Kardinal Angelo Becciu
AP/Andrew Medichini
Erstmalig in Kirchengeschichte

Vatikan-Justiz verurteilt Kardinal zu Haft

Es war ein Mammutprozess, der sich über mehr als zwei Jahre gezogen hat: Am Samstag wurde der hochrangige Kardinal Angelo Becciu vom vatikanischen Gericht wegen fragwürdiger Millionendeals zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt – ein bisher einmaliger Fall. Becciu will in Berufung gehen.

Becciu war dem Gericht zufolge in einen desaströsen Immobilienskandal verwickelt, der dem Vatikan einen großen Imageschaden zugefügt hatte. In dem seit mehr als zwei Jahren andauernden Prozess ging es im Kern um den verlustreichen Kauf einer Luxusimmobilie im Londoner Stadtteil Chelsea durch das vatikanische Staatssekretariat, in dem Becciu mehrere Jahre ein wichtiger Abteilungsleiter war.

Der Deal ging schief, weil der Vatikan mehr Geld investierte als geplant. Am Ende stand ein Verlust in dreistelliger Millionenhöhe. Die Ermittlungen rund um den fragwürdigen Millionendeal in London deckten weitere dubiose Geschäfte und Machenschaften innerhalb des Vatikans auf. Die vatikanische Strafverfolgung warf dem italienischen Kirchenmann und neun weiteren Angeklagten unter anderem Erpressung, Geldwäsche, Betrug, Korruption, Veruntreuung und Amtsmissbrauch vor.

Berufung angekündigt

Am Samstag fielen die Urteile. Becciu wurde der Veruntreuung schuldig gesprochen. Er habe 2013 und 2014 rund 200 Millionen US-Dollar (182,72 Mio. Euro) in ein einziges Investment gesteckt, meldete Kathpress. Bei der Summe habe es sich damals um etwa ein Drittel des gesamten Vermögens des vatikanischen Staatssekretariats gehandelt. Dennoch habe Becciu nicht überprüft, ob die Voraussetzungen für ein solches Investment überhaupt gegeben gewesen seien.

An den weiteren betrügerischen Machenschaften im Zusammenhang mit dieser Investition sei Becciu nicht schuldig. Die daran beteiligten Vermittler, Makler und Finanzberater Enrico Crasso, Raffaele Mincione, Gianluigi Torzi und Nicola Squillace erhielten jeweils mehrjährige Haftstrafen zwischen fünfeinhalb und siebeneinhalb Jahren, unter anderem wegen Geldwäsche und Betrug.

Präsident des vatikanischen Strafgerichts Giuseppe Pignatone und Professor Venerando Marano
APA/AFP/Vatican Media
Erstmalig wurde ein Kardinal im Vatikan verurteilt. Im Bild: Der Präsident des vatikanischen Strafgerichts, Giuseppe Pignatone, und Professor Venerando Marano.

Eine Freundin Beccius, Cecilia Marogna, wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Sie wurde wie der Kardinal des schweren Betrugs schuldig gesprochen. Sie hätten wahrheitswidrig behauptet, Geld für eine Geiselbefreiung zu benötigen, um Marogna insgesamt 570.000 Euro zuzuschanzen. Eine Straftat hat Becciu nach Überzeugung des Gerichts auch begangen, als er 125.000 Euro aus dem Vatikan an eine von seinem Bruder Antonino geleitete Wohltätigkeitsorganisation überwies. Auch wenn der Zweck legitim gewesen sei, habe der Kardinal dennoch gegen vatikanische Strafnormen verstoßen, weil er Geld des Heiligen Stuhls an einen nahen Verwandten überwies.

Der vatikanische Strafverfolger Alessandro Diddi hatte für den 75-jährigen Becciu ursprünglich eine Haftstrafe von sieben Jahren und drei Monaten sowie eine hohe Geldstrafe gefordert.

Noch nie zuvor war ein Kurienkardinal von einem Vatikan-Gericht zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Beccius Anwälte kündigten an, gegen das Urteil Einspruch einzulegen.

Erstmals Kardinal zu Haftstrafe verurteilt

Im großen Finanzprozess um fragwürdige Millionendeals ist erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche ein Kardinal von einem Gericht im Vatikan zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Der Vatikan-Gerichtshof verhängte heute gegen den italienischen Kardinal Angelo Becciu wegen seiner Verwicklungen in einen verlustreichen Immobilienskandal eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.

Becciu galt einst als möglicher Papst-Nachfolger

In Folge der Vorwürfe verlor der gebürtige Sarde Becciu seine Rechte als Kardinal und hätte damit auch bei einem Konklave, der Papst-Wahl, nicht dabei sein dürfen. Allerdings durfte Becciu, der einst selbst als „papabile“, also als möglicher Anwärter auf das Papst-Amt, galt, sich weiter Kardinal nennen. Papst Franziskus zog ihn damals zudem von der Position des Leiters der Behörde für Heilig- und Seligsprechungsprozesse ab.

Papst Franziskus und die Verwaltung des Vatikans zogen aus dem Immobilienskandal Konsequenzen. Die Zuständigkeiten in der Kurie wurden neu geordnet. Er entzog dem mächtigen Staatssekretariat und anderen Behörden des Heiligen Stuhls die Verfügungsgewalt über Vermögenswerte. Diese obliegt nun der vatikanischen Güterverwaltung (APSA) sowie der Vatikan-Bank IOR.