das Parlament in Belgrad
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Vorwürfe des Wahlbetrugs

Serbische Opposition ruft zu Protesten auf

„Das ist ein klarer Sieg und das macht mich glücklich“, hat der serbische Präsident Aleksandar Vucic nach den Parlaments- und Kommunalwahlen in 65 Gemeinden am Sonntag gesagt. Nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen erreichte seine Fortschrittspartei (SNS) 47 Prozent. Opposition und Wahlforscher warfen der Regierungspartei Wahlbetrug und Stimmenkauf vor. Die proeuropäische Opposition rief in Belgrad zu Protesten auf.

Das proeuropäische Oppositionsbündnis Serbien gegen Gewalt (SPN) erreichte nach Auszählung fast aller Stimmen 23 Prozent, gefolgt von den Sozialisten mit rund sechs Prozent. Zudem schafften zwei kleinere nationalistische Parteien mit jeweils knapp fünf Prozent den Einzug ins Parlament. Die größte Überraschung war die Liste des Arztes und Rechtspopulisten Branimir Nestorovic, der aus dem Stand den Einzug ins Parlament schaffte. Ein offizielles Ergebnis wird für Montagabend erwartet.

Die Opposition und Wahlbeobachter sprachen von 450 Verstößen gegen die Wahlordnung durch die SNS. Es seien Stimmen gekauft, Unterschriften gefälscht und Menschen aus der serbischen Republika Sprska in Bosnien in Bussen nach Belgrad gebracht worden, um dort zur Wahl zu gehen. „Wir sind Zeugen eines ernsthaften Versuchs geworden, die Wahl zu stehlen“, sagte einer der SPN-Vorsitzenden, Miroslav Aleksic.

Wahlbeobachter: „Unfaire Verhältnisse“

Den Schätzungen der Opposition zufolge wurden 40.000 Personalausweise an Menschen ausgestellt, die nicht in Serbien leben, und diese dann zur Wahl geschickt. OSZE-Wahlbeobachter kritisierten am Montag die Omnipräsenz von Vucic. Obwohl er nicht zur Wahl gestanden sei, habe sich alles um ihn gedreht, sagte der Wahlbeobachter und ÖVP-Abgeordnete Reinhold Lopatka. Das habe zu „unfairen Verhältnissen“ geführt.

Hingewiesen wurde auch auf eine „völlige Polarisierung“ der serbischen Gesellschaft. Als „beunruhigend“ bezeichnete Wahlbeobachter und EU-Abgeordneter Andreas Schieder (SPÖ) die Berichte über Betrug. Er forderte eine unabhängige Untersuchung.

Serbien: Vorwürfe wegen Wahlbetrugs

„Das ist ein klarer Sieg, und das macht mich glücklich“, hat der serbische Präsident Aleksandar Vucic nach den Parlaments- und Kommunalwahlen in 65 Gemeinden am Sonntag gesagt. Nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen erreichte seine Fortschrittspartei (SNS) 47 Prozent. Opposition und Wahlforscher warfen der Regierungspartei Wahlbetrug und Stimmenkauf vor. Die proeuropäische Opposition rief in Belgrad zu Protesten auf.

„Serbien ist sicher keine Demokratie mehr“

Laut Lopatka gab es auch Unregelmäßigkeiten – allerdings in einem „begrenzten Ausmaß“ in Form von Stimmenkauf, Bringen von Wählern nach Belgrad und teilweiser Gewaltanwendung. In der Stadt Odzaci im Nordosten berichteten Wahlbeobachter des Zentrums für Forschung, Transparenz und Verantwortung (CRTA) etwa, sie seien angegriffen worden, „nachdem ein Fall von Wahlbetrug registriert“ worden sei.

„Serbien ist sicher keine Demokratie mehr. Das haben die Wahlen gezeigt, die nicht frei und fair waren“, sagte der Südosteuropa-Experte Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) im ORF-III-Interview. Es habe keine freie und faire Wahlauseinandersetzung gegeben: „Da kann die Opposition nicht punkten.“

Opposition ruft zu Protesten in Belgrad auf

Bei der Kommunalwahl in Belgrad waren der proeuropäischen Opposition Chancen auf den Sieg prognostiziert worden. Doch aktuellen Meldungen zufolge führt die SNS vor der SPN. Vucic ging bereits von einem Sieg der SNS auch in der Hauptstadt aus, SPN fühlte sich um den Sieg betrogen und kritisierte die Stimmabgabe von „Phantomwählern“ etwa aus der Republika Srpska. Für den Abend rief die SPN zu Protesten in Belgrad auf. Sie fordert eine Annullierung der Kommunalwahl in Belgrad.

Königsmacher in Belgrad könnte die Liste des Rechtspopulisten Nestorovic sein. Er schloss bisher aber aus, mit einem der beiden Parteienbündnisse koalieren zu wollen. Nestorovic schaffte seinen Überraschungserfolg mit einem minimalen Wahlkampfbudget von umgerechnet rund 12.000 Euro vor allem über Präsenz in sozialen Netzwerken.

Analyse der Wahl in Serbien

Der Politologe Vedran Dzihic analysiert die Wahl in Serbien.

Absolute Mehrheit für SNS „Überraschung“

In den Umfragen war auf Landesebene ein Sieg der SNS vorhergesagt worden. „Die SNS beherrscht die mediale Szene und die Öffentlichkeit, Ressourcen des Staates werden für die Partei in Bewegung gesetzt, sie hat mit Vucic ein starkes Zugpferd“, erklärt Dzihic die Popularität der Regierungspartei. Zudem mangle es der Opposition an charismatischen Persönlichkeiten.

Nach Angaben von Transparency gab die SNS vier Millionen Euro für Wahlwerbespots aus, die Sozialisten eine halbe Million Euro, die Opposition folgte weit abgeschlagen. Das teilte Jakov Devcic, Leiter des Büros in Serbien und Montenegro der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), mit. „So ein deutlicher Sieg ist aber eine absolute Überraschung“, lautete seine Einschätzung am Montag nach der Wahl.

der serbische Präsident Aleksandar Vucic
APA/AFP/Elvis Barukcic
Vucic zeigte sich Sonntagabend „glücklich über den klaren Sieg“

Glückwünsche zum Wahlsieg gab es vom Kreml. Moskau hoffe, dass der „Weg der Stärkung der Freundschaft und unserer Zusammenarbeit“ fortgesetzt werde. Ungarns Regierungschef Viktor Orban sprach von einem „überwältigenden Wahlsieg“.

Experte: Opposition Wind aus den Segeln genommen

Bisher war die SNS mit der Sozialistischen Partei (SPS) von Außenminister Ivica Dacic auf einen Koalitionspartner angewiesen. Das sei nun mit voraussichtlicher absoluter Mehrheit nicht mehr unbedingt erforderlich. Beobachter gehen aber davon aus, dass die SNS die Koalition mit den Sozialisten und möglicherweise auch Minderheitenparteien fortsetzt.

Kritiker werfen Vucic einen autoritären Regierungsstil vor. Mit dem Sieg der SNS sei es ihm gelungen, der „Opposition Wind aus den Segeln zu nehmen“, so Dzihic. Mit der Wahl habe der serbische Präsident zudem Zeit gewonnen – in der Auseinandersetzung mit der EU und deren Drängen auf die Klärung der Kosovo-Frage.

Fortsetzung von bisherigem Kurs erwartet

Einig sind sich Beobachter, dass Vucic von seinem bisherigen Kurs nicht abweichen werde: keine Anerkennung des Kosovo, Balance zwischen dem Westen auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite. Gerade in der Kosovo-Frage erwartete Dzihic im ORF-Interview eine Pattsituation und mögliche neue Spannungen. Die EU habe nicht die Möglichkeit, auf beide Seiten einzuwirken.

Spannungen im Kosovo sowie die Massenproteste in Belgrad nach zwei Amokläufen im Mai mit 18 Toten waren mit ausschlaggebend für die vorgezogenen Wahlen. Denn die Proteste richteten sich vorrangig gegen die Regierung, Korruption und eine Beschränkung der Medienfreiheit.