Menschen im Gazastreifen blicken auf einen Bombenkrater
AP/Adel Hana
Hamas – Israel

„Schwere Bomben“ verwüsten Gazastreifen

Nach dem Hamas-Angriff mit etwa 1.200 Toten hat Israel eine Offensive auf Ziele im Gazastreifen gestartet. Die israelische Armee will unter anderem mit Luftschlägen die Terrorgruppe zerstören. Seit Kriegsbeginn kamen aber auch Tausende Zivilistinnen und Zivilisten dabei ums Leben. Analysen zufolge ist der Militäreinsatz Israels besonders verheerend – auch wegen des Einsatzes „schwerer Bomben“.

Mehr als zwei Drittel aller Gebäude im nördlichen Gazastreifen und ein Viertel der Gebäude im südlichen Gebiet von Chan Junis seien in den vergangenen zwei Monaten zerstört worden. Das geht aus einer Satellitenanalyse des CUNY Graduate Center und der Oregon State University hervor. „Der Gazastreifen hat jetzt vom Weltraum aus gesehen eine andere Farbe“, sagt Corey Scher vom CUNY Graduate Center.

Scher hat mit seinem Kollegen Jamon Van Den Hoek von der Oregon State University bereits die Zerstörung in anderen Kriegsgebieten wie etwa im syrischen Aleppo und im ukrainischen Mariupol untersucht. Aktuell können internationale Medien den Gazastreifen nur mit der israelischen Armee betreten. Daher sind Satellitenbilder die einzige zuverlässige Methode, um das Ausmaß der Schäden im Küstengebiet zu beurteilen.

Ausmaß der Zerstörung enorm

Laut dem US-Militärhistoriker Robert Pape sei der Gazastreifen „eine der intensivsten zivilen Bestrafungskampagnen der Geschichte“. Der Konflikt befinde sich „im obersten Viertel der verheerendsten Bombenangriffe aller Zeiten“, sagte der Politikwissenschaftler der University of Chicago gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Das Ausmaß der Zerstörung im Gazastreifen sei größer als jenes der alliierten Bombenangriffe auf Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Allein in den ersten zwei Wochen der Offensive im südlichen Teil des Gazastreifens, die Anfang Dezember gestartet wurde, habe sich der Prozentsatz der beschädigten Gebäude im Gebiet von Chan Junis fast verdoppelt, ergab die Analyse von Scher und Van Den Hoek. Darunter würden sich Zehntausende von Häusern, Schulen, Krankenhäusern, Moscheen und Geschäften befinden. Nach Angaben der UNO wurden etwa 70 Prozent der Schulgebäude im Gazastreifen beschädigt.

Israel macht die Hamas für den Tod von Zivilisten und Zivilistinnen verantwortlich, weil sie zivile Infrastrukturen wie Schulen und Spitäler als Waffenarsenale nutzt. Unter den Gebäuden befinden sich zudem Tunnel, die die israelische Armee zerstören will. Gleichzeitig gilt der Gazastreifen als dicht besiedelt. Viele Zivilisten und Zivilistinnen sind in den vergangenen Wochen aus dem Norden in den Süden geflüchtet, um der Bodenoffensive zu entgehen. Israel weitete seine Angriffe aber bereits auf den gesamten Küstenstreifen aus.

Israelische Soldaten vor beschädigten Häusern in Gazastreifen
APA/AFP/Gil Cohen-Magen
Viele Teile des Gazastreifens sind zerstört, Israel startete nach den Luftangriffen eine Bodenoffensive

„Verwandelt Erde in Flüssigkeit“

Der erste Fokus lag allerdings auf Gaza-Stadt. Laut der Analyse sind 75 Prozent der Gebäude von den Angriffen betroffen gewesen, darunter auch das Al-Schifa-Krankenhaus. Medienberichten zufolge wurden von der israelischen Armee besonders „schwere Bomben“ benutzt. Diese rund 900 Kilogramm schweren Bunkerbomben würden laut „New York Times“ von den USA eingesetzt, allerdings nicht in dicht besiedelten Gebieten.

Israel-Hamas-Krieg

Am 7. Oktober waren Hunderte Kämpfer der Hamas in israelische Orte eingedrungen und hatten dort Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israel begann daraufhin eine Bodenoffensive zur Vernichtung der Terrorgruppe.

„Die Bombe verwandelt die Erde in Flüssigkeit“, sagt Marc Garlasco, ein ehemaliger Verteidigungsbeamter des Pentagon und Ermittler für Kriegsverbrechen bei der UNO. Sie zerstöre ganze Gebäude, eine Explosion im Freien bedeute den „sofortigen Tod“ für jeden im Umkreis von etwa 30 Metern. Fachleuten zufolge wurde eine solche Bombe auch Ende Oktober auf das Flüchtlingscamp Dschabalja mit Dutzenden Toten geworfen. Laut Israel ist Dschabalja eine Hochburg der Hamas.

Experten hätten Berichten zufolge auch Fragmente von SPICE-Bomben (Smart, Precise Impact, Cost-Effective) gefunden. Diese sind mit einem GPS-Leitsystem ausgestattet, um die Präzision zu erhöhen. Laut „New York Times“ stammt ein Teil der Technologie aus den USA. Auch auf Chan Junis, wohin die Zivilisten und Zivilistinnen nach Aufruf des israelischen Militärs flohen, soll eine dieser Bomben geworfen worden sein.

Keine Angaben zu den Bomben

Bisher hat die israelische Armee nicht angegeben, welche Waffen sie für ihre Offensive im Gazastreifen einsetzt. Expertinnen und Experten konnten zwar durch die Analysen von Explosionsfragmenten, durch Satellitenbilder und Videos, die in sozialen Netzwerken geteilt werden, einige Bombenarten herausfinden. Allerdings können diese Ergebnisse nur einen kleinen Einblick in das ganze Ausmaß des Luftkriegs Israels geben.

Ein Palästinenser hält in Khan Junis vor einem Krater einen Raketenteil
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Derzeit fokussiert sich die israelische Armee auf das Gebiet rund um Chan Junis im Süden des Gazastreifens

Gegenüber der „New York Times“ sagte ein israelischer Militärsprecher, dass Israels Priorität die Zerstörung der Hamas sei und „Fragen dieser Art zu einem späteren Zeitpunkt untersucht werden“. Der Sprecher sagte auch, dass die Armee „Vorsichtsmaßnahmen ergreift, um den Schaden für die Zivilbevölkerung zu begrenzen“. Zuletzt wurde Israel von mehreren Staaten aufgefordert, mehr zu unternehmen, um zivile Opfer zu vermeiden. Auch die USA gehören zu den Mahnern.

Elf Wochen nach Beginn des Krieges hat Israel nach eigenen Angaben zahlreiche Hamas-Stellungen und Hunderte von Tunnelschächten zerstört und 7.000 der schätzungsweise 30.000 bis 40.000 Hamas-Kämpfer getötet. Die israelische Führung sagt, dass intensiver militärischer Druck der einzige Weg sei, um die Geiseln zu befreien. Von den 240 verschleppten Menschen wurden bisher rund 100 freigelassen.