Rettungswagen am Weg zur Universität in Prag
AP/Petr David Josek
15 Tote

Suche nach Motiv für Bluttat an Prager Uni

Nach der Schusswaffenattacke an der Prager Karls-Universität mit 15 Toten und vielen Verletzten sucht die Polizei nach einem Motiv für die Tat. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden, um die Umstände aufzuklären, sagte die zuständige Staatsanwältin Lenka Bradacova. Auch der mutmaßliche Schütze ist unter den 15 Toten.

Der junge Mann hatte Donnerstagnachmittag im Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität das Feuer eröffnet. Nach den jüngsten Angaben wurden 25 Menschen verletzt, davon zehn schwer bis lebensgefährlich. Sie wurden in verschiedene Krankenhäuser der tschechischen Hauptstadt gebracht. Es gebe keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund, so Regierungschef Petr Fiala.

Innenminister Vit Rakusan kündigte dennoch eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im Land aus präventiven Gründen an. Dazu zähle eine stärkere Präsenz von Polizisten mit Maschinenpistolen an ausgewählten Orten. Rakusan sagte im Rundfunk, der Schütze habe seine Waffen legal besessen und sei nicht vorbestraft.

Vor der Tat soll der Schütze bereits seinen Vater in dessen Haus in der Gemeinde Hostoun westlich von Prag ermordet haben, so die Vermutung der Beamten. Der Mann habe sich auf den Weg in die tschechische Hauptstadt gemacht und gesagt, er wolle sich selbst töten, sagte der tschechische Polizeipräsident Martin Vondrasek am späten Donnerstagabend weiter.

Trauernde zünden Kerzen an
AP/Denes Erdos
Trauernde zünden Kerzen vor der Universität an

In Hörsälen verbarrikadiert, aus Fenstern geklettert

Die Polizei durchsuchte das Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät, wo der Schütze zu einer Vorlesung erwartet wurde. Er ging jedoch in ein anderes Gebäude der Fakultät in der Nähe und wurde nicht rechtzeitig gefunden. Gegen 15.00 Uhr habe es erste Informationen über Schüsse gegeben, die schnelle Eingreiftruppe sei innerhalb von zwölf Minuten an Ort und Stelle gewesen.

Rettungsfahrzeuge vor der Karls-Universität in Prag
AP/Petr David Josek
Die Polizei und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot an Ort und Stelle

Studierende, Lehrende sowie Hochschulmitarbeiterinnen und -mitarbeiter der Universität teilten in sozialen Netzwerken mit, dass sie sich in Hörsälen und Büros verbarrikadiert hätten. Andere kletterten aus dem Fenster und stellten sich auf das Dachsims, um sich vor dem Schützen zu verbergen.

Auch Zusammenhang mit Doppelmord vermutet

Nach einem Bericht des Fernsehsenders Nova soll sich der Täter zuletzt auf dem Dach des Fakultätsgebäudes aufgehalten haben. Auch eine Explosion sei zu hören gewesen. Unklar ist noch, ob sich der Student selbst tötete oder von der Polizei getötet wurde. Aufklärung sollte die Obduktion der Leiche ergeben.

Tag der Trauer nach Amoklauf

Nach dem Amoklauf im Zentrum der tschechischen Hauptstadt Prag wird für Samstag ein Tag der Trauer ausgerufen.

Über ein mögliches Motiv herrscht bisher Unklarheit. Eine Hypothese der Ermittler lautet nach Aussage Vondraseks, dass der 24-Jährige auch für einen Doppelmord vor einer Woche verantwortlich gewesen sein könnte. Ein Vater und dessen Tochter im frühen Säuglingsalter waren offenbar grundlos in einem Waldstück am Prager Stadtrand erschossen worden. Der Fall hatte in Tschechien für Entsetzen gesorgt. Klarheit sollen nun ballistische Untersuchungen bringen.

Pöcksteiner (ORF) berichtet aus Prag

Reporterin Eva Pöcksteiner (ORF) informiert über die aktuellen Entwicklungen nach der Bluttat in Prag.

Die Universität startete eine Spendenaktion für die Verletzten und die Angehörigen der Toten. Bis Freitagfrüh beteiligten sich bereits mehr als 2.700 Menschen daran, wie auf der Website des Stiftungsfonds der Uni zu sehen war. Die gespendete Summe belief sich bis dahin auf knapp 2,7 Millionen Kronen (110.000 Euro).

Staatstrauer ausgerufen

Alle Opfer seien inzwischen identifiziert, sagte der Leiter der Prager Polizei, Petr Matejcek, am Freitag. Unter den Toten seien keine Ausländer. Zwei Bürger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und ein Niederländer seien unter den Verletzten, hieß es. Das Außenministerium in Wien hatte auf Anfrage der APA am Donnerstagabend gesagt, es gebe nach Rücksprache mit der österreichischen Botschaft in Prag derzeit keine Hinweise, dass österreichische Staatsbürger von der Schussattacke betroffen seien.

Das liberalkonservative Kabinett kam am späten Donnerstagabend in Prag zu einer Krisensitzung zusammen, an der auch Präsident Petr Pavel teilnahm. Die Regierung rief für Samstag eine eintägige Staatstrauer aus. Fahnen sollen auf halbmast wehen, die Lichterketten am Christbaum auf dem Altstädter Ring sollen erlöschen. Geplant ist auch ein Trauergottesdienst im Veitsdom.

Pavel warnte davor, die Tragödie für voreilige Kritik an der Polizei oder zur Verbreitung von Falschinformationen zu missbrauchen. Er hatte einen Besuch in Frankreich abgebrochen, um zurück nach Prag zu eilen. Ministerpräsident Fiala und der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda zeigten sich schockiert und sprachen von einer „Tragödie“.

Karte zeigt Prager Innenstadt
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Internationale Anteilnahme

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie weitere Spitzenpolitiker aus dem In- und Ausland sprachen ihre Anteilnahme aus. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zeigten sich auf X (Twitter) „geschockt“. „In diesen schmerzlichen Stunden sind unsere Gedanken bei den Menschen in der Tschechischen Republik, den Familien und Freunden der Opfer“, postete Van der Bellen.

Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich laut seinem Sprecher „schockiert und traurig“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte auf X (Twitter), sie sei „schockiert über die sinnlose Gewalt, die mehrere Menschenleben in Prag gefordert hat“. Sie drückte zudem ihr Beileid aus. Das Weiße Haus verurteilte die „sinnlose“ Gewalt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Ministerpräsidentin Elisabeth Borne äußerten ihre „Erschütterung“ und „Solidarität“.