Menschen legen Blumen und Kerzen vor der Prager Karls-Universität nieder
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Bluttat in Prag

Polizei nennt Details des Einsatzes

Nach der Schusswaffenattacke an der Prager Karls-Universität mit 15 Toten und vielen Verletzten hat die Polizei bei einer Pressekonferenz weitere Details zum Einsatz und dem Tathergang genannt. Die Suche nach einem Motiv geht unterdessen weiter – auch der mögliche Zusammenhang mit einem Doppelmord vor einer Woche wird von den Ermittlerinnen und Ermittlern geprüft.

Freitagmittag skizzierten sie die Ereignisse vom Vortag: Am Donnerstag gegen 12.30 Uhr wurde die Polizei von einem Freund des 24-jährigen Schützen über ein Abschieds-SMS informiert. Wenige Minuten später fand die Polizei den Leichnam des Vaters in dessen Haus in der Gemeinde Hostoun westlich von Prag. Angenommen wird, dass der Schütze den Vater getötet hat. In der Folge kam es zu einer landesweiten Suche nach dem Verdächtigen.

Die Polizei hatte das Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät durchsucht, wo der Schütze zu einer Vorlesung erwartet wurde. Er ging jedoch in ein anderes Gebäude der Fakultät in der Nähe und wurde nicht rechtzeitig gefunden. Gegen 15.00 Uhr habe es erste Informationen über Schüsse gegeben.

Pöcksteiner (ORF) berichtet aus Prag

Reporterin Eva Pöcksteiner (ORF) informiert über die aktuellen Entwicklungen nach der Bluttat in Prag.

Polizei: Täter erschoss sich selbst

Studierende, Lehrende sowie Hochschulmitarbeiterinnen und -mitarbeiter der Universität teilten in sozialen Netzwerken mit, dass sie sich in Hörsälen und Büros verbarrikadiert hätten. Andere kletterten aus dem Fenster und stellten sich auf das Dachsims, um sich vor dem Schützen zu verbergen.

Nach tschechischen Medienberichten soll sich der Täter zuletzt auf dem Dach des Fakultätsgebäudes aufgehalten haben. Auch eine Explosion sei zu hören gewesen. Als die Polizei auf die Schüsse reagierte, befand sich der Angreifer auf dem Dach. Er erschoss sich Polizeiangaben zufolge selbst. Der Schütze besaß nach Angaben der Behörden eine Lizenz für acht Waffen. Hinsichtlich der Kritik an der Reaktionszeit der Einsatzkräfte sagten die Ermittler, dass zwischen dem ersten Anruf und dem Betreten des Gebäudes durch Polizisten vier Minuten vergangen seien.

Polizisten einer Spezialeinheit vor der Prager Karls-Universität
APA/AFP/Michal Cizek
Polizisten einer Spezialeinheit vor der Prager Karls-Universität

Ermittler sehen Zusammenhang mit Doppelmord

Die Polizei teilte außerdem mit, dass es Hinweise dafür gebe, dass der Universitätsattentäter auch für die Waldmorde in Klanovicky letzte Woche verantwortlich war. Ein Vater und dessen Tochter im frühen Säuglingsalter waren offenbar grundlos in einem Waldstück am Prager Stadtrand erschossen worden. Der Fall hatte in Tschechien für Entsetzen gesorgt. Klarheit sollen nun ballistische Untersuchungen bringen.

Bezüglich der Bluttat in Prag gebe es keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund, so Regierungschef Petr Fiala. Innenminister Vit Rakusan kündigte dennoch eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im Land aus präventiven Gründen an. Dazu zähle eine stärkere Präsenz von Polizisten mit Maschinenpistolen an ausgewählten Orten. Rakusan sagte im Rundfunk, der Schütze habe seine Waffen legal besessen und sei nicht vorbestraft.

Innenminister verteidigt Polizei

Auf die Frage, ob die Polizei den Angriff hätte stoppen können – da sie über Informationen über einen bewaffneten Mann auf dem Weg in die Prager Innenstadt verfügte –, sagte der Innenminister gegenüber der BBC, dass die Polizei nur von einem möglichen Selbstmordversuch gewusst habe, nicht aber von einem Massenmörder.

Was das Motiv des Schützen betrifft, tappen die Ermittler weiter im Dunkeln: Rakusan erwähnte gegenüber der BBC „einige persönliche Probleme, eine Art Depression, Enttäuschung (…) Aber wir haben keine konkreten Beweise oder Informationen von ihm, warum er sich entschieden hat, etwas so Schreckliches zu tun.“

Alle Opfer seien inzwischen identifiziert, sagte der Leiter der Prager Polizei, Petr Matejcek, am Freitag. Unter den Toten seien keine Ausländer. Zwei Bürger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und ein Niederländer seien unter den Verletzten, hieß es. Insgesamt wurden 25 Personen verletzt.

Tag der Trauer nach Amoklauf

Nach dem Amoklauf im Zentrum der tschechischen Hauptstadt Prag wird für Samstag ein Tag der Trauer ausgerufen.

Staatstrauer ausgerufen

Die Regierung rief für Samstag eine eintägige Staatstrauer aus. Fahnen sollen auf halbmast wehen, die Lichterketten auf dem Christbaum auf dem Altstädter Ring sollen erlöschen. Geplant ist auch ein Trauergottesdienst im Veitsdom.

Präsident Petr Pavel warnte davor, die Tragödie für voreilige Kritik an der Polizei oder zur Verbreitung von Falschinformationen zu missbrauchen. Er hatte einen Besuch in Frankreich abgebrochen, um zurück nach Prag zu eilen. Ministerpräsident Fiala und der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda zeigten sich schockiert und sprachen von einer „Tragödie“. Die Universität startete eine Spendenaktion für die Verletzten und die Angehörigen der Toten.

Karte zeigt Prager Innenstadt
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Internationale Anteilnahme

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie weitere Spitzenpolitiker aus dem In- und Ausland sprachen ihre Anteilnahme aus. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zeigten sich auf X (Twitter) „geschockt“. „In diesen schmerzlichen Stunden sind unsere Gedanken bei den Menschen in der Tschechischen Republik, den Familien und Freunden der Opfer“, schrieb Van der Bellen.

Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich laut seinem Sprecher „schockiert und traurig“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte auf X, sie sei „schockiert über die sinnlose Gewalt, die mehrere Menschenleben in Prag gefordert hat“. Sie drückte zudem ihr Beileid aus. Das Weiße Haus verurteilte die „sinnlose“ Gewalt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Ministerpräsidentin Elisabeth Borne äußerten ihre „Erschütterung“ und „Solidarität“.