Alexej Nawalny in Haft
Reuters/Evgenia Novozhenina
Drei Wochen verschwunden

Nawalny in Straflager in Polarregion verlegt

Der seit drei Wochen vermisste russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist nach Angaben seiner Sprecherin in eine Strafkolonie in der russischen Polarregion verlegt worden. Das bestätigte Sprecherin Kira Jarmisch am Montag auf X (Twitter). Nawalny gehe es gut, sein Anwalt habe ihn am Montag besucht.

Sein Team und die Anwälte hatten eine Suchaktion gestartet. „Wir haben Alexej gefunden!“, teilte sein Mitarbeiter Iwan Schdanow mit. Er sei im Straflager „Polarwolf“, in einer der nördlichsten und entlegensten Kolonien überhaupt, mehr als 2.000 Kilometer von Moskau entfernt.

„Die Bedingungen dort sind brutal“, sagte Schdanow. Es herrsche auch Dauerfrost. Es sei sehr schwer, dorthin zu gelangen, zudem würden keine Briefe in das Lager zugestellt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Moskaus Machtapparat den Gegner von Kreml-Chef Wladimir Putin vor der Präsidentenwahl am 17. März isolieren wolle. „Sein Aufenthaltsort wurde geheim gehalten“, kritisierte Schdanow.

Nawalnys Team spricht von Informationsblockade

Noch am Montag habe Russlands oberstes Gericht behauptet, dass Nawalnys Aufenthaltsort unbekannt sei, sagte Schdanow, der im Exil den Antikorruptionsfonds leitet. Es habe eine komplette Informationsblockade gegeben. Nawalnys Juristen hätten mehr als 600 Anfragen verschickt und alle Untersuchungsgefängnisse „durchsucht“, um ihn zu finden.

„Der Anwalt war heute bei ihm. Er hat Alexej gesehen. Aber den Anwalt haben sie auch nicht gleich zu ihm gelassen“, sagte Schdanow. Schon im April sei der Chef des russischen Strafvollzugs, Arkadi Gostew, dort gewesen, um wohl das Lager auf Nawalnys Ankunft vorzubereiten, teilte er weiter mit. „Obwohl heute auch Weihnachten ist, ist die Tatsache, dass wir Alexej an diesem Tag gefunden haben, kein Weihnachtswunder, sondern die gewaltige und akribische Arbeit der Juristen des Antikorruptionsfonds“, teilte Julia Nawalnaja, die Ehefrau des Oppositionellen, via Instagram mit.

Wegen „Extremismus“ zu 10 Jahren Haft verurteilt

Die entlegene Ortschaft Charp mit rund 5.000 Einwohnern liegt nördlich des arktischen Polarkreises, in ihr befinden sich mehrere Strafkolonien. Der Antikorruptionsaktivist Nawalny sitzt derzeit eine 19-jährige Haftstrafe ab, im Sommer war er wegen „Extremismus“ verurteilt worden. Angehörige und Mitstreiter hatten seit Anfang Dezember nichts mehr von ihm gehört, eine Verlegung aus seinem bisherigen, rund 250 Kilometer von Moskau entfernten Haftort hatte als wahrscheinlich gegolten.

Gemäß dem im Sommer gegen ihn ergangenen Urteil muss Nawalny seine Strafe in einer Kolonie mit schärferen Haftbedingungen verbringen. Diese sind üblicherweise nur für lebenslänglich Verurteilte und besonders gefährliche Gefangene vorgesehen.

Während Transport keine Informationen an Angehörige

Verlegungen von einer Strafkolonie in eine andere dauern in Russland oft mehrere Wochen und erfolgen per Bahnfahrten, die von mehreren Zwischenhalten unterbrochen werden. Die Angehörigen der Gefangenen erhalten während dieser Zeit keinerlei Angaben zu deren Aufenthaltsort.

Als Grund für die Verschleppung des Oppositionspolitikers sieht sein Team die nahende Präsidentenwahl in Russland, bei der Staatschef Wladimir Putin sich bestätigten lassen will. „Der Kreml wollte nicht, dass Alexej in dieser Zeit irgendwelche Statements abgibt. Deswegen bin ich mir sicher, dass Putin den Befehl gegeben hat, Alexej irgendwohin zu transportieren“, hatte Jarmisch schon vergangene Woche vermutet.

USA und Frankreich besorgt

Nawalny, der 2020 auch einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt hatte, ist seit fast drei Jahren in Haft. Er wurde international als politischer Gefangener anerkannt. Die USA äußerten sich besorgt über die Haftbedingungen Nawalnys. Es sei zu begrüßen, dass es nach fast drei Wochen Ungewissheit Informationen über seinen Aufenthaltsort gebe, teilte das US-Außenministerium am Montag mit. „Wir sind aber weiterhin zutiefst besorgt über das Wohlergehen von Herrn Nawalny und die Bedingungen seiner ungerechtfertigten Inhaftierung.“ Die US-Regierung verlange weiterhin seine „sofortige Freilassung“.

Der Kreml kritisierte immer wieder eine „Einmischung“ Washingtons in den Fall. Auch die französische Regierung hatte Sorge geäußert und erklärt, Russland sei in der Verantwortung für die Gesundheit seiner Gefangenen.