Jimmy Lai, Hongkongs bekanntester aktivistischer Publizist
Reuters/Tyrone Siu
Unter Chinas Beobachtung

Publizist Lai in Hongkong vor Gericht

Am Montag hat unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen Hongkongs bekanntesten aktivistischen Publizisten Jimmy Lai begonnen. Er war im Zuge des Vorgehens gegen Dissidenten verhaftet worden. Der neue Prozess ist Folge des umstrittenen „Sicherheitsgesetzes“. Angesichts des wachsenden Einflusses Pekings auf die Sonderverwaltungszone zieht das Verfahren auch international große Aufmerksamkeit auf sich.

Dem 76-jährigen Demokratieaktivisten droht nun eine lebenslange Haftstrafe, sollte er aufgrund des „Sicherheitsgesetzes“ verurteilt werden. Das Gesetz war durch die Führung in Peking 2019 erlassen worden und hatte vehemente prodemokratische Proteste nach sich gezogen.

Das Gesetz umging Hongkongs Parlament und richtet sich nun gegen Aktivitäten, die in Peking als subversiv, separatistisch oder terroristisch angesehen werden. Das Vorhaben war der bisher weitgehendste Eingriff in die Autonomie der früheren britischen Kronkolonie. Mit dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ war den sieben Millionen Hongkongern bei der Rückgabe 1997 an China versprochen worden, dass ihre Rechte und Freiheiten für 50 Jahre unangetastet bleiben. Aus Sorge vor Separationsbestrebungen vergrößerte Peking seither seinen Einfluss in Hongkong.

Tausende Demonstranten während eines Protests in Hongkong 2019
Reuters/Lucy Nicholson
Das „Sicherheitsgesetz“ hatte 2019 große prodemokratische Proteste nach sich gezogen

Lai wird nun vorgeworfen, mit ausländischen Kräften zusammenzuarbeiten, um die nationale Sicherheit zu gefährden. Zudem soll er sich laut Anklage mit anderen Aktivisten verschworen haben, um aufrührerische Publikationen zu veröffentlichen. Der Fall wird von Beobachtern als Scheideweg für die Pressefreiheit und als Test für die Unabhängigkeit der Justiz in der Sonderverwaltungszone angesehen.

Untergang von „Apple Daily“

Lai ist Gründer der inzwischen geschlossenen Zeitung „Apple Daily“, früher eine der regierungskritischsten Medien der Stadt. Nach der Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 entwickelte sich Lai zum Verfechter der Demokratie. „Apple Daily“ stampfte er 1995 aus dem Boden und führte sie bald zum Erfolg. Die Zeitung nahm eine starke prodemokratische Haltung ein und forderte ihre Leserinnen und Leser häufig auf, sich Protesten anzuschließen. Nach der Verabschiedung des „Sicherheitsgesetzes“ äußerte sich Lai offen kritisch und sagte, die Stadt, die er einst kannte, sei „tot“.

Im August 2020 wurde Lai auf Grundlage des Gesetzes verhaftet, zudem wurden die Räumlichkeiten der Zeitung durchsucht. Das Blatt ging ein Jahr später unter, nachdem die Behörden sein Vermögen eingefroren hatten.

Mehrfach bestraft

Lai ist bereits mehrfach verhaftet und auch verurteilt worden. Der neue Prozess gegen Lai ist aber der erste in Hongkong wegen vermuteter Absprache mit ausländischen Kräften. Sechs ehemalige Führungskräfte von „Apple Daily“, denen ebenfalls Absprachen vorgeworfen wurden, bekannten sich letztes Jahr schuldig und gaben vor Gericht zu, dass sie sich mit Lai verschworen hatten, um Sanktionen oder Blockaden oder andere feindselige Aktivitäten gegen Hongkong oder China zu fordern.

Im Mai lehnte das Gericht Lais Antrag auf Einstellung des Verfahrens ab. Lai hatte argumentiert, dass Richter zuständig seien, die von der Regierung ernannt wurden. Lais Anwalt Robert Pang wies auf die mangelnde Transparenz bei der Ernennung der Richter hin und sagte, das könne das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz und den Gerichtsprozess beeinträchtigen.

Lai, der auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde zudem ein britischer Anwalt verwehrt, mit der Begründung, dass dies wahrscheinlich ein Risiko für die nationale Sicherheit darstellen würde.

Sohn setzt sich in London für Freilassung ein

Lais Sohn Sebastien traf sich vergangene Woche mit dem britischen Außenminister David Cameron, um sich für die Hilfe Großbritanniens bei der Freilassung seines Vaters einzusetzen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press sagte er, er sei nun zuversichtlich, seinen Vater wiederzusehen. Man habe ihm vermittelt, Großbritannien werde „Jimmy Lai zur Seite stehen“. Doch auf einen fairen Prozess hoffte Sebastien Lai nicht. „Angesichts des Alters meines Vaters und der Tatsache, dass er seit drei Jahren im Gefängnis sitzt, ist es für mich sehr besorgniserregend“, sagte er.

Ein Sprecher des britischen Außenministeriums sagte gegenüber dem „Guardian“: „Der Fall Jimmy Lai hat für Großbritannien Priorität.“ Man habe den Fall mehrfach bei der chinesischen Regierung zur Sprache gebracht. „Die Strafverfolgung von Herrn Lai ist stark politisiert – er und andere werden gezielt ins Visier genommen, um Kritik unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit zu verhindern.“

Am Sonntag sagte Cameron per Aussendung, das „Sicherheitsgesetz“ sei ein großer Schaden für Hongkong. Lai werde verfolgt, um die „friedliche Ausübung seiner Rechte“ zu verhindern. „Ich rufe Hongkongs Behörden auf, diese Strafverfolgung zu beenden und Jimmy Lai freizulassen“, so Cameron.

Fiona O’Brien, Leiterin des britischen Büros von Reporter ohne Grenzen, verlangte hingegen Taten: „Das ist keine Zeit für Zweideutigkeiten: Wenn die britische Regierung wirklich an die Pressefreiheit glaubt – wie sie sagt –, kann sie nicht tatenlos zusehen, während ein britischer Staatsbürger wegen seiner Veröffentlichungen zum Sterben im Gefängnis verurteilt wird.“