Teilnehmer bei einer Wahlkampfveranstaltung
AP/Samy Ntumba Shambuyi
Rohstoffreich und arm

Hochspannung vor Wahlen in DR Kongo

Am Mittwoch wird in der Demokratischen Republik (DR) Kongo, dem zweitgrößten Land in Afrika, gewählt. Unabhängige Expertinnen und Experten sehen den aktuellen Präsidenten Felix Tshisekedi im Vorteil, trotzdem ist der Ausgang ungewiss. Seriöse Umfragen gibt es keine. Überschattet werden die Wahlen in dem rohstoffreichen Land von einer hohen Armut in der Bevölkerung, einer schwächelnden Wirtschaft und einem jahrzehntelang andauernden Konflikt in der Grenzregion im Osten, der fast schon vergessen scheint.

Gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl werden in dem Land mit rund 96 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern auch die 500 Mitglieder der Nationalversammlung sowie Vertreterinnen und Vertreter der 26 Provinzparlamente gewählt. Nach Jahren der Diktatur und des Bürgerkrieges wurden erst drei nationale Wahlen (2006, 2011 und 2018) abgehalten.

Rund 44 Millionen registrierte Wähler und Wählerinnen sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Über 900 Parteien stehen aktuell in einem Land zur Wahl, in dem einerseits zwei Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und das andererseits einige der Regionen mit den weltweit meisten Bodenschätzen beheimatet. Viele dieser Mineralien würden für Handys und E-Autos benötigt.

Vor allem die Ausfuhr von Bodenschätzen wie Kupfer, Kobalt, Coltan und Gold sind für die Wirtschaft des Landes von großer Bedeutung. Neben dem immensen Vorkommen an Rohstoffen befindet sich in der DR Kongo zudem die zweitgrößte zusammenhängende Regenwaldfläche der Welt, die auch zunehmend der weltweiten Abholzung zum Opfer fällt.

Absprache mit Amtsvorgänger

Die Augen sind vor allem auf das Duell um das Präsidentenamt gerichtet. Dort stellt sich Tshisekedi seiner Wiederwahl, nachdem er 2018 nach einer äußerst umstrittenen Entscheidung von der Wahlkommission knapp zum Sieger erklärt worden war.

Die katholische Bischofskonferenz, die in der Zivilgesellschaft des Landes zumeist präsenter ist als die Zentralregierung, kam damals – im Gegensatz zum offiziellen – zu einem ganz anderen Ergebnis, das den Konkurrenten Martin Fayulu mit über 60 Prozent als klaren Sieger und Tshisekedi bei lediglich 19 Prozent sah.

Felix Tshisekedi, Präsident Demokratische Republik Kongo
APAZ/AFP/John Wessels
Amtsinhaber Felix Tshisekedi wurde 2018 in einer umstrittenen Entscheidung knapp zum Präsidenten erklärt

Viele Beobachterinnen und Beobachter waren der Meinung, dass die Ernennung Tshisekedis das Ergebnis geheimer Absprachen zwischen ihm und seinem Amtsvorgänger Joseph Kabila war. Aufgrund dessen steht bei der Wahl am Mittwoch vor allem die Wahlkommission CENI (franz.: Commission electorale nationale independante) unter genauer Beobachtung, die Wahl gilt als kritischer Test für die Demokratie.

Experte sieht Zweikampf

Neben Tshisekedi stellen sich der Wahl ebenfalls erneut Fayulu sowie Dutzende weitere Kandidatinnen und Kandidaten, darunter Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege. Aussichtsreiche Karten hat laut Martin Doevenspeck, Professor für Politische Geographie am Geographischen Institut der Universität Bayreuth, aber lediglich Moise Katumbi, ein Unternehmer und ehemaliger Gouverneur der reichen Provinz Katanga im Süden der DR Kongo.

Präsidentschaftskandidat Moïse Katumbi
Reuters/Arlette Bashizi
Moise Katumbi ist vielen Beobachtern zufolge der aussichtsreichste Herausforderer von Tshisekedi

Gegenüber ORF.at sieht der Experte einen Zweikampf zwischen dem aktuellen Präsidenten Tshisekedi und Katumbi. Dieser sei auch „eine Konfrontation zwischen zwei Provinzen und zwei ethnischen Gruppierungen“. Auf der einen Seite Katanga, aus der der Herausforderer kommt, und auf der anderen Seite die Provinz Kasai, der der aktuelle Präsident entstammt. Durch seine aktuelle Amtsstellung und Machtposition wird Tshisekedi von vielen favorisiert. Seit einer Verfassungsänderung im Jahr 2011 reicht für den Sieg übrigens eine einfache Mehrheit.

Schwaches Wirtschaftswachstum

Wirtschaftlich gesehen stand das Land zuletzt äußerst schlecht da. Auf dem Index der menschlichen Entwicklung (HDI) liegt die DR Kongo auf Platz 179 von 191. Doevenspeck sieht hier mehrere Faktoren verantwortlich. Einerseits habe die Abwertung des Kongo-Franc gegenüber dem Dollar ernsthafte Auswirkungen auf die Bevölkerung im Kongo.

Die Kongolesinnen und Kongolesen bekommen ihr Gehalt in der Landeswährung ausbezahlt, müssen ihre Ausgaben aber in Dollar tätigen. Und zum anderen litt die DR Kongo im vergangenen Jahr unter einem schwachen Wachstum im für die DR Kongo so wichtigen Bergbausektor.

Wahlkampf ohne Programme

Trotz der wirtschaftlich schlechten Lage würde über Wahlprogramme im Wahlkampf nur wenig geredet. Die beiden Hauptkandidaten würden sich vielmehr nur gegenseitig beleidigen. „Es gibt kein politisches Projekt, über das man sprechen könnte“, meint der Experte. Präsident Tshisekedi würde Katumbi beschuldigen, Kandidat des Auslands – vor allem des östlichen Nachbarn Ruanda – zu sein. Und Katumbi selbst werfe dem Präsidenten vor, nach dessen Amtszeit nichts vorweisen zu können.

Wahlplakate in Kongo
APA/AFP/John Wessels
In den größeren Städten häufen sich die Wahlplakate der Kandidatinnen und Kandidaten

Doch auch in der Bevölkerung hätte der Hass stark zugenommen. Die EU hatte sich am Dienstag über die Lage in der DR Kongo besorgt geäußert. Die „Hassreden, Gewalt und Zwischenfälle in den letzten Tagen des Wahlkampfes“ seien besorgniserregend, hieß es. Laut UNO seien auch schwere Menschenrechtsverletzungen registriert worden, die untersucht und verfolgt werden müssten.

Die EU hatte im vergangenen Monat die eigentlich geplante Entsendung von Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachtern aus „technischen“ Gründen abgesagt. Berichten zufolge hatten die kongolesischen Behörden den Beobachterinnen und Beobachtern die Nutzung von Satellitenausrüstung untersagt, weil sie angeblich eine Manipulation der Präsidentschaftswahl mit Hilfe der Technik fürchteten.

Brennpunkt im Osten

Besorgniserregend ist die Lage aber vor allem auch im Osten des Landes. Die dicht besiedelte Provinz Nordkivu ist seit rund drei Jahrzehnten Herd eines Konfliktes, der fast schon vergessen scheint. Das dortige Wiedererstarken der Tutsi-Rebellenbewegung M23, die vom Nachbarland Ruanda unterstützt werden soll, sowie die stetige Erweiterung des von ihr kontrollierten Gebietes machen eine Durchführung der Wahlen vielerorts praktisch unmöglich. De facto herrscht dort Kriegsrecht.

In den Städten Rutshuru und Masisi nördlich der Provinzhauptstadt Goma werden 1,5 Millionen Menschen bei den Wahlen am Mittwoch nicht wählen können, weil die M23 diese kontrolliert und diese dort daher nicht stattfinden können. Doch auch im Rest des Landes würden viele Menschen kategorisch von den Wahlen ausgeschlossen, wie Doevenspeck sagt. „Wählerausweise, die teilweise auch als Personalausweise fungieren, verblassen und viele sind zum Teil auch gar nicht mehr lesbar.“ Und vielen würden dann keine neuen Ausweise mehr ausgestellt werden, so der Experte.

Je nach Wahlergebnis könnte es Wochen oder Monate dauern, bis die DR Kongo einen neuen Präsidenten hat. Doch trotz aller Krisen und Gewalt sieht der Experte auch Hoffnung für eine bessere Zukunft für das Land und verweist auf eine starke Zivilgesellschaft. Diese würde sich gut organisieren, Veränderungen einfordern und für diese auch einstehen.