Flagge der EU und Flagge Belgiens vor dem EU-Parlament
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Belgien

EU-Ratsvorsitz mit „Zeitverkürzung“

Zum Jahreswechsel hat Belgien turnusgemäß für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union von Spanien übernommen. In der zweiten Jahreshälfte folgt dann Ungarn. Wegen der Europawahlen – gleichzeitig mit Parlamentswahlen – im Juni hat die belgische Ratspräsidentschaft aber weniger Zeit, um ihre Vorhaben durchzubringen.

„Schützen, stärken, vorbereiten“ hat die belgische Regierung als Motto für ihre EU-Ratspräsidentschaft ausgegeben. Rund 150 EU-Gesetzesvorhaben gibt es, die noch nicht abgeschlossen wurden. Für den belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo geht es in erster Linie darum, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen und die Union auf die Zukunft auszurichten.

„Das zweite Element ist die Stärkung unserer Wirtschaft. Eine Wirtschaft, die unseren Wohlstand schafft, die Arbeitsplätze schafft, die unsere soziale Solidarität finanziert“, sagte De Croo. Für seinen Ratsvorsitz hat sich Belgien vorgenommen, den Gesundheitsbereich stark zu fördern. Daran anschließend will das Land die Sozialagenda weiter voranbringen, indem die Vorgaben der Europäischen Sozialcharta umgesetzt werden. Allein diese beiden Felder sind Mammutaufgaben.

Schwerpunkt mögliche EU-Erweiterung

Zudem sieht das Programm Fortschritte beim „Green Deal“ vor. Die belgische Ratspräsidentschaft wird auch die ersten Diskussionen über die Umweltziele für 2040 leiten. Auch eine Einigung über die Revision des mehrjährigen Finanzrahmens der Union steht noch aus. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Aufstockung des mehrjährigen EU-Budgets scheiterte bisher am Veto Ungarns.

Belgiens Premierminister Alexander de Croo
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Auf den belgischen Ratsvorsitz unter Premier Alexander De Croo warten viele offene Baustellen

Schließlich werden die Reform der EU und die möglichen Erweiterungsschritte in diesem Halbjahr weiter diskutiert werden. „Es geht darum, unser Europa darauf vorzubereiten, größer zu werden. Und bevor wir größer werden, müssen wir besser werden, wir müssen besser werden in einer schnelleren Entscheidungsfindung, die uns hilft, unsere Einheit zu bewahren“, sagte De Croo.

Für 1. Februar ist ein Sonder-EU-Gipfel geplant, bei dem es um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und auch Moldawien gehen soll. Offen ist außerdem, ob es Signale in Richtung Westbalkan gibt. Die dortigen Länder warten seit mehr als zwei Jahrzehnten auf die EU-Mitgliedschaft. Die Aussagen der belgischen Ratspräsidentschaft zur Erweiterung werden auch deshalb genau verfolgt werden, weil im Mai der 20. Jahrestag der großen Osterweiterung der Union gefeiert wird.

Gleichzeitig Europa- und Parlamentswahlen

Das Ziel sei es, so viele Vorhaben wie möglich noch vor der EU-Wahl zu einem Abschluss zu bringen, sagte die belgische Außenministerin Hadja Lahbib. Spätestens im Mai, wenn der EU-Wahlkampf an Fahrt gewinnt und das EU-Parlament nicht mehr zu Plenarsitzungen zusammenkommt, schließt sich das Fenster. Gleichzeitig mit den Europawahlen finden in Belgien am 9. Juni Parlamentswahlen statt. Außerdem werden die Parlamente der Bundesländer Flandern und Wallonie neu gewählt sowie das Parlament der Region Brüssel-Hauptstadt.

Ungarns Premierminister Viktor Orban
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Der ungarische Ratsvorsitz unter Premier Viktor Orban im zweiten Halbjahr birgt politischen Sprengstoff

Brisante Übergabe an Ungarn

Am 1. Juli übergibt Belgien die Ratspräsidentschaft dann an Ungarn, was im Vorfeld für gehörigen politischen Sprengstoff sorgte. Wegen Einschnitten in die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn unter Premier Viktor Orban hatte das EU-Parlament die planmäßige Präsidentschaft infrage gestellt. Der Vorsitz dürfte dennoch über die Bühne gehen. Laut Europaminister Janos Boka laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Als Schwerpunkte nannte er unter anderem die „demografischen Herausforderungen“, womit er die Migrationspolitik meinte. Ungarn gilt auch dabei als Blockierer.

Selbst wenn die EU-Gesetzgebungsverfahren in der Regel auf Brüsseler Ebene ausgehandelt werden, kommt der jeweiligen Ratspräsidentschaft doch eine wichtige Aufgabe zuteil. Ministerinnen und Minister jenes Landes, das die Ratspräsidentschaft innehat, sitzen den jeweiligen Treffen mit ihren EU-Kolleginnen und -Kollegen vor. Ihre Aufgabe ist es, Themenschwerpunkte zu setzen, die Gespräche zu leiten und vor allem den Konsens zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu suchen.