der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny
APA/AFP/Natalia Kolesnikova
Nawalny weiter verschwunden

Russisches Gericht setzt Prozess aus

Der seit fast zwei Wochen in Haft verschwundene Kreml-Gegner Alexej Nawalny ist am Montag erneut nicht zu einer Gerichtsverhandlung erschienen. Der Richter im Gebiet Wladimir habe deshalb das Verfahren bis zur Klärung des Aufenthaltsortes des Politikers eingestellt, teilte Nawalnys Team mit. Die Juristen des Oppositionellen kritisierten, dass das Gericht damit gegen russische Gesetze verstoße.

„Der Richter hat sich einfach der Pflicht der Rechtsprechung entledigt, anstatt das Erscheinen des Klägers sicherzustellen“, teilten Nawalnys Juristinnen und Juristen mit. „Alexej hätte heute sieben Gerichtsverhandlungen haben sollen“, sagte seine Sprecherin Kira Jarmisch am Montag. Die Sorge um den 47-Jährigen sei groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist.

Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Seit Anfang Dezember fehlt von dem schärfsten Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin jede Spur.

Juristen werfen Strafvollzug Lügen vor

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Strafvollzugs hätten vor Gericht einmal mehr lediglich mitgeteilt, dass Nawalny nicht mehr im Straflager IK-6 rund 260 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir sei. Es gebe aber weiter keine Information zu seinem Aufenthaltsort. Nawalnys Juristen warfen dem Strafvollzug auch Lügen vor, weil die Angestellten zuletzt erklärt hatten, der Politiker werde aus technischen Gründen nicht zu den Verhandlungen vor Gericht per Video zugeschaltet.

Auf die Frage des Richters, warum Nawalny aus dem Lager verlegt wurde, hätten die Vertreter des Strafvollzugs geantwortet: „Zur Verbüßung seiner Strafe“. „Am Wochenende haben die Juristen Anfragen in mehr als 200 Untersuchungsgefängnissen gestellt. Wir warten auf Antworten“, sagte Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow.

Sprecherin: Seit 6. Dezember nicht mehr gesehen

Am Freitag hatte Nawalnys im Exil lebende Sprecherin Jarmisch auf X (Twitter) mitgeteilt, dass der Kreml-Kritiker „die Region Wladimir verlassen“ habe, in der er inhaftiert gewesen sei. „Es ist nicht klar, wohin genau.“

Jarmisch sagte, Nawalnys Anwälte hätten den Oppositionellen seit dem 6. Dezember nicht mehr gesehen. Die russische Zeitung „Kommersant“ meldete, ein Gericht habe mitgeteilt, dass Nawalny seine Strafkolonie gemäß einem in Kraft getreten Urteil aus dem Sommer verlassen habe. Nawalnys Ankunft in seiner neuen Strafkolonie werde im Rahmen der geltenden Gesetze mitgeteilt.

Die Kreml-Gegner um Nawalny hatten Anfang Dezember auch die Kampagne „Russland ohne Putin“ begonnen, mit der sie Wählerinnen und Wähler vor der Präsidentenwahl am 17. März dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Putin tritt zum fünften Mal bei der Abstimmung an, mögliche Mitbewerber gelten als chancenlos.

USA und Frankreich besorgt

Nawalny, der 2020 auch einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt hatte, ist seit fast drei Jahren in Haft. Er wurde international als politischer Gefangener anerkannt. Die US-Regierung hatte sich vergangene Woche „tief besorgt“ über den Zustand Nawalnys gezeigt und die „sofortige“ Freilassung des Kreml-Kritikers gefordert.

Der Kreml kritisierte daraufhin eine „Einmischung“ Washingtons in den Fall. Auch die französische Regierung hatte am Freitag Sorge geäußert und erklärt, Russland sei in der Verantwortung für die Gesundheit seiner Gefangenen.