Eine Palästinenserin im Westjordanland vor einer Hausmauer mit einem Davidstern-Graffiti
APA/AFP/Marco Longari
EU und weitere Länder

Appell an Israel, Siedlergewalt zu beenden

Die EU, Großbritannien, die Schweiz, Norwegen, Kanada und Australien haben Israel zu einem Ende der Siedlergewalt gegen Palästinenser aufgerufen. Israel müsse „konkrete Maßnahmen ergreifen, um die beispiellose Gewalt israelischer Siedler im besetzten Westjordanland zu stoppen“, hieß es in einer am Freitag in Paris veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Auf dem EU-Gipfel jedoch konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Erklärung zum Nahost-Konflikt einigen.

Wegen der Forderung einer Gruppe von Ländern, sich kritischer gegenüber Israel zu positionieren, sei eine gemeinsame Positionierung auf dem EU-Gipfel am Freitag in Brüssel nicht möglich gewesen, hieß es. Irland, Belgien, Spanien und Malta hatten sich dafür eingesetzt, eine Waffenruhe im Gazastreifen zu fordern.

Der irische Regierungschef Leo Varadkar kritisierte Länder wie Österreich und Deutschland für ihre Ablehnung einer Feuerpause. Diese Länder „glauben, dass das Israel daran hindern würde, die Hamas-Terroristen zu verfolgen“, sagte er. „Dieser Auslegung kann ich nicht zustimmen. Man kann Terroristen verfolgen, ohne sich auf die Art von Krieg und Zerstörung einzulassen, die Israel im Moment in Gaza betreibt.“

„Es wird nicht mehr so sein, wie es vor diesem Krieg war“

Varadkar forderte mehr Druck auf die israelische Regierung. „Ihr Versagen, den Palästinensern einen eigenen Staat zuzugestehen“, müsse die Beziehungen zwischen Israel und der EU in der Zukunft beeinträchtigen. „Es wird nicht mehr so sein, wie es vor diesem Krieg war.“ Belgiens Regierungschef Alexander De Croo pflichtete ihm bei: „Das Töten von unschuldigen Zivilisten muss jetzt wirklich aufhören.“

Die vier als palästinensernah geltenden Länder hatten zuvor in einem gemeinsamen Brief eine „ernsthafte Debatte“ über die „humanitäre Katastrophe“ im Gazastreifen gefordert. Israelnahe Länder wie Österreich und Deutschland gerieten damit unter Druck, gaben aber offenbar nicht nach. Im Entwurf einer Erklärung für den EU-Gipfel war ein Platzhalter für einen Teil zum Nahost-Kkonflikt vorgesehen. Nach AFP-Informationen wird dieser Teil nun entfallen.

Abbas: „USA müssen eingreifen“

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte unterdessen die USA auf, ihren Einfluss geltend zu machen und Israels Angriffe zu stoppen. „Die USA müssen eingreifen und Israel dazu zwingen, seine Aggression gegen unser Volk im Westjordanland, einschließlich des besetzten Jerusalem, zu beenden“, sagte er zu US-Sicherheitsberater Jake Sullivan bei einem Treffen in Ramallah, wie die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA meldete.

Zuvor hatte Sullivan an Israel appelliert, den Krieg nicht gegen die palästinensische Zivilbevölkerung zu richten. Jedoch sagte er auch, Israel hätte jedes Recht, sich zu verteidigen und die radikalislamische Hamas zu bekämpfen. Eine Schwierigkeit sei es für Israel, so räumte er ein, dass die Hamas die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde benutze.

Grenzübergang Kerem Schalom für Hilfslieferungen offen

Israel beschloss daraufhin, den Grenzübergang Kerem Schalom für Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu öffnen. Das Kabinett habe beschlossen, Lkws mit humanitärer Hilfe „vorübergehend“ über den Übergang Kerem Schalom in das Palästinensergebiet einfahren zu lassen, erklärte das Büro von Netanjahu. Das gelte jedoch nur für aus Ägypten kommende Hilfslieferungen.

Bisher war der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen der einzige Zugang zu dem Palästinensergebiet. In den vergangenen Tagen waren Lkws mit Hilfslieferungen zwar bereits am Übergang Kerem Schalom kontrolliert worden, anschließend mussten sie jedoch zum Übergang Rafah fahren, um in das Palästinensergebiet zu gelangen.

Sullivan, sprach von einem „bedeutenden Schritt“. Die USA hofften, dass die Öffnung des Übergangs die „Lieferung lebensrettender Hilfe“ in den Gazastreifen erleichtern werde. Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßte den Schritt als „sehr gute Nachricht“. Es müsse nun dafür gesorgt werden, dass die Lkws mit Hilfslieferungen alle Teile des Gazastreifens erreichen könnten, nicht nur den im Vergleich zum Norden weniger von Kämpfen betroffenen Süden.

Immer noch Geiseln im Gazastreifen

Auslöser des Krieges im Gazastreifen war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Mehr als 1.200 Menschen wurden dabei getötet und rund 240 Geiseln nach Gaza verschleppt. Israel reagierte mit schweren Luftangriffen und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive. Nach Angaben der Hamas wurden bisher rund 18.000 Menschen bei Angriffen im Gazastreifen getötet.

Nach israelischen Informationen werden derzeit noch 135 Geiseln in dem abgeriegelten Küstengebiet festgehalten. Im Rahmen eines Deals zwischen der israelischen Regierung und der Hamas wurden 105 Geiseln freigelassen. Im Austausch entließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen. Das israelische Militär teilte am Freitag mit, die Leiche einer am 7. Oktober von der Hamas verschleppten französisch-israelischen Geisel geborgen zu haben. Der Leichnam von Elya Toledano sei zurück nach Israel gebracht worden.