Frau sieht sich in einem Bekleidungsgeschäft Oberteile an
ORF.at/Dominique Hammer
Teuerung und Wohlstand

Österreich liegt zurück

Das heurige Jahr endet für die Wirtschaft schwach, in den beiden kommenden Jahren wird sie nur schwach wachsen, die Inflation bleibt bis 2025 vergleichsweise hoch, zumindest die Einkommen steigen: So lauten drei zentrale Punkte der Winterprognose von Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS). Bei der Bekämpfung der Teuerung und in Sachen Wohlstand liegt Österreich zurück.

Ein wirtschaftliches „Weihnachtswunder“ werde es in diesem Jahr nicht mehr geben, sagte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr bei der Präsentation der Prognose 2023 bis 2025. Wenn sich auch die Prognosewerte der beiden Institute für die Konjunktur marginal unterscheiden, in einem zentralen Punkt war er sich mit IHS-Direktor Holger Bonin einig: Die Inflation bleibt hoch und ein Problem.

Das WIFO geht davon aus, dass die Wirtschaft 2023 um 0,8 Prozent schrumpft, das IHS von einem Minus von 0,7 Prozent aus, der „Tiefpunkt“ (Felbermayr) bzw. die „Talsohle“ (Bonin) dürfte mit Jahresende durchschritten sein. Für die beiden kommenden Jahre sehen beide Institute ein verhaltenes reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,9 (WIFO) bzw. 0,8 Prozent und 2,0 (WIFO) bzw. 1,5 Prozent.

Inflation geht nur langsam zurück

Grund für das zumindest moderate Plus seien die steigenden Realeinkommen (siehe aktuelle Kollektivvertragsverhandlungen) und damit mehr Konsum sowie die nachlassende Teuerung. Unter umgekehrten Vorzeichen haben genau diese drei Faktoren die Wirtschaft heuer belastet. Dazu kommt eine Rezession etwa in der Bauwirtschaft, von der sich diese nur schwer erholt.

Zentrales Stichwort Inflation: Diese hatte 2022 auf Jahressicht 8,6 Prozent betragen, heuer dürften es immer noch sehr hohe 7,9 (WIFO) bzw. 7,8 Prozent (IHS) sein. 2024 soll die Teuerungsrate auf 4,0 bzw. 3,9 Prozent und 2025 auf 3,1 bzw. 3,0 Prozent sinken.

Österreich ist anders

Bei der Inflation ist Österreich in einer gewissen Sondersituation, die Felbermayr genauer erläuterte. Die Inflation ist höher als im Durchschnitt der Euro-Zone und sinkt auch langsamer als in anderen Ländern. Die Kerninflation (Teuerung ohne Energie und Lebensmittel) werde weiterhin bei 5,0 Prozent liegen und damit deutlich über dem Schnitt der Euro-Zone.

Diese Lücke („Inflationsdifferenzial“) schließe sich nur langsam, sagte IHS-Chef Bonin und nannte als einen zentralen Grund die hohen Energiepreise in Österreich. Beide Experten waren sich einig: Ohne Deckelung, etwa Strompreisbremse, wäre die Teuerungsrate noch höher. Bonin sah das Problem längerfristig auch als eines für Österreichs Wettbewerbsfähigkeit. „Die Inflation ist nicht nur ein soziales Problem, sondern es wird für Österreich immer zum Standortproblem.“

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Chef Holger Bonin
APA/Roland Schlager
Felbermayr (WIFO) und Bonin (IHS) sehen in der Inflation ein Risiko und fordern einen Fokus auf das Thema

Der Inflationsunterschied zu den anderen europäischen Ländern schließe sich in den kommenden Jahren nur langsam. Bonin und Felbermayr fordern von der Bundesregierung einen stärkeren Fokus auf die Bekämpfung der Teuerung, etwa auch durch eine Senkung der öffentlichen Ausgaben.

Wachstum, Kaufkraft und Wohlstand

Direkt mit dem Thema Teuerung hängen auch Faktoren wie Realeinkommen und Kaufkraft zusammen. WIFO-Chef Felbermayr („Wie stehen wir da?“) ging auch darauf und auf den von dem Institut berechneten „Wohlfahrtsindikator“ für internationale Vergleiche ein. Er orientiert sich am real verfügbaren BIP pro Kopf, nicht am BIP, da, vereinfacht gesagt, ein starkes Wirtschaftswachstum allein nicht automatisch zu mehr Wohlstand für alle führt.

WIFO-Chef: 2023 kein „Weihnachtswunder“

Die Wirtschaftsforscher von Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS) erwarten in ihrer vorgestellten Prognose für 2024 ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,9 bzw. 0,8 Prozent und 2025 von 2,0 bzw. 1,5 Prozent.

Auch bei diesem Indikator liegt Österreich laut Felbermayr zurück – um 2,5 Prozent unter CoV-Vorkrisenniveau. Erst 2025 werde dieses Niveau wieder erreicht. Andere Länder lägen bereits darüber. Ein Grund sei schlicht, dass als Folge von Zuwanderung mehr Menschen im Land lebten, was „das Pro-Kopf-Maß nach unten zieht“. Der Grund, warum sie hier lebten, sei irrelevant, so Felbermayr auf Nachfrage. Eine andere Ursache sei eben die hohe Inflation.

Generelle Risiken

Für die konkreten Zahlen der Winterprognose zeichnen die beiden Ökonomen Stefan Ederer (WIFO) und Helmut Hofer (IHS) verantwortlich. „Sorgen“ bereite dem IHS vor allem die schwache Investitionstätigkeit als Risiko für die Konjunktur, führte Hofer aus. Die Investitionen würden heuer um 2,3 Prozent zurückgehen, im nächsten Jahr erneut um 1,2 Prozent und erst 2025 wieder im Plus liegen.

Grafik zur WIFO-IHS-Konjunkturprognose
Grafik: APA/ORF; Quelle: WIFO/IHS

Ederer nannte auch mögliche Risiken für die Erholung der Wirtschaft, etwa die „Störung der Handelsrouten“ wie des Sueskanals durch den Konflikt im Gazastreifen und die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer. Eine solche könne zu erneuten Lieferkettenproblemen und steigenden Rohstoffpreisen führen. Allerdings seien diese nicht vergleichbar mit dem Ausmaß während der Pandemie.

Arbeitsmarkt und staatliches Defizit

Ein mögliches Risiko in Österreich sei, dass sich der Arbeitsmarkt eintrübe, so Ederer. Den Einfluss des schwachen Wachstums auf den Arbeitsmarkt schätzen beide Institute geringfügig unterschiedlich ein. Bisher hat ihn der Abschwung nur mäßig getroffen. In den beiden kommenden Jahren sehen WIFO und IHS die Arbeitslosenrate, die für heuer mit 6,4 Prozent angenommen wird, bei 6,4 bzw. 6,6 Prozent und 6,0 bzw. 6,3 Prozent. Das IHS ist für 2025 etwas pessimistischer.

Den staatlichen Finanzierungssaldo nimmt das WIFO bei minus 2,3 Prozent des BIP an, das IHS bei minus 2,8 Prozent. Für 2024 prognostizieren die Institute einen Finanzierungssaldo des Staates laut Maastricht-Definition von minus 2,4 bzw. minus 2,3 Prozent und für 2025 von minus 2,0 bzw. 2,2 Prozent.