Smartphones auf Tisch
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Handysicherstellung

Politik sieht sich durch VfGH bestätigt

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat entschieden: Die Sicherstellung von Mobiltelefonen ohne davor erfolgte richterliche Genehmigung ist verfassungswidrig. Die Politik begrüßte den am Dienstag veröffentlichten Entscheid. Auch aus der Justiz kamen positive Reaktionen. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kündigte eine „zeitnahe“ Umsetzung an.

„Ich begrüße, dass der Verfassungsgerichtshof mit seiner heutigen Entscheidung die grundrechtlichen Fragen und Abwägungen bei Handysicherstellungen verfassungsrechtlich geklärt hat", hieß es von Zadic in einer Stellungnahme. Wichtig sei, dass eine neue Regelung die Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung wahre und staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungen nicht gefährde. Man habe daher schon im Vorfeld intensive Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden geführt.

Gar nicht schnell genug gehen kann es Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). „Es ist unser gesetzlicher Auftrag, dies umgehend zu korrigieren“, so die Ministerin. Die Handydatensicherstellung müsse jetzt rasch auf neue Beine gestellt werden. „Wir dürfen hier keine Zeit verlieren. Die aktuelle Gesetzeslage berücksichtigt nicht, dass Handys umfassende Informationen zu unserem gesamten Leben enthalten.“

VfGH: Verletzung von Datenschutz und Menschenrechten

Diese Ansicht findet sich so auch im Entscheid des VfGH. Die derzeitige Regelung verstößt nach Ansicht des Höchstgerichts gegen das Recht auf Privatleben und das Datenschutzgesetz. Es sei zwar ein legitimes Ziel, Datenträger (diese umfassen neben Smartphones etwa auch Laptops und PCs) sicherzustellen und auszuwerten, um Straftaten zu verfolgen. Auch stelle die rasche Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien die Kriminalitätsbekämpfung vor besondere Herausforderungen.

Strafrechtsprofessorin zum Handyurteil des VfGH

Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes kommentiert das Urteil des Verfassungsgerichtshofs – und beleuchtet dessen Konsequenzen für Ermittlungsbehörden.

Doch die angefochtenen Bestimmungen der Strafprozessordnung entsprechen laut VfGH nicht den Anforderungen von Datenschutzgesetz und Europäischer Menschenrechtskonvention. Im Unterschied zu anderen Gegenständen ermögliche der Zugriff auf einen Datenträger nicht nur ein punktuelles Bild über das Verhalten von Betroffenen, sondern einen umfassenden Einblick in wesentliche Teile des bisherigen und aktuellen Lebens. Der VfGH gab mit dieser Entscheidung dem Antrag eines Kärntner Unternehmers statt, gegen den wegen des Verdachts der Untreue ermittelt wurde.

Parteien sehen sich bestätigt

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sah in dem Erkenntnis die „Linie der Volkspartei zum Schutz des Privatlebens und zur Stärkung der Beschuldigtenrechte bestärkt“, wie er per Aussendung mitteilte. Bei den Sicherstellungen seien Recht auf Persönlichkeitsschutz und damit auf das Privatleben „eklatant verletzt worden“.

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim begrüßte die Entscheidung des VfGH. Ebenso ihr NEOS-Pendant Johannes Margreiter, der eine Reparatur bereits im ersten Halbjahr 2024 verlangt hatte. FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst und FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan nannten die Entscheidung „absolut nachvollziehbar“.

Richtervereinigung: „Sehr wichtige Entscheidung“

Der Präsident der Richtervereinigung, Gernot Kanduth, sprach gegenüber der APA von einer „aus grundrechtlicher Sicht sehr wichtigen Entscheidung“. Handys hätten seit der Schaffung des entsprechenden Paragrafen eine deutliche Entwicklung durchgemacht, auch die Möglichkeiten zur Wiederherstellung von Daten seien heute weiter fortgeschritten. Dafür müsse man auch in Kauf nehmen, dass die vom VfGH gemachten Vorgaben für die Richterinnen und Richter mit Mehrarbeit verbunden sind.

In ihrer Einschätzung bestätigt fühlten sich auch die Rechtsanwälte. Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, Armenak Utudjian, verwies auf einen im Vorjahr vorgestellten Reformvorschlag. „Ich halte es für bedauerlich, dass der Zeitraum seit der Präsentation unseres konkreten Reformvorschlags vor einem Jahr nicht genutzt wurde, um eine Neuregelung in die Wege zu leiten.“ Umso rascher müssten Regierung und Gesetzgeber jetzt aktiv werden.

Für die Präsidentin der Staatsanwältevereinigung, Cornelia Koller, ist nun wichtig, dass eine „klare, grundrechtskonforme und auch praxistaugliche Regelung gefunden wird“. Die Handysicherstellung sei ein „Massengeschäft im staatsanwaltschaftlichen Alltag“, betonte sie gegenüber der APA. Eine neue Regelung müsse auch nicht nur Mobiltelefone bzw. Datenträger an sich umfassen, sondern in Zeiten von Clouds allgemein die Sicherstellung von Daten. Dabei müsse geregelt werden, welche Daten gebraucht werden, und wie man dazu komme. „Es geht um den Inhalt der Daten, das soll ausschlaggebend sein für den Rechtsschutz.“

Richter müssen klare Vorgaben machen

Erste Leitplanken für eine künftige Neuregelung finden sich auch gleich im VfGH-Entscheid. So müsse der Richter oder die Richterin im Fall einer Bewilligung auch festlegen, welche Datenkategorien und -inhalte aus welchem Zeitraum und zu welchen Ermittlungszwecken ausgewertet werden dürfen, so der VfGH. Außerdem müssten das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abgewogen werden.

Die konkreten Anforderungen könnten dabei von der Intensität des Eingriffs abhängen. So könne es etwa einen Unterschied machen, ob eine Sicherstellung von Datenträgern bei allen oder z. B. nur bei schweren Straftaten oder etwa nur bei Cyberkriminalität vorgesehen wird. Eine Rolle spielen kann auch, ob der Gesetzgeber Vorkehrungen trifft, dass die Auswertung nachvollziehbar sowie überprüfbar ist und im erforderlichen Ausmaß erfolgt.

Außerdem müsse gewährleistet werden, dass Betroffene trotz Sicherstellung jene Informationen erhalten, die zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte nötig sind. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, ob es eine unabhängige Aufsicht gibt.

Gesamte Sicherstellung betroffen

Zwar stieß sich der VfGH konkret an der Sicherstellung von Datenträgern. Aufgehoben wurde durch das Entscheid aber die gesamte Sicherstellung aus Beweisgründen – also unabhängig davon, ob Handys oder etwa eine Mordwaffe betroffen sind.

Allerdings kann bis zur Reparatur der Bestimmungen wie bisher ermittelt werden. Auch frühere Verfahren sind nicht betroffen, abgesehen von jenem des Antragstellers. Unbegrenzte Zeit darf sich die Politik mit einer Gesetzesreparatur freilich nicht lassen. Die aktuelle Regelung tritt spätestens am 1. Jänner 2025 außer Kraft.