Hartwig Löger am Wiener Straflandesgericht
ORF/Lukas Krummholz
Löger in Prozess

Verspürte keinen Druck von Kurz

Im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist am Montag der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger (beide ÖVP) befragt worden. Dass sich sein Kabinettschef Thomas Schmid für die ÖBAG interessierte und als Vorstand bewerben wollte, wusste Löger laut eigener Aussage recht früh. Kurz brachte Siegfried Wolf als Aufsichtsratschef ein, Druck von Kurz will Löger aber nicht verspürt haben, nur Interesse.

Löger skizzierte auf Fragen von Richter Michael Radasztics wie schon Schmid, dass die Aufstellung der ÖBIB nicht sinnvoll gewesen und relativ rasch ein „langer Prozess“ zum Umbau in die ÖBAG eingeleitet worden sei. 2018 sei der Vertrag der damaligen ÖBIB-Chefin Martha Oberndorfer ausgelaufen, was eine Übergangslösung nötig gemacht habe. Schmid habe von Beginn an gesagt, dass er sich beruflich weiterentwickeln wollte, sagte Löger – das deckt sich mit der Aussage Schmids von vergangener Woche.

Schmid habe aber mit dem Karrierewechsel warten wollen, bis Löger sich als Minister ausreichend eingearbeitet habe, so Löger weiter. Auch von anderen Seiten habe er Hinweise bekommen, dass sich Schmid verändern wolle, aber nicht von Kurz. Schmid hatte angegeben, die Unterstützung von Kurz gehabt zu haben. Im U-Ausschuss hatte Löger gesagt, dass er mit Kurz nicht über den ÖBAG-Vorstand habe reden müssen, schließlich treffe der Aufsichtsrat die Entscheidung, wer Vorstand wird. Es sei auch ganz alleine Schmids Entscheidung gewesen, ob er sich bewirbt.

Hartwig Löger am Wiener Straflandesgericht
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Löger kam mit seiner Anwältin Caroline Toifl

Kurz wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgeworfen, seine Rolle bei der Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Vorstand und der Auswahl des ÖBAG-Aufsichtsrats nicht wahrheitsgemäß dargestellt zu haben. Kurz hatte im U-Ausschuss angegeben, dass er informiert, aber nicht involviert gewesen sei. Kurz weist den Vorwurf von sich, es gilt die Unschuldsvermutung. Der Schlüsselzeuge Schmid sagte vergangene Woche aus, dass – insbesondere in der Causa ÖBAG – keine Personalentscheidungen an Kurz vorbei getroffen worden seien, bis hin zum „Vetorecht“.

Nominierungskomitee bekam viele Vorschläge

Gemeinsam mit Gernot Blümel (ÖVP) war Löger Teil des Nominierungskomitees, das Namen etwa für die Besetzung von Aufsichtsräten ausarbeitete. Schmid führte dort das Protokoll. Es habe immer mehrere Vorschläge für Aufsichtsräte gegeben, so Löger, er könne sich nicht an die Quellen erinnern. Löger konnte sich bei vielen der vom Richter vorgelegten Chats nicht an die jeweilige Zeit bzw. die Umstände erinnern, darunter bei jenem, in dem Schmid ihm eine Reihe von Namen nannte.

Sebastian Kurz, Anwalt Otto Dietrich und Anwalt Werner Suppan im Wiener Straflandesgericht
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Kurz zeigte sich einmal mehr gut gelaunt beim Prozess

Schmid sei bei der ÖBAG „eingebunden“ gewesen, daher sei es nicht überraschend gewesen, dass er auch Vorschläge vorlegte. Er habe noch viele weitere Vorschläge von verschiedenen Institutionen bekommen, darunter der Industriellenvereinigung, so Löger. Er habe die Fülle an Vorschlägen versucht einzuordnen und zuzuordnen, es habe durchaus einen Austausch mit dem Bundeskanzleramt gegeben, etwa bei der Absage einer Kandidatin und dem Vorschlag eines neuen Kandidaten.

Löger und das „Erinnerungsdilemma“

Vom Sideletter über die Aufteilung von Management- und Aufsichtsratsposten wusste Löger laut seiner Aussage zu Beginn seiner Ministerarbeit nichts, im Jänner 2019 habe er ihn das erste Mal gesehen. Löger sprach aber von einem grundsätzlichen „Erinnerungsdilemma“, gefragt im weiteren Verlauf nach Gesprächen zwischen Arnold Schiefer und Schmid bezüglich einer Aufteilung von zwei zu eins auch im Finanzministerium.

Er könne sich an Gespräche der beiden im Frühsommer 2018 erinnern und daran, ein Papier unterzeichnet zu haben. Laut Schmid nahm Löger dieses Papier, erklärte, er übernehme die Verantwortung, und legte es in einen Tresor. Dass er, Löger, ein Foto vom Sideletter gemacht und auch wieder gelöscht habe, sei ihm auch nicht bewusst. Die Vorlage des Bildes bei der WKStA habe ihn schockiert. Er habe gemäß der ursprünglichen Einigung von Schiefer und Schmid mit der Aufteilung zwei zu eins gehandelt.

Von Sideletter „verblüfft“

Löger seinerseits gab an, er sei am 14. Jänner 2019 „verblüfft“ und verärgert gewesen, als er bei einer Besprechung erfahren habe, dass es den Sideletter gebe. Er habe davor mehr als ein Jahr lang unter der Annahme eines „Gentlemen’s Agreement“, das eine Aufteilung der Posten zwischen ÖVP und FPÖ im 2:1-Verhältnis vorsah, gearbeitet.

Er habe Bonelli nach dieser Regierungsvereinbarung gefragt. Der sei schließlich in einen Nebenraum gegangen und habe ihm ein Dokument gezeigt, das im Zuge der Koalitionsverhandlungen entstanden sei. Er sei zusätzlich verblüfft gewesen, da auch Schmid das Papier nicht gekannt habe, obwohl dieser bei den Regierungsverhandlungen dabei war.

Kurz laut Löger interessiert

Kurz habe sich immer interessiert gezeigt, aber er habe keinen Druck von ihm verspürt, so Löger unter Wahrheitspflicht. Er wies von sich, dass es eine Zustimmung von Kurz für Besetzungen gebraucht habe. Bei Wolf habe sich Kurz direkt eingebracht, sonst sei es aber nicht möglich, sich bei allen Bestellungen zu involvieren, zeigte sich Löger über die Aussagen Schmids verwundert.

Schmid habe jedenfalls intensiv an der ÖBAG und dem dazugehörigen Gesetz gearbeitet, so Löger im Prozess am Montag weiter, Schmid habe allerdings bis zuletzt angegeben, sich nicht sicher zu sein, ob er sich bewirbt. Gefragt nach dem offenbar auch angespannten Verhältnis zu Schmid meinte Löger, Schmid habe einen Vorschlag zu seiner Nachbesetzung gemacht, er habe aber eigene Idee gehabt. Schmid sei emotional geworden, als er, Löger, Schmids Vorschlag nicht direkt angenommen habe. Er habe Schmid austauschen wollen, gab Löger vor dem Landesgericht an.

Hartwig Löger am Wiener Straflandesgericht
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Das Medieninteresse war auch bei Löger wieder groß

Wolf laut Löger kein Zeichen für Neustart

Gefragt nach einem Chat von Schmid, in dem dieser nach dem Aufsichtsratsvorsitzenden für die ÖBAG befragt wurde und in dem Schmid auf Kurz verwies, gab sich Löger einmal mehr ausweichend. Dass Schmid direkten Kontakt zu Kurz bezüglich der Besetzungen hatte, habe er nicht gewusst, so Löger.

Warum wurde Wolf nicht Vorsitzender des Aufsichtsrats? Er selbst habe Wolf kritisch gesehen, auch wegen seiner ersten ÖIAG-Aufsichtsratsrolle. Das vermittle keinen Neuanfang, damit habe er auch Kurz überzeugen können. Es sei ein wenig „herumgeturnt“ worden um den Vorschlag, auch Russland und die Sanktionen seien Thema gewesen. Löger gab an, mit Wolf auch direkt gechattet und geredet zu haben.

„Hilfreicher Vorschlag“

Löger bestätigte, dass auch der Vorschlag für Helmut Kern, der dann tatsächlich den Vorsitz des ÖBAG-Aufsichtsrats übernahm, aus dem Bundeskanzleramt kam. Konkret sei der Name von Bonelli gekommen. Löger sprach von einem „hilfreichen Vorschlag“, daher habe er sich in einem Chat bei Bonelli auch dafür bedankt.

Nach Schmids Wechsel in die ÖBAG wurden in Lögers Kabinett ein neuer Generalsekretär und ein neuer Kabinettschef berufen. Auch hier verneinte Löger Druck aus dem Kanzleramt. Der neue Kabinettschef Rainer Rösslhuber sei ein persönlicher Vertrauter von ihm gewesen, beim Generalsekretär (es wurde Dieter Schuster, Anm.), räumte Löger ein, sei ihm klar gewesen, dass hier die politische Ausrichtung wichtig sei. Löger sprach umgekehrt von „Widerstand“ Schmids gegen seine Nachfolgeregelung. Löger meinte zudem, er habe auch Druck Schmids im Kanzleramt gegen seine – Lögers – Personalwahl verspürt.

Löger: Kandidat der letzten Minute

Löger sei Ende 2017 von Kurz als Kandidat der letzten Minute angerufen worden, wie der ehemalige Minister zu Beginn sagte. Warum er Minister werden wollte, wollte Richter Radasztics wissen. Löger gab an, aus Idealismus zugesagt zu haben, auch weil die Funktion außerhalb seiner „Komfortzone“ gewesen sei. Ihm sei eine „stabile Basis“ im Ministerium wichtig gewesen, weil er sich selber erst habe einarbeiten müssen, er habe das Kabinett großteils übernommen.

Schmid habe er am Wochenende vor der Angelobung bei einem Treffen in der Politischen Akademie der ÖVP in Wien kennengelernt. Er sei ihm als langjähriger Kabinettschef und mittlerweile auch Generalsekretär im Finanzministerium vorgestellt worden. Später habe er erfahren, dass Schmid in die Regierungsverhandlungen eingebunden war, er, Löger, sei nicht daran beteiligt gewesen. Kurz kenne er noch als Student, auch unter Vermittlung des späteren Vizekanzlers Michael Spindelegger (ÖVP).