, wie Kurz angab, aufgenommen hat. Diese Frage wollte Kurz nicht beantworten, woraufhin der Richter die Frage stellte. Kurz gab an, dass Bonelli das Foto gemacht hat.