israelischer Soldat im Gazastreifen
APA/AFP/Israeli Army
„Ende nicht nah“

Netanjahu kündigt verstärkte Kämpfe an

Während die humanitäre Lage im Gazastreifen zunehmend schlimmer wird, ist eine Verbesserung nicht in Sicht. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte am Montag eine Verstärkung des israelischen Militäreinsatzes an. Die palästinensischen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad erklärten, man werde den Kampf gegen Israel fortsetzen. Ägypten unterbreitete unterdessen einen neuen Vorschlag für eine Feuerpause und weitere Geiselfreilassungen.

Netanjahu sagte laut einer Erklärung seiner Partei Likud bei einem Treffen mit Likud-Parlamentsabgeordneten, die Armee werde ihre Kämpfe „in den kommenden Tagen intensivieren“. Der Krieg werde „lang sein“ und das Ende sei „nicht nah“. Der Regierungschef war eigenen Angaben zufolge zuvor selbst in den Gazastreifen gereist.

Bei einer Rede vor der Knesset versprach Netanjahu später, die noch im Gazastreifen befindlichen Geiseln der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas zu befreien. Die israelische Armee brauche jedoch „mehr Zeit“, um den militärischen Druck auf die Hamas zu erhöhen. Angehörige der Geiseln buhten Netanjahu während seiner Rede mehrfach aus und skandierten „Sofort! Sofort!“, um ihre Forderungen nach mehr Bemühungen für eine schnellere Freilassung der Geiseln zu untermauern.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert seit mittlerweile 80 Tagen an. Auslöser war ein großangelegter Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei dem rund 1.140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden waren.

Israel: Kämpfe in Gaza gehen weiter

Laut Medienberichten will Israel über einen von Ägypten vorgelegten Plan zum Ende des Krieges im Nahen Osten beraten. Indessen gehen die Kämpfe des israelischen Militärs gegen die Terrororganisation Hamas weiter.

Proteste von Geiselangehörigen

Angehörige der israelischen Gaza-Geiseln protestierten indes am Montag bei einer Sondersitzung des Parlaments in Jerusalem mit Sprechchören gegen eine Rede von Netanjahu. Dieser betonte in der Knesset am Montag, nur durch militärischen Druck könnten die von der Hamas in den Gazastreifen entführten Menschen befreit werden.

Angehörige der Geiseln riefen unterdessen von der Tribüne aus im Chor immer wieder „Jetzt, jetzt, jetzt“, um ihrer Forderung nach sofortigen Maßnahmen für die Befreiung der noch mehr als 100 festgehaltenen Geiseln Nachdruck zu verleihen. Sie hielten Transparente, auf denen unter anderem „80 Tage Hölle“ stand, wie in Videos zu sehen war und die Zeitungen „Times of Israel“ und „Haaretz“ berichteten. Viele fordern eine zweite Feuerpause für einen Austausch der Verschleppten gegen in Israel inhaftierte Palästinenser.

Hamas will „erbitterten, brutalen“ Kampf weiterführen

Der Hamas-Chef im Gazastreifen, Jahja Sinwar, schrieb nach Angaben der Organisation vom Montag in einem Brief an den Vorsitzenden des Hamas-Politbüros, Ismail Hanija, sowie andere Mitglieder des Gremiums: „Die Kassam-Brigaden (der bewaffnete Arm der Hamas, Anm.) führen einen erbitterten, brutalen und beispiellosen Kampf gegen die israelischen Besatzungstruppen.“ Auch der Islamische Dschihad teilte nach Angaben des Nachrichtensenders al-Jazeera am Montag mit, man werde als Reaktion auf das Blutvergießen im Gazastreifen weiterkämpfen.

Sinwar behauptete, man habe der israelischen Armee schwere Verluste an Leben und Ausrüstung zugefügt. Die Kassam-Brigaden hätten mindestens 5.000 israelische Soldaten angegriffen und davon ein Drittel getötet, ein weiteres Drittel schwer verletzt und das übrige Drittel dauerhaft außer Gefecht gesetzt. Diese Zahlen widersprechen eindeutig den Angaben der israelischen Armee, die von mehr als 150 im Gazastreifen getöteten israelischen Soldaten berichtet. Sinwar schrieb, der bewaffnete Hamas-Arm werde sich den israelischen Bedingungen nicht unterwerfen.

Hamas-Führung möglicherweise gespalten

Sinwar reagierte damit möglicherweise auf Berichte über einen ägyptischen Vorschlag, den Gaza-Krieg zu beenden. Hanija war zuletzt mit einer Delegation zu Gesprächen in Ägypten gewesen. Er gilt als Auslandschef der Hamas und lebt in Katar.

Berichten zufolge soll die im Exil lebende politische Hamas-Führung bereits hinter dem Rücken der beiden Hamas-Anführer im Gazastreifen, Sinwar und Mohammed Deif, Gespräche führen, wie der Gazastreifen und das Westjordanland nach Ende des Krieges regiert werden. Israel will Sinwar und Deif, die als Drahtzieher des Terroranschlags am 7. Oktober gelten, gezielt töten. Es wird vermutet, dass sie sich im unterirdischen Tunnelnetzwerk im Süden des Gazastreifens verstecken.

Vorschlag für Feuerpause aus Ägypten auf dem Tapet

Israels Kriegskabinett will laut einem Medienbericht noch am Montag über einen Vorschlag Ägyptens zur Beendigung des Gaza-Krieges beraten. Das berichtete die Zeitung „Jerusalem Post“ am späten Sonntagabend. Israelische Beamte bestätigten laut der Zeitung „Times of Israel“ zuvor, dass Ägypten einen neuen Vorschlag für eine Feuerpause und die Freilassung weiterer israelischer Geiseln im Gazastreifen unterbreitet habe.

Die Hamas bekräftigte am Montagabend, eine nur vorübergehende Feuerpause im Gaza-Krieg abzulehnen, und forderte einen dauerhaften Waffenstillstand. „Wir bekräftigen, dass es keine Verhandlungen ohne eine umfassende Einstellung der Aggression geben wird“, teilte die Terrororganisation mit.

Dreistufenplan im Gespräch

Der saudische TV-Kanal Aschark News hatte unter Berufung auf informierte Quellen berichtet, Ägyptens Vorschlag sehe eine Beendigung des Krieges in mehreren Stufen vor. In der ersten Phase würde es darum gehen, eine mindestens zwei Wochen andauernde Feuerpause durchzusetzen. In dieser Zeit sollten 40 Geiseln freigelassen werden. Im Gegenzug würde Israel 120 palästinensische Gefangene freilassen. Danach würde es um einen palästinensischen Dialog unter der Schirmherrschaft Ägyptens gehen.

El-Gawhary (ORF) über den Friedensplan

Laut Medienberichten will Israel über einen von Ägypten vorgelegten Plan zum Ende des Krieges im Nahen Osten beraten. Laut ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary handelt es sich aber eher um eine Gesprächsbasis als einen ausgereiften Plan.

Eine dritte Phase sehe dann einen vollständigen Waffenstillstand und ein umfassendes Abkommen zum Austausch von Geiseln und Gefangenen vor. In einem letzten Schritt würde Israel seine Armee abziehen, während alle Vertriebenen zu ihren Wohnorten zurückkehren könnten.