Der ungarische Premierminister Viktor Orban
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EU-Hilfen für Ukraine

Kreml von Orbans Taktieren „beeindruckt“

Russland hat sich am Freitag von dem Taktieren Ungarns rund um die Auszahlung von Hilfsgeldern für die Ukraine beim EU-Gipfel „beeindruckt“ gezeigt. Dass der ungarische Regierungschef Viktor Orban zuvor seine Zustimmung zu weiteren EU-Hilfen von der Freigabe blockierter EU-Mittel für sein Land abhängig gemacht hatte, stieß bei anderen Ländern unterdessen auf scharfe Kritik: Orban nehme die EU „als Geisel“.

Die EU habe mit dem Beginn von Verhandlungen zur Aufnahme der Ukraine und Moldawiens ihre Unterstützung zeigen wollen, durchlebe aber selbst gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht „die besten Zeiten“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. „Zweifellos können solche neuen Mitglieder die EU faktisch destabilisieren.“

Lob fand Peskow unterdessen für Orbans Vorgangsweise. Ungarn sei ein souveränes Land mit „eigenen Interessen“, wie der Kreml-Sprecher hier anführte: „Und im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern verteidigt Ungarn seine Interessen entschlossen, was uns beeindruckt.“

Auch russisches Gas und Öl spielen Rolle

Das Verhältnis von Orban zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt im Vergleich zu anderen EU-Staaten als entspannt, wie ein gemeinsames Foto am Rande einer China-Reise zuletzt zeigte. Eine Rolle spielt dabei laut Diplomatinnen und Diplomaten für Orban auch russisches Gas und Öl, das Ungarn entgegen allen EU-Beschlüssen weiter im großen Stil bezieht.

Es sei sehr „zufriedenstellend“, dass Russland weiterhin Beziehungen zu „vielen europäischen Ländern“ unterhalte, sagte Putin im Oktober nach einem bilateralen Gespräch in Peking. „Eines dieser Länder ist Ungarn.“ Ungarn sei das einzige Land in Europa, das für einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine eintrete, zeigte sich Orban nach dem Treffen überzeugt. „Darauf sind wir stolz.“

Der ungarische Premierminister Viktor Orban und Russlands Präsident Wladimir Putin
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Der ungarische Premierminister Orban und Russlands Präsident Putin sprachen am 17. Oktober in Peking

Russland hatte selbst jahrzehntelang großen Einfluss in den früheren Sowjetrepubliken – und fürchtet nun vor allem, nach der Ukraine auch noch den wichtigen Agrarstaat Moldawien als Handelspartner zu verlieren. Aus Sicht der Länder, die zu den ärmsten Staaten Osteuropas gehören, und der EU ist Russland allerdings selbst der größte Destabilisierungsfaktor in der Region. In Moldawien hat Russland in der abtrünnigen Region Transnistrien Soldaten stationiert. In der Ukraine hält Russland im Zuge seines zerstörerischen Angriffskrieges gegen das Land große Teile besetzt.

Macron: Orban nimmt EU als Geisel

Orban hatte am Freitag seine Zustimmung zu weiteren EU-Hilfen für die Ukraine von der Freigabe blockierter EU-Mittel für sein Land abhängig gemacht. Ungarn verlange „nicht die Hälfte, nicht ein Viertel, sondern alles“, sagte Orban am Freitag in einem Interview im ungarischen Radio mit Blick auf EU-Gelder in Höhe von zwölf Milliarden Euro, die wegen Rechtsstaatsverfehlungen nach wie vor zurückgehalten werden.

Man dürfe dem ungarischen Ministerpräsidenten nicht erlauben, die Staatengemeinschaft als Geisel zu nehmen, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Ende des EU-Gipfels. Seiner Auffassung nach sei Orban während des Treffens der 27 Staats- und Regierungschefs respektiert worden, nun habe er im Gegenzug auch die EU zu achten.

Auch Monika Vana, Delegationsleiterin der Österreichischen Grünen im Europaparlament, ortete „Erpressungsversuche“. Die EU dürfe keinesfalls weitere Gelder für Orban freigeben. Mit der bereits erfolgten Teilfreigabe von zehn Milliarden Euro habe sie „einen desaströsen Fehler gemacht“ und sei „Orbans Erpressung auf den Leim gegangen“. Anstatt ihm rote Linien aufzuzeigen, hätten die Staats- und Regierungschefs „Orban eine gesichtswahrende Lösung geboten“, zog die „Augsburger Allgemeine“ Bilanz.

Scholz verteidigt „Verfahrenstrick“

Am Donnerstag hatte Orban mit seinem Veto die Auszahlung weiterer EU-Hilfen für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro blockiert. Der Streit über die Aufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine galt bis zum Gipfel als festgefahren, weil sich Orban gegen einen solchen Schritt sperrte.

Als Lösung schlug der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Orban vor, die Sitzung für die Entscheidung zu verlassen, um den anderen Staats- und Regierungschefs die erforderliche Einvernehmlichkeit zu ermöglichen. Er würde selbst nicht von einem Trick sprechen, sagte Scholz am Freitag nach dem Gipfel. „Es ist eine Entscheidung, die wir entsprechend unseren Regeln einvernehmlich getroffen haben.“ Er fügte aber hinzu: „Das ist jetzt nichts, was man jedes Mal machen sollte.“

Orban: Können EU-Beitritt immer noch verhindern

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält im EU-Haushaltsstreit mit Ungarn einen Ausweg ohne Zustimmung aus Budapest für möglich. Man arbeite hart an einer Lösung, der alle EU-Staaten zustimmen können. „Aber ich denke, dass es jetzt auch notwendig ist, an möglichen Alternativen zu arbeiten“, sagte von der Leyen am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. „Wir werden eine funktionierende Lösung haben.“

Ungarn kann laut Orban auch den EU-Beitritt der Ukraine noch immer blockieren: Am Ende des „sehr langen Prozesses“ könne das ungarische Parlament immer noch die Aufnahme der Ukraine in die EU verhindern, wenn das notwendig sei, sagte Orban am Freitag im staatlichen Hörfunk.

Orban stellt Bedingung für Ja zu Ukraine-Hilfe

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hat seine Zustimmung zu weiteren EU-Hilfen für die Ukraine von der Freigabe blockierter EU-Mittel für sein Land abhängig gemacht. Das bekräftigte Orban am Freitag in einem Interview im ungarischen Radio mit Blick auf EU-Gelder in Höhe von zwölf Milliarden Euro.

Zunächst Zusammenhang mit EU-Geldern dementiert

Die EU-Kommission hatte eine Aufstockung des EU-Haushalts vorgeschlagen, um die Ukraine vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu bewahren. Gefeilscht wurde zudem um eine weitere Aufstockung des EU-Haushaltsrahmens bis 2027. Im Gespräch waren zuletzt gut 20 Milliarden Euro, unter anderem für den Außengrenzschutz und für Migrationsabkommen mit Drittländern. Eine Einigung scheiterte laut Diplomaten ebenfalls an Ungarn.

Vermutet wurde ein Zusammenhang mit EU-Mitteln für Ungarn, die wegen Rechtsstaatsverfehlungen zurückgehalten werden. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch zehn Milliarden Euro dieser Mittel freigegeben, weitere zwölf Milliarden Euro bleiben eingefroren. Orban hatte jedoch zunächst betont, es bestehe kein Zusammenhang mit den Ukraine-Themen.