Rolltreppe in einem Einkaufszentrum
ORF/Christian Öser
Keine Einigung bei Handels-KV

„Instrumente liegen auf dem Tisch“

Nach sechs Runden gibt es noch immer kein Ergebnis bei den Verhandlungen für einen Kollektivvertrag der Handelsangestellten. Die Gewerkschaft (GPA) plant in der kommenden Woche erneut Warnstreiks und Kundgebungen. Die Situation im Handel sei schwieriger als etwa in der Industrie, gesteht der Lohnexperte Benjamin Bittschi zu, aber die für eine Einigung möglichen „Instrumente liegen auf dem Tisch“.

Im Gegensatz zur Industrie befinde sich der Handel seit dem Pandemiejahr 2020, mit Ausnahme von 2022, in einer Rezession. „Ich verstehe die Seite der Arbeitgeber, dass um jedes Zehntel gefeilscht wird“, sagte der Lohnexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) im Ö1-Mittagsjournal am Samstag. Aber man werde sich einigen müssen.

Man müsse sich aus dem Instrumentenkasten, der auch schon bei anderen KV-Verhandlungen angewandt worden sei, bedienen, so Bittschi. Es werde eine soziale Staffelung beinhalten müssen, es brauche eine Wettbewerbssicherungsklausel und im Durchschnitt einen Abschluss unter der rollierenden Inflation.

Gespräche nach über neun Stunden abgebrochen

Nach mehr als neun Stunden war die sechste Verhandlungsrunde zwischen GPA und Wirtschaftskammer in der Nacht auf Samstag abgebrochen worden. Es sei an den „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ gescheitert, sagte WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik nach dem Verhandlungsabbruch. Die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Helga Fichtinger kritisierte, dass der Arbeitgeberseite nicht einmal eine Öffnungsklausel gereicht habe. Sie sprach von einer „Hinhaltetaktik“ der Arbeitgeber.

Laut Arbeitgebervertreter Trefelik wäre ein Gehaltsplus von 8,2 Prozent „vorstellbar gewesen“, mehr sei „nicht leistbar“. Das wäre laut Bittschi mit dem Abschluss der Metaller vergleichbar. Die rollierende Inflation von Oktober 2022 bis September 2023 lag bei 9,2 Prozent.

Soziale Staffelung im Handel teurer

Eine soziale Staffelung würde dem Handel jedenfalls teurer kommen als in der Industrie, da mehr Beschäftigte in den unteren Lohngruppen tätig sind, erklärte der WIFO-Ökonom. Allerdings gebe es sicher Unternehmen, die sich mehr als 8,2 Prozent leisten könnten. Der Handel ist ein heterogener Sektor.

Die Gewerkschaft hat nach eigenen Angaben einen sozial gestaffelten Gehaltsabschluss zwischen 8,58 und 9,38 Prozent vorgeschlagen. Das wäre im Schnitt ein Gehaltsplus von 8,96 Prozent.

Nächster Verhandlungstermin noch offen

Laut Gewerkschaft hat die Arbeitgeberseite nur ein Plus von acht Prozent plus zehn Euro angeboten. Gewerkschafterin Fichtinger drängt nun auf Gespräche auf „höherer Ebene“, etwa zwischen ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Offen ist, wann weiter verhandelt wird. Eine weitere KV-Verhandlungsrunde ist für nächste Woche nicht geplant.

Aufgrund der gescheiterten Verhandlungen empfiehlt die WKÖ-Bundessparte Handel ihren Mitgliedsbetrieben nun eine freiwillige Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestgehälter um acht Prozent. Eine Empfehlung biete „keine Rechtssicherheit“, kritisierte Fichtinger.

„Branche am stärksten von Insolvenzen betroffen“

Der Handelsverband bedauerte indes das neuerliche Scheitern und bekräftigte, dass die Arbeitgeberseite den Betrieben nun eine Erhöhung der Mindestgehälter um acht Prozent empfehle.

Weiter keine Einigung bei Handels-KV

Nach sechs Runden gibt es noch immer kein Ergebnis bei den Verhandlungen für einen Kollektivvertrag der Handelsangestellten. Die Gewerkschaft (GPA) plant in der kommenden Woche erneut Warnstreiks und Kundgebungen.

„Nachdem sich die Gewerkschaft bei ihren Forderungen kaum bewegt hat, wäre ein Abschluss mit unabsehbaren wirtschaftlichen Risken einhergegangen, der viele weitere Betriebsschließungen verursacht hätte“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Aussendung am Samstagvormittag. „Dabei ist der Handel jene Branche, die mit Abstand am stärksten von Insolvenzen betroffen ist.“

Vorbereitungen für Warnstreiks

Die Handels-KV-Gespräche laufen seit Ende Oktober und waren von Betriebsversammlungen, öffentlichen Kundgebungen und Warnstreiks im Weihnachtsgeschäft begleitet. Bisherige Maßnahmen hatten keine wirklichen direkten Auswirkungen auf die Einkaufsmöglichkeiten. Im Handel gebe es mehr Ausweichmöglichkeiten, so Bittschi. Das mache es für die Gewerkschaft schwieriger, einzelne Betriebe zu bestreiken.

Die Gewerkschaft will nun offenbar einen Gang zulegen. „Jetzt ist die Zeit des Verhandelns und die Zeit des Schönredens wirklich vorbei“, sagte Christian Jammerbund von der GPA Steiermark – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Größter Branchenkollektivvertrag

Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von elf Prozent in die Verhandlungen gegangen. Die Arbeitgeber hatten ihr Eröffnungsangebot erst in der dritten Runde mit einem Plus von fünf Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro gelegt.

Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen. Es ist der größte Branchenkollektivvertrag in Österreich. Knapp zwei Drittel der 430.000 Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Knapp 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote bei nur rund 13 Prozent.