Kurz-Prozess: Löger widerspricht Schmid

Im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebstian Kurz wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss wird derzeit Ex-Finanzminister am Wiener Landesgericht Hartwig Löger als Zeuge befragt. Der Schlüsselzeuge Thomas Schmid sagte aus, dass – insbesondere in der Causa ÖBAG – keine Personalentscheidungen an Kurz vorbei getroffen worden seien.

Löger, der als Zeuge unter Wahrheitspflicht steht, sagte, er habe anfangs nichts von einem Sideletter zwischen den Koalitionspartnern ÖVP und FPÖ, also Absprachen für Personalbesetzungen im staatsnahen Bereich, gewusst. Im ersten Monat der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung habe er diesen aber wohl einmal gesehen, sagte er später. Generell blieb Löger zunächst bei seinen bisherigen Aussagen vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und dem „Ibiza“-U-Ausschuss.

Dabei widersprach er teils auch Aussagen von Schmid, der die Entscheidungen für Personalbesetzungen im staatsnahen Bereich bei seiner letztwöchigen Befragung anders dargestellt hatte. So sagte er, er habe „keinen Druck“ verspürt, Vorgaben von Kurz diesbezüglich umzusetzen. Schmid hatte dagegen gesagt, Kurz habe bei den Bestellungen ein Vetorecht gehabt, und Löger habe sich mit dem Bundeskanzleramt abgestimmt.

Hartwig Löger am Wiener Straflandesgericht
ORF/Lukas Krummholz

„Wohl Kandidat der letzten Minute“

Löger verwies zu Beginn der Befragung durch Richter Michael Radasztics darauf, dass er sich möglicherweise bei Fragen entschlagen werde, da er weiter im CASAG-Verfahren (Causa Casinos Austria) als Beschuldigter geführt werde. Er sei erst am Ende der Koalitionsverhandlungen, „wohl als Kandidat der letzten Minute“, gefragt worden, ob er Finanzminister werden wolle.

Er habe zugestimmt, um Positives für Österreich zu bewirken, und weil er Tage zuvor bei seinem Sohn am Kühlschrank den Spruch „Life begins at the end of your comfort zone“ (Das Leben beginnt, wenn man die Komfortzone verlässt, Anm.) gesehen habe.

Kabinett übernommen

Er habe das Ministerkabinett – und damit Schmid – großteils übernommen. Das sei auch seine Bedingung gewesen, da er sich sehr rasch habe einarbeiten und ein Doppelbudget präsentieren müssen. Das Koalitionsprogramm sei praktisch fertig gewesen, noch offen gewesen seien aber zum Zeitpunkt seiner Zusage gewisse Fragen des Umgangs mit den Beteiligungen gewesen.

Von einem Sideletter, Absprachen über die Aufteilung von Manasgement- und Aufsichtsratsposten, habe er damals nichts gewusst. Später habe er erfahren, dass es eine Art Gentlemen’s Agreement gegeben habe.

Vorschlag, nicht verpflichtende Vorgabe

Die Entscheidungen über die Besetzungen seien im Nominierungskomitee getroffen worden. Auf Vorhalt einer Kopie des Sideletters räumte Löger ein, dass er diesen wohl später, im Jänner 2018, einmal gesehen habe.

Im Sideletter wurde festgelegt, dass das Nominierungskomitee allein von der ÖVP beschickt werden soll. Hier antwortete Löger ausweichend, was die ÖVP-Zugehörigkeit zu den beiden anderen Mitgliedern neben ihm und dem damaligen Kurz-Vertrauten Gernot Blümel betrifft. Eine Chatnachricht von Schmid an Löger, in der ihm konkrete Namen für den neuen Aufsichtsrat gegeben wurden, beurteilte Löger als Vorschlag für die Debatte im Nominierungskomitee, nicht als verpflichtende Vorgabe. Löger betonte zugleich, er habe keine direkte Erinnerung an die Nachricht.

Vor der WKStA hatte Löger angegeben, dass Kurz über Bestellungen zu einem guten Teil informiert gewesen sei, nach seiner Meinung oder seiner Zustimmung habe Löger Kurz nicht gefragt. Dem widersprach Schmid vor Gericht deutlich: Das Bundeskanzleramt habe sehr klare Vorstellungen und auch Vorgaben bei Personalbesetzungen gehabt.

Löger widerspricht Schmid

Zu Schmid gefragt sagte Löger, er habe gewusst, dass dieser sich beruflich verändern wolle. Schmid hatte ausgesagt, er habe Löger gesagt, dass er ÖBAG-Chef werden wolle und dafür auch Kurz’ Unterstützung habe. Löger betonte, er könne sich an eine solche Aussage nicht erinnern. Und er wiederholte seine Aussage vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss, er habe mit Kurz nie über Schmid als ÖBAG-Chef gesprochen.

Hartwig Löger am Wiener Straflandesgericht
ORF/Lukas Krummholz

Löger wiederholte auch seine U-Ausschuss-Aussage, wonach Schmid Löger konkrete Vorschläge für das Kabinett im Fall seines Wechsels gemacht hatte. Als Löger das ablehnte, habe dieser gemeint, er würde sich dann möglicherweise nicht für den ÖBAG-Posten bewerben. Es habe emotionale Reaktionen Schmids gegeben, er selbst habe das aber als „Geplänkel“ gesehen.

Auf Vorhalt eines Chats, in dem Löger Schmid alles Gute für die Bewerbung wünschte und hinzufügte: „Schon jetzt alles Gute – obwohl niemand zweifelt!!!“, erklärte Löger seine Antwort: Die Sicherheit habe auf Schmids langjähriger Expertise mit Beteiligungsmanagement gegründet, und er sei daher der Ansicht gewesen, dass Schmid ausgezeichnete Chancen beim Hearing habe.

„Keinen Druck verspürt“

Schmid sei auch in die Suche nach Personen für ÖBAG-Aufsichtsratsposten eingebunden gewesen und habe viele Vorschläge gemacht. Das habe ihn aufgrund von Schmids Position aber nicht gewundert, so Löger.

Ihm sei bewusst gewesen, dass die sechs zu vergebenden Posten im 2:1-Verhältnis (ÖVP:FPÖ) zu besetzen seien. Er habe aber versucht, möglichst geeignete Kandidatinnen und Kandidaten auszusuchen.

Richter Radazstics befragte schließlich Löger zentral zu Kurz’ Rolle und Schmids Aussage, dieser habe quasi ein Vetorecht bei Personalentscheidungen gehabt. Hier widersprach Löger klar: Kurz habe sich teilweise „interessiert gezeigt“. Er fuhr aber fort: „In meiner Wahrnehmung habe ich aber nicht den Druck verspürt, auch direkt Umsetzungen treffen zu müssen.“ Er könne die Ausführung Schmids daher „nicht nachvollziehen“.

Er habe auch nicht gewusst, dass Schmid sich direkt mit Kurz abgestimmt habe bezüglich Personalvorschlägen.

Richter hakt nach

Richter Radasztics hakte nach und fragte, ob es bei einer Bitte Lögers um ein Telefonat mit Kurz bezüglich Konstituierung des neuen Aufsichtsrats um Entscheidungen gegangen sei oder es nur eine Mitteilung gewesen sei. Als Löger es als Wunsch nach einer Mitteilung qualifizierte, meinte der Richter, dafür hätte ja wohl eine E-Mail auch gereicht, und es wäre kein Telefonat nötig gewesen.

Löger bestätigte Telefonate und persönliche Gespräche mit Kurz zu dessen Wunsch, den Unternehmer Siegfried Wolf in den Aufsichtsrat zu berufen. Kurz habe das gewollt und ihn auch als Kandidaten für den Vorsitz gesehen. Er habe Wolf abgelehnt, da dieser auch in der „alten“ ÖIAG bereits im Aufsichtsrat gesessen sei. Das Thema sei allen Beteiligten „unangenehm“ gewesen.

Auch zu einem Chat zwischen Schmid und Zweitangeklagtem Bonelli zu ÖIAG-Aufsichtsratsbesetzung befragte der Richter Löger: Darin warf Bonelli Schmid Dilettantismus vor und nannte eine Alternativkandidatin, „die kennt Sebastian (Kurz, Anm.)“. Da müsste doch eigentlich „die kennt Hartwig“ stehen, nach allem, was er bisher ausgeführt habe, so Radasztics.

Löger erklärte dies mit auf diesem Zeitpunkt bereits belasteten Beziehungen mit Schmid. Dieser nannte Löger in einem anderen Chat direkt einen Namen mit dem Verweis „Die kennt der HBK :_)“ (kurz für: Herr Bundeskanzler, Anm.). Ob er sich nicht gedacht habe, komisch, dass er das schreibt, so der Richter. Löger verwies einmal mehr auf Schmids Verhältnis zu Kurz und sein eigenes bereits belastetes Verhältnis zu Schmid.

Schmid: Löger stimmte sich mit Bundeskanzleramt ab

Schmid gab letzte Woche bei seiner zwei Tage dauernden Befragung im Prozess an, dass nichts an Kurz vorbei entschieden worden sei. Bei wichtigen Personalentscheidungen habe er ein „Vetorecht“ gehabt.

Thomas Schmid am Wiener Straflandesgericht
ORF/Lukas Krummholz

Kurz seien die Staatsbeteiligungen besonders am Herzen gelegen. Schon 2017 habe er, Schmid, von Kurz den Auftrag bekommen, sich damit zu beschäftigen, und Kurz habe ihn auch bei der ÖBAG sehen wollen, so Schmid.

Chats und Schmid-Aussagen im Zentrum

Kurz wird von der WKStA konkret vorgeworfen, seine Rolle bei der Bestellung von Schmid, dem Ex-Generalsekretär im Finanzministerium, zum Vorstand der Staatsholding ÖBAG und der Auswahl des ÖBAG-Aufsichtsrats nicht wahrheitsgemäß dargestellt zu haben. Kurz hatte im U-Ausschuss angegeben, dass er informiert, aber nicht involviert gewesen sei. Die Ankläger sehen ihre Vorwürfe gegen Kurz durch zahlreiche Chats unter anderen mit Schmid belegt.

Laut den vorgelegten Chats gab es teils akribische Abstimmungen und Debatten über Personalentscheidungen im Team der ÖVP. Löger habe sich auch von sich aus mit dem Bundeskanzleramt und dem Team von Kurz eng abgestimmt, sagte Schmid. Schmid galt selbst jahrelang als enger Vertrauter von Kurz. Im Jahr 2019 wurde er Chef der ÖBAG, an deren Reform er maßgeblich beteiligt war.

Kurz weist alle Vorwürfe zurück

Kurz wies im Prozess die Vorwürfe zurück und warf der Anklage vor, die Nachrichten falsch zu interpretieren und daraus falsche Schlüsse zu ziehen. Mitangeklagt ist der frühere Kabinettschef von Kurz, Bernhard Bonelli. Auch ihm wird eine falsche Zeugenaussage vor dem U-Ausschuss vorgeworfen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.